Time to money Rascher verkaufen im B-to-B-Geschäft
Kunden informieren und entscheiden sich langsam im B-to-B-Geschäft. Die Beschaffungen sind oft komplex und risikoreich und verschiedene Personen im Unternehmen des Kunden beteiligen sich. Zwar werden Lieferanten oft extrem unter Zeitdruck gesetzt, die Zwischenschritte des Kunden werden aber ebenso häufig zeitlich verschoben, und manche Initiativen versanden einfach. Lässt sich dieses Problem nur beklagen oder kann der Anbieter rascher verkaufen?
Kunden kümmern sich oft nicht um Produkte und Services, obschon ein Kauf für sie Sinn machen würde. Besonders bei innovativen Angeboten und Lösungen dürfte der Anteil hoch sein und nicht selten mehr als die Hälfte der Kunden betreffen. Einerseits erkennen sie die Chancen des Kaufs zu wenig, andererseits sind sie vielfältig engagiert und vernachlässigen auch ergiebige Beschaffungen. Manchmal ist in Kundenunternehmen auch einfach die Zuständigkeit unklar.
Das Zeitproblem des Anbieters gilt es zu klären. Werden neue Angebote zu wenig rasch eingeführt? Lassen sich anspruchsvolle Vorgaben nur langsam umsetzen? Können neue Kundengruppen und Kunden nicht rasch erschlossen werden? Ist der Akquisitionsaufwand zu hoch? Die Folgerungen sind verschieden.
Das erkannte Problem mit Kunden ist verbreitet, nur braucht es zuerst eine Analyse. Warum braucht der Kunde viel Zeit? Erst wer die Ursachen kennt, kann abklären, wo allenfalls anzusetzen ist. Einige Beispiele zeigt die Abbildung „Beispiele von Zeitfressern bei Kunden“.
Dabei beeinflussen sich die Phasen. Beispielsweise kann der Kunde seine Informationssuche und Kaufentscheide verzögern, weil er sich vor größeren Umstellungen in der Abwicklung scheut.
Ansätze
Eine Diagnose der Zeitfresser und Zeitprobleme muss sich auf das spezifische Geschäft eines Anbieters und seine Kunden beziehen. Jedes wichtige Element lässt sich dabei auch durch Anbieter beeinflussen. Zusammenfassend scheinen folgende Ansätze ergiebig:
- Kundenfokus: Die Zwischenschritte und Angebote passen genau zu Erwartungen und Bedürfnissen des Kunden. Anspruch sind „pfannenfertige“ Vorschläge, auf die der Kunde einfach reagieren kann. Allein im Management der Offerten ergeben sich oft schon wichtige Verbesserungen.
- Kundenprozess: Oft legt der Kunde bereits 60 Prozent seines Weges zum Kauf zurück, bevor spezifische Kontakte mit möglichen Lieferanten spielen (Redemann, 2017, S. 13). Diesen Teil der Informationssuche und Auseinandersetzung zu beeinflussen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe des B-to-B-Marketings. Selent (2017) bezeichnet beispielsweise digitale Interaction Hubs, um den Kunden im B-to-B-Geschäft zu fördern. Dazu gehören Hot Topics mit Markttrends und Herausforderungen in der Kundenbranche, Transparenz zu Kundenvorteilen, Kundenqualifikation und -lernprozess, Kundenreferenzen und -fälle, Produktfakten/-erfahrungen und -eindrücke. Mögliche Instrumente sind Social Media, anbietereigene und unabhängige User Communities, Events und Webcasts, Help Desk oder Trainingmaterial.
- Weiterverkauf durch Kundenpersonen: Entscheide des Kunden entstehen nicht einfach. Sie werden durch einzelne Personen getrieben oder verhindert. Im B-to-BMarketing sind Anbieter deshalb auf Personen beim Kunden angewiesen, die eine Beschaffung intern fördern, koordinieren und abschließen. Diese Personen richtig zu unterstützen ist anspruchsvoll.
- Erreichbarkeit für Kunden 24x7: Ein Angebotsprozess ist in der Regel systematisch und logisch. Der Prozess des Kunden ist – mindestens aus dem Blickwinkel des Anbieters – beliebig und offen. Es gilt, die überraschenden Rückfragen und Zwischenschritte des Kunden flexibel zu begleiten. Inbound-Marketing heißt das Stichwort, möglichst rund um die Uhr. Immer wenn der Kunde etwas von uns will, so ist das ein Volltreffermarketing, weil Zeit, Kanal und Inhalt für ihn stimmen. Auch hier sind digitale Lösungen oft besonders überzeugend, obschon die Konversion von Internetrecherchen in Kundenhandlungen immer kritisch ist.
- Dringlichkeit für den Kunden fördern und „den Sack zumachen“: Angebote und besondere Kundenvorteile lassen sich zeitlich begrenzen und fördern damit die Motivation des Kunden, rasch zu entscheiden. Schließlich ist die Fähigkeit des Verkaufs gefordert, im richtigen Moment auch abzuschließen.
