Trotz Krise – dynamisches Wachstum im Direktvertrieb

Trotz Krise – dynamisches Wachstum im Direktvertrieb

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich der Direktvertrieb zu einem dynamischen Wachstumsmarkt entwickelt, der immer mehr Menschen eine berufliche Perspektive und die Chance zur Selbstständigkeit bietet. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die von der Fachhochschule Worms durchgeführt wurde.

Bislang war nur wenig über die Branche bekannt. Zwar gibt es vereinzelte Untersuchungen über den Direktvertrieb in Deutschland, doch sie behandeln nur Teilaspekte. Eine umfassende Darstellung, die die Möglichkeiten und Perspektiven der Branche aufzeigt, fehlte jedoch.
Der Branchenreport Direktvertrieb 2009 schließt diese Lücke. Er basiert auf einer Marktforschungsstudie, bei der 6600 haupt- und nebenberuflich tätige Vertriebspartner in Deutschland, Österreich und der Schweiz Rede und Antwort standen. Im Rahmen einer großen Fragebogenaktion gaben sie bereitwillig Auskunft über ihr Alter, ihr Einkommen, den Zeiteinsatz, ihre Bildung und Motivation, aber auch ihre Zufriedenheit mit dem Beruf. Mit diesen empirisch gesicherten Informationen ist es erstmals möglich, ein objektives Bild der Branche zu zeichnen.

Wachstumsmotor für die Wirtschaft

Dabei wird vor allem eines deutlich: Während der Einzelhandel vor großen Herausforderungen steht und die Umsatzanteile seit Jahren rückläufig sind, zeigt der Direktvertrieb hohe Wachstumsraten und ein enormes Entwicklungspotenzial. Gerade in Zeiten des Umbruchs bietet er vielen Menschen die Chance auf einen beruflichen Neuanfang. Er ist ein Wachstumsmotor unserer Wirtschaft geworden, der sich auch in der Krise behauptet.
Allerdings sind Direktvertrieb und insbesondere seine dynamische Variante Network-Marketing als Begriffe einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Klassischer Direktvertrieb wird definiert als der Verkauf beziehungsweise die Vermittlung von Waren oder Dienstleistungen durch einen Vertriebsrepräsentanten an den Verbraucher. Der Warenverkauf findet in aller Regel zu Hause beim Käufer statt. Versandhandel, Internetvertrieb und Teleshopping gehören nicht zum klassischen Direktvertrieb und werden im Branchenreport nicht beleuchtet.

Hohes Wachstumspotenzial – dynamischer Markt

Trotz des dynamischen Wachstums in den vergangenen Jahren ist das Potenzial im Direktvertrieb noch immer enorm. In Taiwan sind beispielsweise 18,6 Prozent der Bevölkerung im Direktvertrieb tätig, in den USA immerhin 5,1 Prozent der Bevölkerung. Deutschland liegt mit einem Anteil von 0,9 Prozent ebenso wie Österreich mit 0,2 Prozent am unteren Ende der Skala. Dr. Jens Abend, Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverband Direktvertrieb e.V., welcher die Studie unterstützt, erklärt: „Vor dem Hintergrund des hohen Nachholbedarfs in Deutschland, in Österreich und der Schweiz und der zunehmenden Verbesserung des öffentlichen Ansehens des Direktvertriebs traue ich dem Markt in den kommenden fünf Jahren jährliche Wachstumsraten zwischen sechs und acht Prozent zu.“
Die Befragung zeigt auch, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung schon einmal im Direktvertrieb gekauft haben oder kaufen würden. Lediglich 25 Prozent lehnen einen Einkauf im Direktvertrieb ab. Die Struktur der Kunden entspricht in ihren soziodemografi schen Merkmalen der Gesamtbevölkerung. Das heißt, die Kunden kommen aus allen Schichten und repräsentieren einen Querschnitt der Bürger.
Knapp 90 Prozent der Produkte, die verkauft werden, stammen aus den Bereichen Wellness und Gesundheit. An zweiter Stelle rangieren Kosmetik und Körperpfl ege mit 65 Prozent. Bezeichnend für die meisten Produkte ist, dass sie sich gegenseitig ergänzen, zügig verbraucht und von den Kunden häufi g nachbestellt werden.

Höheres Einkommen durch eigene Vertriebslinien

Die Vertriebsform des Network-Marketings, auch Empfehlungsmarketing genannt, bietet dem Vertriebspartner neben dem klassischen Direktvertrieb die Möglichkeit, neue Vertriebspartner zu gewinnen und zu betreuen. Für die durch Produktvermittlung oder Verkauf erzielten Leistungen erhalten die Vertriebspartner vom Unternehmen eine Provision/Handelsspanne. Als Zeichen der Anerkennung für die Betreuung, Ausbildung, Motivation und Führung der Vertriebspartner zahlt das Direktvertriebs-Unternehmen zusätzliche Leistungsvergütungen.
Damit besteht das Vergütungssystem im Direktvertrieb mit Network-Marketing aus zwei Komponenten: der Provision/Handelsspanne für den Verkauf/die Vermittlung der Ware oder Dienstleistung an den Endverbraucher auf der einen Seite und dem Bonus-/Provisionseinkommen aus der Betreuung der neu gewonnenen Vertriebspartner auf der anderen Seite.
Der Reiz von Direktvertrieb mit Network-Marketing liegt im Aufbau einer eigenen Vertriebslinie, die zu einem großen Netzwerk heranwachsen kann. Die aktuelle Studie hat ergeben, dass 86 Prozent aller Befragten im Network-Marketing arbeiten.

