Alles andere als nur regional – die Möglichkeiten von Addressable TV
Gillette, Opel und Fisherman’s Friend – drei Marken, die in der Werbewelt in den vergangenen Monaten für reichlich Aufmerksamkeit gesorgt haben. Der Grund dafür: ihre Kampagnen via Addressable TV. Nach einigen aussichtsreichen Pilotprojekten hat die innovative Targeting-Technik schnell den Ruf als DAS neue Tool in der TV-Vermarktung erlangt.
Die Möglichkeit, Werbung über HbbTV erstmals gezielt regional auszusteuern oder – wie Opel – bundesweite Spots etwa durch die Einblendungen lokaler Händler zu ergänzen, sorgte nicht nur bei den Werbetreibenden für glänzende Augen und Goldgräberstimmung. Doch diese hat bereits nach kürzester Zeit einen deutlichen Dämpfer erfahren. Denn im Moment scheint es so, als würde der neue Rundfunkstaatsvertrag regional ausgesteuerte Fernsehwerbung – trotz einer von den TVVermarktern vor Gericht mühsam erkämpften Erlaubnis – bei bundesweiten Programmen ab Januar 2016 wieder verbieten. Ist Addressable TV also bereits Geschichte, bevor es richtig angefangen hat? Und vor allem: Lohnt sich die aufreibende Diskussion aller Beteiligten aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt?
„ Im Moment ist Addressable TV ein Wettrennen der Showcases. “
Die technischen Rahmenbedingungen klingen erst einmal nicht schlecht: In Deutschland wurden laut der GfK seit 2008 knapp 15 Millionen HbbTV-Empfangsgeräte verkauft, damit sind wir europäischer Spitzenreiter. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass es hierzulande mindestens 15 Millionen potenzielle Adressaten für zielgerichtete Werbung gibt. Aber: Wer ein HbbTV-fähiges Gerät besitzt, muss dieses noch lange nicht im vollen Umfang nutzen. Wann und wo konkret über HbbTV geschaut wird, lässt sich derzeit leider noch nicht in Summe abbilden – es gibt also noch keine verifizierbare Gesamtreichweite. Daher ist Addressable TV im Moment eher noch ein Wettrennen um Showcases, in dem es vor allem darum geht, mit regional ausgesteuerten Kampagnen Erfahrungswerte zu sammeln. Es wäre allerdings leichtsinnig, die Technik für adressierbare Spots gemeinsam mit der Erlaubnis für lokale Werbung auf bundesweiten Sendern zu begraben – denn Addressable TV steht für viel mehr als nur Regionalität. Zielgruppenmerkmale wie etwa der Familienstand, das Haushalts-Nettoeinkommen, Interessen, Alter und Geschlecht würden dem Markt ausreichend neue Impulse für passgenaue TVWerbung bieten. Um Addressable TV in Deutschland unabhängig von den gesetzlichen Entscheidungen weiter zu etablieren, muss der Markt sich von seinem aktuellen Regionalitäts-Fokus verabschieden und sich anderen Differenzierungskriterien zuwenden. Dann können durch eine interessenbasierte Aussteuerung der Spots endlich auch im TV Streuverluste minimiert werden. Das eröffnet wiederum Unternehmen die Chance auf eine Präsenz im TV, für die sich Fernsehwerbung – etwa aufgrund einer sehr spitzen Zielgruppe – wirtschaftlich bislang nicht gelohnt hat.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und datenschutzrechtlichen Hürden sind in Deutschland jedoch ungleich höher als beispielsweise in den USA, wo Addressable TV bereits großflächig und mit positiver Resonanz umgesetzt wird. Zusätzlich kommen technische Herausforderungen ins Spiel: über HbbTV können die Aussteuerungen zwar über die IP-Adressen regional vorgenommen werden, und man kann sich an der Zielgruppe des jeweiligen Programms orientieren – weitere Differenzierungen sind mangels Daten jedoch schwer umzusetzen. Grundsätzlich verfügen wir Pay-TV-Anbieter hier über einen deutlichen Vorteil gegenüber HbbTV. Denn: Die einzelnen Receiver lassen sich ihren jeweiligen Abonnenten zuordnen – anders als beim Smart TV stehen also bereits weitere demografische Daten für eine zielgerichtete Ansprache zur Verfügung. Außerdem decken wir die komplette Wertschöpfungskette von der Hardware bis zur Vermarktung ab und können so deutlich flexibler agieren. Sky Großbritannien nutzt diesen Ansatz mit Sky AdSmart bereits ausgesprochen erfolgreich, in Deutschland soll der Service voraussichtlich 2017 starten. Bis dahin werden wir flächendeckend rückkanalfähige Receiver im Einsatz haben und auch für die Datenschutzthematik muss es eine sinnvolle Lösung geben.
Letztendlich ist es doch auch für den Konsumenten deutlich angenehmer, Werbung zu sehen, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten und damit für ihn relevant ist.
Addressable TV wird den Werbemarkt in jedem Fall revolutionieren, denn dann werden wir im Fernsehen endlich auch all die Targeting-Optionen haben, die bislang nur im Rahmen von Online-Werbung umgesetzt werden konnten.