Vielleicht muss ein Anbieter auch die langen und selbst gestalteten Prozesse der Kunden akzeptieren. Er wird dann früher bei Kunden einsteigen und seine Pipeline an Projekten besser füllen, um seine Ergebnisse rechtzeitig zu erreichen. Dieser Beitrag geht mehrheitlich von den möglichen Zeitfressern bei Kunden aus. Auch der Anbieter gestaltet aber seine Schritte und Aufgaben schnell oder langsam; er hält Termine ein oder verspätet sich. Wir gehen davon aus, dass die eigene Schnelligkeit und Pünktlichkeit des Anbieters sich positiv auf Schnelligkeit und Pünktlichkeit des Kunden auswirkt. Laufende Verschiebungen und Verspätungen untergraben jede vernünftige Zusammenarbeit. Bereits lange Lieferfristen können sich fatal auswirken, manchmal beflügeln sie aber auch den Kunden, früh zu bestellen. Späte Rechnungen führen zu noch mehr verspäteten Zahlungen. Jede Verlängerung des Kundenprozesses birgt die Gefahr, dass sich Anforderungen und Einschätzungen des Kunden verändern. Grundsätzlich ist schneller, wer sorgfältig und gründlich vorgeht. Alle halbfertigen und groben Vorschläge führen nur zu Unsicherheiten und Rückfragen.
Fazit
Schnelle Prozesse sind günstiger und besser, weil sich die Beteiligten konzentrieren. Gute Verkäufe und Einkäufe im B-to-B-Bereich lassen sich nicht vernünftig niederschwellig und langsam abwickeln. Anbieter, die rascher verkaufen wollen, üben aber mehr oder weniger geschickt einen Druck auf den Kunden aus. Größere Schritte mit dem Kunden sind effizienter, aber auch anfälliger. Damit ist immer das Risiko verbunden, dass der Kunde ausweicht oder abbricht. Seine Autonomie ist ihm wichtig. Es braucht deshalb eine Balance, denn es ist auch in einer Beziehung ungeschickt, bereits beim ersten Date zu fragen, ob allenfalls später eine Heirat in Frage kommt. Und: Es ist beschränkt möglich, die Kundenprozesse zu beschleunigen. Vielleicht gilt es, die schnellen Kunden zu selektionieren, denn Langweiler bleiben es auch oft.
Die Frage kommt griffig daher, wie sich rascher verkaufen lässt. Nur ist Zeit eine übergeordnete Dimension und betroffene Schritte von Kunden und Anbietern sind inhaltlich sehr verschieden. Nichts wird ausgeschlossen.
Beispiele von Zeitfressern bei Kunden
Informationssuche, z. B.
- neue Beschaffungen mit hoher Unsicherheit des Kunden
- mangelnde Dringlichkeit des Kaufs (genügend bestehende Lösungen, längerfristiger Bedarf, wichtigere weitere Schauplätze im Kundenunternehmen usw.)
- halbherzige und zersplitterte Informationssuche des Kunden ohne Drive, mit Unterbrüchen, nebenher
- ungenügende Informationen aus Kundensicht zu Kundennutzen, Anwendungen usw.
- ungenügende Transparenz des Kunden und schwierige Vergleichbarkeit der Informationen
- …
Kaufentscheid, z. B.
- Offerten verfehlen in Leistung, Preis und Prozess die Erwartungen des Kunden
- Lücken im Angebot für den Kunden
- langwierige Abstimmung von verschiedenen Personen des Kunden mit geringer Verfügbarkeit • Risikoscheu • mangelnde Dringlichkeit des Kunden • Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Beschaffungen des Kunden (oft in völlig verschiedenen Bereichen) • störende Wettbewerber, die vor dem Abschluss der Kunden eingreifen
- …
Abwicklung, z. B.
- größere Umstellungen mit der neuen Beschaffung erforderlich
- Verschiebung der Inbetriebnahme
- Probleme der Inbetriebnahme
- Verschiebung von Zwischen- und Endzahlung
- Veränderungen in Kundenunternehmen und seinen Märkten
- endlose vertragliche Abstimmungen
- Kostendruck und ungenügende Liquidität des Kunden
- …
Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).
In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.
Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (MIM Marken Institut München GmbH) gefördert.
In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.
Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University aus- zeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.
Die gute Frage verdanke ich Peter Emmenegger, SBB AG, Personenverkehr – Geschäftskunden und Partnervertrieb.
Redemann, M. (2017): Verkaufen im 3. Jahrtausend, in: Sales Management Review, Nr. 2, S. 12–20.
Selent, A. (2017): Digitalisierung von Kundeninteraktionen, unveröffentlichte Präsentation am Doktorandenseminar der Universität St. Gallen vom 1. Mai 2017.