Luxusmarken – von der Kunst, sich rar zu machen

Luxusmarken – von der Kunst, sich rar zu machen

In vielen Bereichen des täglichen Lebens dienen Marken nicht mehr dazu, Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Wünsche zu erfüllen. Vielfach wird zwar die Frage nach dem Notwendigen gestellt, also dem, was man wirklich zum Leben braucht. In der Realität zeigt sich jedoch, dass gerade die schönen Dinge des Lebens, die man sich gönnt, weil man es sich leisten kann, den Alltag verschönern. Urs Praeger, der Gründer von Mövenpick, hatte schon früh die Idee, dass sich Menschen den „kleinen Luxus im Alltag“ mit Mövenpick-Produkten gönnen sollen.

Daran hat auch die Finanzkrise nichts geändert, im Gegenteil: Statt in Aktien und andere Anlagen zu investieren, erfolgte verstärkt die Investition in die schönen Dinge des Lebens, allen voran Kunst, alte Autos oder besondere edle Weine. In der Automobilbranche darben die Volumenhersteller, Premiumhersteller hingegen wachsen gegen den Trend. Dies spricht eine klare Sprache.
Besonders faszinierend sind Luxusmarken. Der Spagat zwischen Begehrlichkeit und Erreichbarkeit kennzeichnet eine Luxusmarke.
Die Psychologie hinter dem Kauf einer Luxusmarke ist einfach, aber mit einer geradezu magnetischen Anziehungskraft. Zum einen handelt es sich bei Luxus- und Premiumprodukten um solche, mit denen man sich selbst belohnen möchte – 100 Gramm Alpia-Schokolade für 59 Cent im Alltag, 70 Gramm Valrhona für besondere Momente – und für die man mindestens 3,99 € bezahlt. Zum anderen dienen Luxusmarken aber auch als Mittel, um sich selbst auszudrücken und die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen. Denn viele Luxusmarken werden im öffentlichen Raum sozial auffällig konsumiert. Im sozialen Kontext dienen sie klar dazu, sich von der Masse abzugrenzen und die Zugehörigkeit zu einer exklusiven sozialen Gruppe zu konnotieren. Sie erzeugen somit Ausschluss und sind gleichzeitig als Eintrittskarte in einen kleinen Kreis Gleichgesinnter zu sehen. Mit „The Crown of every achievement“ bringt Rolex klar zum Ausdruck, für wen man diese Uhr produziert: Für erfolgreiche Menschen, die dies auch zeigen wollen. Die komplette Kommunikation zielt darauf ab. Nicht zuletzt deshalb werden erfolgreiche Sportler, Schauspieler und andere Protagonisten mit ihrer Rolex in der Kommunikation gezeigt.

Je größer die Begehrlichkeit und je geringer die Möglichkeit, die Marke zu erreichen, umso größer ist der Luxus.

Schaut man auf die Erfolgsgeheimnisse solcher Luxusmarken, kann man einige goldene Regeln ableiten, die auch für andere exklusive oder Premiummarken Stoff zum Nachdenken geben können.

 

Luxusmarken brauchen Herkunft und Tradition

All diesen Luxusmarken wird eine spezielle Herkunft zugeordnet. Die meisten Luxusmarken stammen aus Europa oder aus Japan. Ein Rolls-Royce kommt aus England, eine Vacheron Constantin aus der Schweiz, Louis Vuitton aus Frankreich. In allen Fällen gibt es Verweise auf die Tradition, etwa bei Vacheron Constantin, dass man seit 1755 auf einer Insel im Genfer See gestartet und heute noch dort ist. Herkunft und Tradition ist Ausweis des Besonderen, der höchsten Kennerschaft in einem Bereich. Im Umkehrschluss gilt, dass dies wie geschaffen ist für den wahren Connaisseur. Ohne Herkunft und Tradition haben es solche Marken schwer, es sei denn, sie bauen eigene, faszinierende Geschichten auf.

Luxusmarken brauchen faszinierende Geschichten

Geschichten sind die lebendigen Überbringer einer eindrucksvollen Markenbotschaft, die den Kern der Marke ausmacht. Welcher Auto-Enthusiast ist nicht fasziniert von der Geschichte der Bentley-Boys, die in den 1930er-Jahren mehrfach Le Mans gewonnen hatten und den ultimativen robusten Sportwagen entwickeln wollten. Wer fühlt sich nicht davon angesprochen, dass Louis Vuitton schon immer Reisegepäck für die speziellsten Wünsche für die ersten Fahrzeuge, Überseereisen mit großen Schiffen oder für Königshäuser und Politiker geschaffen hat. In Glashütte wurde der Erfolg vieler deutscher Luxusuhrenmarken nicht zuletzt deshalb fortgeschrieben, weil man an alte Erfolge angeknüpft hat und die Geschichte der Marke und deren Gründer, wie etwa bei der Uhrenmarke Lange, wieder hat aufleben lassen.

