Marketing Procurement – Effizienzschub für das Marketing

Marketing Procurement – Effizienzschub für das Marketing

Ergebnisse einer Trendstudie der BrainNet Supply Management Group AG und des Center für Zukunftsforschung und Wissensmanagement am Supply Chain Management Institute (SMI) der European Business School (EBS).

Marketingabteilungen benötigen heute erhebliche Ressourcen, um neue Strategien zu entwickeln, kreative Potenziale zu heben und den Kommunikationsdruck aufrechtzuerhalten. Doch diese Ressourcen stehen meistens nicht zur Verfügung, ganz im Gegenteil: Im Gefolge der globalen Wirtschaftskrise sind die Marketingbudgets teilweise dramatisch erodiert. Das Marketing muss deshalb seine Effizienz deutlich verbessern und die zur Verfügung stehenden Budgets optimal einsetzen. Eine umfassende Strategie muss dabei die gesamte Wertschöpfungskette des Marketings im Blick behalten und sowohl die einzelnen Leistungskategorien als auch die Struktur der Kooperationsmodelle mit Partnern genau evaluieren. Eine Aufgabe, die von der Marketingabteilung nicht im Alleingang bewältigt werden kann. Sie muss auf die organisationsinterne Expertise zurückgreifen, insbesondere in den Bereichen Finanzierung, Vertragswesen und Einkauf.

Marketing Procurement

Gerade die enge Zusammenarbeit mit dem Einkauf erweist sich als besonders fruchtbar – wenn sie konsequent und professionell organisiert wird. Das Ergebnis dieser Kooperation – Marketing Procurement – ist ein entscheidender Hebel, um Marketing aus der budgetären Schraubzwinge zu befreien. Marketing Procurement beschreibt somit die nachhaltige Effizienzsteigerung im Marketing durch einen professionellen Einkauf der relevanten Dienstleistungen.
Im Rahmen der von der auf Supply Chain Management spezialisierten Beratung BrainNet Supply Management Group AG und dem Center für Zukunftsforschung und Wissensmanagement am Supply Chain Management Institute (SMI) der European Business School (EBS) gemeinsam durchgeführten Studie wurde das Effizienzpotenzial untersucht, welches ein konsequenter Einsatz von Marketing Procurement bietet. Zugleich wurden die wesentlichen Faktoren für seine erfolgreiche Umsetzung betrachtet.
Die Untersuchung basiert auf persönlichen Tiefeninterviews mit Marketing- und Einkaufsverantwortlichen von mehr als 30 werbetreibenden Unternehmen in Deutschland im Zeitraum von Juni bis November 2009. Bei den untersuchten Konzernen und führenden mittelständischen Unternehmen handelt es sich überwiegend um Trendsetter, deren Marketingpolitik überdurchschnittlich häufig als Benchmark für die Strategieentwicklung der Wettbewerber genutzt wird. Die Befragungsergebnisse wurden zusätzlich durch semistrukturierte Interviews mit Senior-Managern deutscher Top-Agenturen und Werbemedien validiert, sodass eine möglichst objektive und umfassende Perspektive auf den Gegenstandsbereich gewährleistet ist. Das untersuchte Marketingvolumen in Höhe von insgesamt knapp 1,8 Mrd. Euro für das Jahr 2009 verteilt sich über alle relevanten Marketingdisziplinen und erlaubt eine umfassende Beurteilung der Trends und Instrumente in der Kommunikation.

High Performance im Marketing Procurement

Die Studienergebnisse zeigen, dass Marketing Procurement als ein signifikanter Werthebel fungieren kann. Einige Unternehmen, die Marketing Procurement bereits aktiv und professionell nutzen, erreichen Effizienzsteigerungen von mehr als 15 Prozent. Insgesamt 20 Prozent der Befragten fallen in diese Gruppe der High Performer. Des Weiteren geben mehr als 70 Prozent der Befragten an, Effizienzsteigerungen von mindestens fünf Prozent erzielt zu haben. Lediglich 17 Prozent der Befragten – im Gesamtvergleich also Low Performer – nutzen den Hebel Marketing Procurement nur eingeschränkt und konnten folglich keine oder nur geringe Effizienzgewinne realisieren. Weitere 13 Prozent verfügen nicht über Prozesse und Instrumente, um die Marketingeffizienz zu messen. 