93 Prozent arbeiten nebenberuflich im Direktvertrieb

Auch die anderen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Deutschland sind rund 780 000 (Österreich: 50 000, Schweiz: 40 000) selbstständige Vertriebspartner aktiv und erwirtschaften einen Umsatz von knapp 6,47 Mrd. Euro (Österreich: 540 Mio. Euro, Schweiz: 518 Mio. Euro) pro Jahr. Dies entspricht einem Zuwachs von rund sieben bis zehn Prozent pro Jahr innerhalb der letzten zehn Jahre.
Zum Großteil (93 Prozent) wird Direktvertrieb im Nebenerwerb betrieben, sieben Prozent arbeiten ganztägig in der Branche. Dabei nutzen vor allem Frauen (62 Prozent) den Direktvertrieb, um ein zweites Einkommen zu erzielen.
Drei Viertel der Befragten wenden nicht mehr als 15 Stunden pro Woche für die Nebentätigkeit aus. Im Durchschnitt erwirtschaften die nebenberuflich Tätigen ein Einkommen von rund 820 Euro pro Monat. Hauptberufliche Vertriebspartner mit einem Zeiteinsatz von mehr als 30 Stunden pro Woche erzielen im Schnitt rund 6000 Euro pro Monat und damit rund dreimal so viel wie ein durchschnittliches Einkommen im Einzelhandel.

Frauen dominieren als Zielgruppe

Dabei stellen Frauen mit 60 Prozent die größte Zielgruppe im Direktvertrieb dar. Geht man davon aus, dass Frauen in den Familien die Kaufentscheidungen für die meisten Produkte treffen, so dominieren sie als Kundengruppe mit knapp 80 Prozent. Auch die Kundenbindung ist im Direktvertrieb extrem hoch. 86 Prozent der Kunden sind Stammkunden.
Die aktuelle Befragung zeigt, dass die persönliche Ansprache die wichtigste Vertriebsmethode im Direktvertrieb darstellt. Um neue Kunden zu gewinnen, werden zunächst meist Freunde und Bekannte angesprochen, dann Fremde und schließlich Kollegen. Bereits beim ersten Kontakt bestellen knapp 50 Prozent der Endkunden die Produkte des Vertriebspartners. Und spätestens nach dem zweiten Kontakt haben über 80 Prozent der Kunden eine Bestellung aufgegeben.
Mit über 80 Prozent ist eine sehr hohe Anzahl von Vertriebspartnern zufrieden oder sehr zufrieden. Fast alle sind der Meinung, dass es ihnen die Tätigkeit im Direktvertrieb ermöglicht, andere Menschen kennen zu lernen, dass die Arbeit sehr fl exibel ist und eine gute Möglichkeit bietet, zusätzliches Einkommen zu generieren. Der Großteil der Befragten betrachtet Direktvertrieb als echten Beruf. Mit einer Mehrheit von über 50 Prozent denken die Vertriebspartner außerdem, dass der Beruf gut zu Frauen passt.

Zukunftstrends und Prognosen

Wie wird die weitere Entwicklung des Direktvertriebs aussehen? Hält der Wachstumstrend an? 85 Prozent der befragten Vertriebspartner sind überzeugt, dass die Branche in den kommenden Jahren weiter dynamisch wachsen wird. Hier spiegelt sich das hohe Vertrauen der Vertriebspartner in die Branche wider.
Auch ihre persönliche Einkommensentwicklung beurteilen 81 Prozent der Befragten als positiv. 46 Prozent gaben an, dass das Einkommen ansteigt, 35 Prozent erwarten sogar einen starken Anstieg. Die meisten Vertriebspartner sind also zuversichtlich, dass der Direktvertrieb weiter wachsen wird – und das, obwohl sich im Zeitraum der Befragung die allgemeine wirtschaftliche Stimmung deutlich eingetrübt hat.
Auch große Zukunftstrends werden die dynamische Entwicklung im Direktvertrieb begünstigen, wie zum Beispiel die wachsende Bedeutung von Gesundheit und Wohlbefinden. Rund um Ernährung, Körper, Sport und Lebensqualität entstehen neue große Nachfragemärkte. Diese hat der Direktvertrieb schon jetzt mit seinen umsatzstärksten Produkten besetzt.
Die Trendforscher prognostizieren zudem, dass die Bedeutung der Frau in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen zunehmen wird. Für den Direktvertrieb gilt das schon heute. Der Anteil der Frauen an den Vertriebspartnern ist in den letzten 15 Jahren sprunghaft gestiegen und wird weiter steigen. Denn er bietet die Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Orientierung für Interessenten - „Code of Ethics“

Wer sich für eine Tätigkeit im Direktvertrieb interessiert, sollte sich seine Partner sorgfältig auswählen. Der UVDV hat einen „Code of Ethics“ entwickelt, dem alle Mitgliedsunternehmen zwingend verpflichtet sind und dessen Einhaltung streng überprüft wird. Damit grenzen sich professionelle Unternehmen deutlich von möglichen schwarzen Schafen ab, die sich in der Branche versuchen.
Zum Beispiel gewähren seriöse Direktvertriebsunternehmen Bonuszahlungen nur bei entsprechenden Produktumsätzen, nicht jedoch beim bloßen Anwerben neuer Vertriebspartner. Diese sogenannten Kopfprämien sind verboten. Ebenso verbietet der „Code of Ethics“ Mindestabnahmen, teure Starterpakete oder teure Zwangsschulungen für Neueinsteiger.
 

Autorin(nen) / Autor(en):
Professor, Leiter der Fachrichtung Marketing und Vertrieb des Fachbereichs European Business Management / Handelsmanagement
FH Worms