Mit Marketingprinzipien auf dem Arbeitsmarkt überzeugen

Mit Marketingprinzipien auf dem Arbeitsmarkt überzeugen

HR In Zeiten eines immer stärkeren Fachkräftemangels müssen sich Unternehmen von ihrer Konkurrenz abheben, um Bewerber von sich zu überzeugen. Dazu gehört vor allem, seine Zielgruppe sowie die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen. Die schwedische Personalberatung Academic Work hat mit ihrem „Young Professional Attraction Index 2019“ (YPAI) eine Studie durchgeführt, die verdeutlicht, was jungen Nachwuchskräften bei der Auswahl eines Arbeitgebers besonders wichtig ist. Darüber hinaus hilft der Index dabei, die richtigen HR-Strategien zu fi nden. Dabei zeigt sich: Ein Gri in die Marketing-Trickkiste schadet nicht.

Wo Marketing auf Recruiting trifft

Auf den ersten Blick haben Marketing und Recruiting nicht allzu viel gemein. Befasst man sich tiefer gehend mit der Thematik, wird jedoch deutlich: Einige Konzepte aus dem Marketing lassen sich durchaus bei der Suche nach Fachkräften anwenden, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Wichtig für Unternehmen ist zum Beispiel, sich Veränderungen und Trends kontinuierlich anzupassen – auch auf dem Arbeitsmarkt. Zudem sollte man bei der betreffenden Zielgruppe auf möglichst vielen Kanälen präsent sein – denn wer sichtbar ist, bleibt im Kopf. Dabei müssen sich Unternehmen an das Nutzerverhalten der Zielgruppe anpassen – mobile first ist das Prinzip der Digital Natives. Darüber hinaus lassen sich durch Analysen der verschiedenen Kanalaktivitäten neue Erkenntnisse erzielen. Doch was genau erwarten Young Professionals heutzutage von Unternehmen? Ihre Anforderungen sollten geklärt werden, um potenzielle Mitarbeiter gezielt ansprechen zu können. Auch Investitionen in Empfehlungsmarketing lohnen sich. Denn was bei Produkten gang und gäbe ist, funktioniert auch im HR. Wird ein Unternehmen als guter Arbeitgeber gelistet, hat das einen positiven Einfluss auf Interessenten. Zu guter Letzt gilt es, den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich zu gestalten. Wie auch bei der Customer-Journey wollen Bewerber keine langwierige, umständliche „Reise“ bis zum Ziel – ihrem Traumjob. Die altbekannte Weisheit „Der Kunde steht im Mittelpunkt“ ist also durchaus bereichsübergreifend einsetzbar.

1. Wer ist meine Zielgruppe?

Abhängig von ihrer Branche wollen Unternehmen verschiedene Nachwuchskräfte ansprechen. Dabei sollte beachtet werden, dass für Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker, Ingenieurwissenschaftler sowie Kommunikations- und Geisteswissenschaftler verschiedene Anforderungen von Bedeutung sind. Die unterschiedlichen Bereiche, auf die sich Absolventen in ihrem Studium spezialisiert haben, wirken sich auf ihre Anforderungen an den Arbeitgeber aus. Übergreifend lassen sich jedoch einige Punkte ausmachen, die für nahezu alle Talente wichtig sind: Ein gutes Arbeitsklima und Teamzusammenhalt haben für 64 Prozent der Befragten der YPAI-Studie oberste Priorität. Eine angemessene Bezahlung sowie Mitarbeiter-Benefits sind für insgesamt 60 Prozent von Bedeutung. Flexibilität am Arbeitsplatz und eine ausgewogene Work-Life-Balance sind für jedes zweite Talent wichtig. Aber auch Themen wie Toleranz, Fairness und Diversität werden immer bedeutsamer: 45 Prozent der befragten Arbeitnehmer schätzen diese Werte.
Wirtschaftswissenschaftler schätzen vor allem Aufstiegschancen und ein gutes Verhältnis zu Führungskräften und Kollegen. Auch Gehalt und mögliche Benefits sind von großer Bedeutung. HR-Verantwortliche können diese Erkenntnisse nutzen und in ihrer Kommunikation betonen. Dazu gehören Fragen wie „Wie ist die Stimmung am Arbeitsplatz?“ oder „Wieso arbeiten die Mitarbeiter gern im Unternehmen?“ Sie helfen dabei, die für Wirtschaftswissenschaftler wichtigen Punkte bewusst in Stellenanzeigen hervorzuheben. Informatiker werden auf dem Arbeitsmarkt verstärkt gesucht, weshalb sie sich ihren Job gewissermaßen aussuchen können. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sowie ein positives Arbeitsklima und eine gute Bezahlung sind ihnen besonders wichtig. Arbeitgeber sollten deshalb hinterfragen, inwiefern sie diese Bereiche aktuell abdecken. Besteht die Möglichkeit einer freien Zeiteinteilung? Wie arbeitet das Team zusammen? Wie sind die Gehaltsstrukturen aufgebaut? Wie bei Informatikern herrscht auch im Bereich der Ingenieurwissenschaftler starker Fachkräftemangel. Wer als Unternehmen mit einem besonders guten Arbeitsklima und Aufstiegschancen aufwarten kann, punktet. Dazu sollten Team-Events, Mentoren-Programme und Weiterbildungsmöglichkeiten aktiv kommuniziert werden. Im Gegensatz zu anderen Studiengängen sind Kommunikations- und Geisteswissenschaftler nicht von vornherein auf eine bestimmte Branche festgelegt. Da sie auf wissenschaftliches Arbeiten spezialisiert sind, verfügen sie über hohe Auffassungs- oder Organisationsfähigkeit, Flexibilität sowie sozial-kommunikative Kompetenzen. Auch dieser Gruppe ist ein gutes Arbeitsklima sowie eine Work-Life-Balance sehr wichtig. Für HR-Verantwortliche lohnt es sich deshalb, um die Ecke zu denken. Denn die Absolventen verfügen über die Fähigkeit, sich in verschiedenste Aufgabenbereiche einzuarbeiten. Wer als Unternehmen also auf der Suche nach Organisationstalenten ist und mit Weiterbildungen punkten kann, sollte diese Gruppe nicht außer Acht lassen.