Die Untersuchung zeigt, dass High Performer einen umfassenden und strukturierten Ansatz implementiert haben. Sie legen großen Wert auf die Qualifikation der mit Marketing Procurement befassten Einkäufer im Hinblick auf die relevanten Marketingdisziplinen und den Beschaffungsmarkt. Ein Kernaspekt dieser Strategie ist die Schaffung von Motivationsanreizen für Kunde und Agentur, insbesondere im Rahmen von erfolgsorientierten Vergütungsmodellen. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den High- und den Low Performern: Während knapp 80 Prozent der High Performer erfolgsorientierte Vergütungsansätze im Einkauf von Mediavolumen und Drittleistungen verfolgen, sind es bei den Low Performern lediglich 50 Prozent. 
Das Design performanceorientierter Ansätze wirkt sich in mehrfacher Hinsicht positiv auf die Budgeteffizienz aus. Einerseits können unmittelbar Preissenkungen und Effizienzvorteile realisiert werden. Andererseits motiviert diese Strategie die Agenturen, ihre eigenen Wertschöpfungsketten zu überprüfen und effektiver zu gestalten.
Damit kann die gesamte „Marketing-Vertikale“ optimiert werden, was die Voraussetzung für ein nachhaltig hohes Effizienzniveau ohne Einbußen bei Qualität und Kreativität ist. Die erfolgreiche Umsetzung von erfolgsabhängigen Ansätzen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit: Nur ein eindeutig definiertes Modell kann Effizienzpotenziale für Werbungtreibende und Agenturen heben.

Risikomanagement im Marketing Procurement

Ein weiteres wesentliches Element, das Unternehmen mit hohen Effizienzraten anwenden, ist ein fundiertes Risikomanagement der Wertschöpfungskette. Spätestens im Gefolge der Wirtschaftskrise sind viele Marketing- Dienstleister in teilweise existenzielle Nöte geraten. Für Marketingkampagnen eines Unternehmens kann eine Instabilität des Dienstleisters gravierende Folgen haben: nachlassende Kreativität, mangelhafter Service oder sogar eine massive Störung laufender Kampagnen. Unternehmen, die im Marketing Procurement besonders erfolgreich sind, zeichnen sich deshalb auch durch ein professionelles Risikomanagement aus. Sie halten engen Kontakt zu ihren Dienstleistern und haben einen umfassenden Einblick in die zentralen Prozesse der Agenturen. 

Die Studienergebnisse belegen, dass High Performer auch beim Risikomanagement eine nachhaltige Orientierung haben. Der Einblick in die Prozesse und Bücher des Dienstleisters und der enge Kontakt haben keinesfalls das „Rauspressen“ der letzten Margen zum Ziel. Vielmehr geht es darum, Ausfallrisiken rechtzeitig zu erkennen und einen Vergütungsansatz zu finden, der einerseits dem Kunden ein exzellentes Preis-Leistungs- Verhältnis bietet und andererseits der Agentur eine Marge garantiert, die – bei einer angemessenen Kostenstruktur – den Account wirtschaftlich interessant macht.
Um diese Strategie zu realisieren, setzen High Performer vor allem bei grundsätzlichen Prozessfaktoren an: Sie betreiben konsequentes Benchmarking für alle relevanten Marketingleistungen, verfügen über eine Marketing-Spend-Priorisierung, sorgen für präzise Briefings und messbare Zielvorgaben und haben gut abgestimmte Auswahlkriterien sowie eine koordinierte Verhandlungsstrategie.