Luxusmarken brauchen Distanz – vor allem nach unten

Nirgends ist dies so wichtig wie bei Luxusmarken. Ohne Abstand kein Luxus und keine Faszination. Daimler hat dies bei der Wiederbelebung der Marke Maybach schmerzlich erleben müssen. Neben der Tatsache, dass die Strahlkraft dieser Marke wegen geringer Bekanntheit und mangelndem Wissen um die Historie nicht so groß wie erwartet war, sondern auch, weil die Karosserien zu stark der Marke Mercedes-Benz glichen und Maybach dadurch zum „großen“ Mercedes herabgewürdigt wurde, waren die Distanz und der Preisabstand zum herkömmlichen Mercedes-Benz zu gering, um echte Begehrlichkeit zu schaffen.

Luxusmarken brauchen Kommunikation, die berührt und Träume weckt

Die Uhrenmanufaktur Patek Philippe übersetzt ihre Markenwerte in eine bewegende Botschaft: Es ist die Uhr, mit der man eine eigene Tradition gründet und die man an sein Kind übergibt. Eine Uhr eben, die das eigene Leben überdauert und als Erinnerungsstück dient. Louis Vuitton zeigt große Bilder von Reisen in entlegene Länder, bei denen die Taschen als Begleiter nicht fehlen dürfen (Abbildung). Es sind Geschichten, die man weitererzählen kann.

Luxusmarken halten den Preis hoch und die Menge klein

Im Kern geht es darum, immer mindestens ein Produkt weniger zu haben, als man verkaufen könnte. Begehrlichkeit kann man nur dann hochhalten, wenn man den Markt nicht mit Produkten flutet. Bei einer Kelly-Bag von Hermès dauert es monatelang, bis das eigene Exemplar über die Theke geht. Vorfreude ist eben die schönste Freude. Auch bei Patek Philippe wartet man auf manche Modelle Jahre und während dieser Zeit darf man als Kunde jede Preissteigerung mitnehmen. Verhandeln ist nicht möglich. Der Umkehrschluss gilt auch: Zu viele Produkte, zu schnelle Erreichbarkeit sind der Tod von Luxusmarken.

Luxusmarken kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette

Um dem Anspruch einer Luxusmarke gerecht zu werden, muss man die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren. Höchste Qualität und Perfektion müssen der Anspruch sein – Abstriche davon sind unerwünscht. Bei Bentley schauen sich Experten die Kühe auf hochgelegenen österreichischen Weiden genau an, um zu sehen, ob diese den Anforderungen an ein makelloses Leder genügen. Die Produktionsstätten selbst sind ein Hort der Ruhe und der vollständigen Konzentration.

Luxusmarken achten auf die Kontrolle der Distribution

Viele Premiummarken haben darunter gelitten, dass sie des schnöden Mammons wegen überall zu erhalten waren. Luxusmarken kontrollieren die Distribution, entweder durch die Vermarktung über eigene Stores oder über die gezielte Auswahl hochwertiger Händler, die dem Profil der Marke entsprechen. Dazu zählt natürlich auch, dass man Vorgaben an diese Händler macht, damit die Marke auch markenkonform am PoS vermittelt werden kann. Der Aufbau besonderer Vermarktungstempel ist aber nicht gleichbedeutend mit der Entkopplung klassischer Anforderungen an wirksame Ladengestaltung. Ein Beispiel: Burberry hat in London einen Flagshipstore eingerichtet und dafür ein altehrwürdiges Haus in der Regent Street fantastisch und sehr eindrucksvoll renoviert.
So schön dies für das Auge ist, so schlimm ist es, dort zu kaufen. Da nur wenige Produkte gezeigt werden, sind die Verkäufer angehalten, mit iPads auf weitere Produkte aufmerksam zu machen. Dies mutet zwar in einem Laden schon verwunderlich an, extrem wird es jedoch, wenn man nun auch Produkte, die nicht ausgestellt sind, anprobieren möchte. Wartezeiten von zehn bis 15 Minuten in einem leeren Laden zeugen nicht von einem überzeugenden Storekonzept. Lager und Showroom sind entkoppelt, der Frust beim Kaufen wird förmlich spürbar. In Schönheit sterben kann somit nicht das Ziel sein.