Soziales Engagement des Arbeitgebers wird für Mitarbeiter immer wichtiger und hebt das Unternehmen von vielen anderen ab.

Neben Unterschieden in verschiedenen Branchen sollten Arbeitgeber sich auch dessen bewusst sein, dass sich die Erwartungen von Absolventen und jungen Beschäftigten unterscheiden. Während Absolventen vor allem Aufstiegschancen am Arbeitsplatz wichtig sind, rücken bei Beschäftigten andere Themen in den Fokus.

 

2. Wer bin ich?

Um als Unternehmen aufzufallen, müssen Arbeitgeber nicht nur die Wünsche potenzieller Mitarbeiter kennen. Die Anpassung an diese ist ebenso wichtig, denn nur dann können Talente nachhaltig überzeugt werden. Arbeitgeber müssen also die Eigenschaften herausstellen, die die Young Professionals laut Studienergebnis am meisten ansprechen. Dazu ist es notwendig, sich selbst als Unternehmen zu hinterfragen: Was sind die eigenen Stärken, welche Schwächen gibt es? Nur wer sich als Unternehmen kennt, kann seine Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Wenn sowohl Zielgruppe als auch eigene Stärken identifiziert wurden, können die Informationen für diverse Kommunikationsmaßnahmen genutzt werden. Überprüft werden sollten vor allem die eigenen Stellenanzeigen: Inwiefern greifen diese alle relevanten Faktoren auf, was kann ergänzt werden? Details, beispielsweise zu bestimmten Schulungen oder Mentoring-Programmen, helfen dabei, das Interesse potenzieller Mitarbeiter zu erhöhen. Auch auf Arbeitsklima und Unternehmenskultur sollten Arbeitgeber direkt eingehen. Hier braucht man sich nicht scheuen – Stärken dürfen deutlich kommuniziert werden. Auch der Beitrag des Unternehmens für die Branche oder übergreifend für die Gesellschaft kann aktiv kommuniziert werden. Denn soziales Engagement des Arbeitgebers wird für Mitarbeiter immer wichtiger und hebt das Unternehmen von vielen anderen ab. Doch wo erreicht man die Young Professionals am besten? Die richtige Jobplattform auszuwählen, ist essenziell, um Nachwuchstalente zu erreichen. Apps, die nach dem Tinder-Prinzip funktionieren, kommen dem Mobile-first-Verhalten der Digital Natives entgegen. Auch die Unternehmens-Website sowie die zugehörigen Social-Media- Kanäle sollten aktuell sein und Interessenten mit Informationen, aber auch emotionalen Inhalten versorgen. Denn vor einer Bewerbung werfen 59 Prozent der befragten Nachwuchskräfte sowie ganze 80 Prozent der befragten Studierenden einen Blick auf die Unternehmenskanäle.

Flexibilität am Arbeitsplatz und eine ausgewogene Work-Life- Balance sind für jedes zweite Talent wichtig.

Deutlich wird: Wer sich mit den Wünschen und Fokussierungen der jungen Talente beschäftigt, kann seine HR-Strategie an die jeweilige Gruppe anpassen. Dazu ist es notwendig, neben der Zielgruppe auch das eigene Unternehmen zu analysieren, um Schwächen zu erkennen und Stärken weiter auszubauen. Mit einigen Anleihen aus klassischen Marketingkonzepten kann schlussendlich auch die eigene Recruiting-Strategie ein Erfolg werden.