Zusammenarbeit zwischen Marketing und Einkauf

Obwohl die Ergebnisse klar belegen, dass eine möglichst intensive Einbindung des Einkaufs in die Beschaffung von Marketing-Services hochgradig erfolgsrelevant ist, wird heute lediglich rund die Hälfte der Budgetvolumina unter grundsätzlicher Einbindung des Einkaufs beschafft.
Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit liegen vor allem in den klassischen Bereichen Media-Services, Kreativleistung, Sponsoring und Event-Organisation. Extrem gering ist die Einbindung des Einkaufs bei den Themen Customer-Relationship-Management (CRM) und Online sowie Market Research. Hier ziehen auch die in der Studie identifizierten High Performer den Einkauf nur in Ausnahmefällen hinzu. 
Diese Situation ist gerade deshalb alarmierend, weil es sich bei diesen Themen um die Wachstumsfelder der nächsten Jahre handelt: Die zunehmende Komplexität im Kundenmanagement, die Zersplitterung der Zielgruppen und die fortdauernde Verlagerung der Kommunikationsprozesse ins Web werden eine Budgetverschiebung hin zu den Themen CRM und Online bewirken. Umso entscheidender ist es, in diesen Bereichen robuste Prozesse zu implementieren, die einen effizienten Einkauf auf Basis einer konsistenten Strategie und umfassender Marktkenntnis erlauben. Die größte Hürde für die Zusammenarbeit mit dem Einkauf sehen die Marketingverantwortlichen in der fachlichen Qualifikation der Einkäufer. Doch auch die geringen Marktkenntnisse und – mit den beiden vorgenannten Faktoren verbunden – das unterstellte Unvermögen, ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis zu beurteilen, lassen die Marketingabteilung vor der Zusammenarbeit mit dem Einkauf zurückschrecken. 
Gleichzeitig gibt es aber auch eine Reihe von Faktoren, die aus Sicht der Marketiers für eine Kooperation mit dem Einkauf sprechen. Dazu zählen mit deutlichem Abstand die Erzielung besserer Konditionen und eine effi zientere Nutzung des Budgets. Interessanterweise rangieren Vorgaben der Geschäftsleitung an dritter Stelle der Motivationsgründe für eine Kooperation, was ein Hinweis darauf ist, dass Marketing Procurement häufi g als Top-down-Thema gesetzt wird und nicht aus einem bereichsinternen Strategieprozess resultiert.
Diese Gegenüberstellung zeigt deutlich, dass bislang ein Austausch zwischen den beiden Unternehmensbereichen nur fragmentarisch stattfi ndet und das Wissen über die jeweiligen Instrumente und Fähigkeiten nur begrenzt vorhanden ist. Eine konstante und umfassende Kommunikation, ein besserer Einblick in die gegenseitigen Arbeitsbereiche und eine gegenseitige „Qualifi zierung“ sind deshalb ein unerlässliches Fundament für ein erfolgreiches Marketing Procurement.

Leitlinien für erfolgreiches Marketing Procurement

Was sind nun die Ansätze, um ein schlagkräftiges und leistungsstarkes Marketing Procurement zu implementieren? Die Befragung zeigt, dass die Marketing-Spend- Priorisierung als wichtigster Schlüsselfaktor zur Effi - zienzsteigerung bei sinkenden Budgets betrachtet wird. Als weitere zentrale Erfolgsparameter werden insbesondere Wissenstransfer und eine engere Zusammenarbeit zwischen Marketing und Einkauf sowie die Einführung erfolgsabhängiger Agenturvergütung gesehen. Aber auch klare und professionell gestaltete Prozesse, die eine defi nierte Schnittstelle in der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Einkauf sowie eine eindeutige Zuweisung von Aufgaben und Verantwortungen beinhalten, werden von den Befragten als essenziell wichtige Elemente betrachtet. Dies gilt insbesondere für die Identifikation der notwendigen Tiefe und Genauigkeit des Briefings, das in gemeinsamen Workshops mit den Agenturen erarbeitet werden sollte, um Ineffizienzen in der Zusammenarbeit zu minimieren. Hierbei ist auch die Einbeziehung der von den Agenturen engagierten Sub-Dienstleister wichtig, um eine nachhaltige Effizienzsteigerung in der gesamten Prozess- und Wertschöpfungskette sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein strategischer Ansatz, der sich auf eine Neuausrichtung der Marketinginstrumente einerseits und die Einführung von Best- Practice-Methoden des Marketing Procurement andererseits stützt. Eine erfolgreiche Umsetzung des beschriebenen Handlungsmodells basiert auf zehn Leitlinien, deren Validität sowohl auf den vorliegenden Studienergebnissen als auch auf den Projekterfahrungen von BrainNet beruht. 

Konsequent umgesetzt, bieten die beschriebenen Methoden eine reelle Chance, nicht nur die Budgeteffizienz im Marketing signifikant zu steigern. Sie schaffen auch die Grundlage für den Aufbau einer performanten und flexiblen Marketingorganisation, die in der Lage ist, sich auf die Anforderungen der Zukunft optimal einzustellen – eine „Aufrüstung“, die dringend notwendig ist.

Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor, Center für Zukunftsforschung und Wissensmanagement
Supply Chain Management Institute (SMI)
Partner und Managing Director
BrainNet