Luxusmarken folgen nicht dem schnellen Geld

Wer möchte schon nicht gerne von einer Luxusmarke profitieren. Insofern müssen sich Manager von Luxusmarken sehr wohl überlegen, ob und in welcher Form man die Luxusmarke freigibt, etwa indem man Lizenzen erteilt. Mein Kollege Jean-Noël Kapferer hat eine klare Meinung dazu: Er ist gegen die Vergabe von Lizenzen. Ich sehe dies anders und empfehle: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Zudem stellt sich auch die Frage, wie weit man hier gehen kann und darf. Dies betrifft sowohl die Produktkategorien als auch die Preislagen und die Qualität, in der solche lizensierten Produkte angeboten werden. Der Mythos Ferrari wird nicht zuletzt dadurch hochgehalten, dass die Ferraristi, die sich vielleicht nie einen Ferrari leisten können, in Ferrari-Stores T-Shirts, Jacken, Brillen, Uhren und Ferrari-Modellautos kaufen können.
Das Beispiel zeigt: Aus strategischer Sicht kann es durchaus sinnvoll sein, Lizenzen zu vergeben. So kann man über ausgewählte Modellautos Kinder schon frühzeitig mit einer Marke infizieren, aber auch Sammlerbedürfnisse befriedigen. Die Amvox, eine Uhr von Jaeger- Le-Coultre für Aston Martin, oder eine spezielle Breitling für Bentley, bei der Design-Merkmale von Bentley aufgegriffen werden, sind sinnvolle Verlängerungen der Marke mit Luxusmarken-Partnern auf Augenhöhe.
Allerdings bedarf es hier einer klaren Strategie, bei der festgelegt wird, wie, in welcher Form und zu welchem Zweck man sich an welche Zielgruppen richten möchte. Das bedeutet gleichzeitig auch wiederum Ausschluss. Bestimmte Accessoires und Ergänzungen sollten in solchen Fällen nur Eigentümern solcher Automobile vorbehalten sein. Ein Stadt-Aston-Martin ist eben nur denen vorbehalten, die auch einen normalen Aston Martin fahren.

Luxusmarken sind vorsichtig auf dem Weg nach unten

Es ist ein leichtes, den Namen zu kapitalisieren. Der Weg nach unten ist dabei der einfachste, aber auch der gefährlichste: Je weiter man eine Marke nach unten dehnt, umso greifbarer wird diese für die Masse und umso mehr leidet der Luxusanspruch. Und: Erfolg macht mutig, den Kollateralschaden merkt man dann erst später. Wenn man sich beispielsweise den Automobilmarkt anschaut, so sind dort manche tradierten Denkweisen obsolet geworden: Premiumanbieter wie BMW oder Audi setzen mittlerweile mehr um als Volumenhersteller wie Opel. Porsche dehnt kräftig die Marke: Über Cayman (nach unten), Panamera, Cayenne jetzt auch Richtung Macan (nach unten) – und dies mit Erfolg.
Ohne Frage spürt man in diesen Modellen auch die Porsche-Seele und porschetypische Charakteristika. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ab welchem Zeitpunkt man das Seil überspannt. Zudem gilt: Was man unten erweitert, muss oben angebaut werden. Im Klartext: Es bedarf dann ausgewählter Premiummodelle im Sinne des Uptrading. So schön all diese schnellen Umsatz- und Gewinnschritte sind, so wichtig sind auch das Hinterfragen und die Entwicklung strategischer Optionen. Ein Beispiel: In Anbetracht der Veränderung des Automobilmarktes hinsichtlich der Antriebstechnologien ist es mit Blick auf neue Konkurrenten – etwa die rein elektrobetriebenen Teslas – durchaus eine Option, Vorreiter in neuen Technologien zu werden und erweiterte Optionen anzubieten. Zum Beispiel den ultimativen Fahrspaß und Performance, gekoppelt mit Umweltfreundlichkeit. Denn auch dies wissen wir aus der Forschung: Die Trendsetter, also die Menschen, die offen für Innovationen sind und somit die Pace für andere vorgeben, suchen das Neue und wollen sich damit zeigen, um sich zu differenzieren, allerdings brauchen sie auch die soziale Akzeptanz. Tesla bietet beides.

Luxusmarken schaffen Communities

Last but not least schaffen Luxusmarken auch Communities, also In-Groups, die es ermöglichen, sich mit seinesgleichen auszutauschen. Bei Bugatti gibt es regelmäßig treffen von Bugatti-Fahrern. Es wird kolportiert, dass sich alleine durch solche Treffen das Knüpfen von Kontakten und daraus entstehenden Geschäften der Kauf eines Bugatti schon „lohnt“. Noch wichtiger aber ist das Zugehörigkeitsgefühl, das Teilen eines Hobbys und die soziale Bestätigung, die man daraus ziehen kann.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor/Gründer
Institut für Marken und Kommunikationsforschung EBS/ESCH The Brand Consultants