Klassische Medien testen automatisierte Werbung

Klassische Medien testen automatisierte Werbung

Marketing-Automation In der digitalen Werbewelt ist die automatisierte, direkte und personalisierte Kommunikation mit ihren Kunden längst eine Selbstverständlichkeit. Klassische Medien wie Zeitschriften, Radio oder das Print-Mailing experimentieren ebenfalls mit der Automatisierung des Marketings.

Vor etwa fünf Jahren konnten viele Marketeers mit dem Begriff „Programmatic Advertising“ noch nicht besonders viel anfangen. Zwar flossen schon damals beträchtliche Summen in die automatisierte Buchung und Aussteuerung von Werbung. Doch wenn Agenturvertreter oder Werbekunden gebeten wurden, den Begriff zu definieren, offenbarte sich ein unscharfes Verständnis. Der Digitalverband BVDW sah es deshalb als wichtige Aufgabe, im Jahr 2016 erstmal mit einer klaren Definition etwaige Missverständnisse auszuräumen. Von „Programmatic Advertising“ könne man sprechen, so der BVDW, wenn die Einbuchung, Auftragsbestätigung, Rechnungsstellung automatisiert abläuft, die Abwicklung der Buchung über technische Systeme wie eine DSP oder SSP geht und die Auslieferungsentscheidung auf Impression-Basis in Echtzeit getroffen wird und anstelle von Umfeldern Zielgruppen gebucht werden.“
Natürlich ist die Automatisierung des Marketings viel mehr als die softwaregesteuerte Ausspielung von Werbung auf digitalen Kanälen. Im Kern geht es bei Marketing- Automation-Systemen (MAS) darum, eine direkte und persönliche Kommunikation mit dem Kunden (bei einem Shop) oder mit den Lesern, Zuschauern und Zuhörern (bei Print-Mailings, Zeitschriften, TV- und Radiosendern) zu gewährleisten. Aber für viele klassische Medienhäuser ist die Frage, inwieweit man die Werbeausspielung software- und datenbasiert unterstützen könnte, ein Indiz für die Automatisierung des Marketings. Ein Indiz, das gleichzeitig viel über die eigene Position im Wettbewerb aussagt. Oder anders ausgedrückt: Je einfacher die Buchung von Werbung, um so größer die Chance, den Werbekunden an das eigene Haus zu binden.

Print goes digital

Einige Unternehmen versuchten deshalb schon früh, zumindest Teile dieser neuen digitalisierten Werbewelt auf ihren Kosmos zu übertragen und den Kunden die Vorzüge einer automatisierten Marketingwelt zu bieten. Zu den Pionieren zählen hier Gruner + Jahr, aber auch die Deutsche Post. Der Verlag Gruner + Jahr experimentierte bereits 2016 mit einer Plattform namens programmatic- print.de. Werbekunden konnten darüber sehen, welche Anzeigenflächen bei Zeitschriften wie Stern, Brigitte oder Gala noch frei waren und diese per Mausklick zu einem fixen Preis einbuchen. Insgesamt 60 Titel waren dabei, die Pilotphase wurde von führenden Mediaagenturen begleitet. Frank Vogel, Sprecher der Geschäftsleitung bei G+J eMS sprach davon, den automatisierten Einkauf für Print als „Pionier in Deutschland“ vorantreiben zu wollen.
Oder das klassische Radio. Hier brachte sich die Kommunikations- und Handelsplattform adremes schon frühzeitig ins Gespräch. Im April 2016 schrieb Nico Aprile, Geschäftsführer von adremes, in einem Fachbeitrag: „Programmatic für UKW muss, wenn man diesen Begriff verwenden möchte, verstanden werden als eine weitreichende Automatisierung von Buchungs- und Ausspielungsprozessen von Radiowerbung. Dies wiederum bietet allen Akteuren - Radiosendern und ihren Vermarktern, Agenturen und nicht zuletzt Werbetreibenden - enorme Vorteile und die Möglichkeit, von der Digitalisierung der Werbung und der Entwicklung hin zum datengetriebenen Marketing zu profitieren.“

Programmatic für UKW muss verstanden werden als eine weitreichende Automatisierung von Buchungs- und Ausspielungsprozessen von Radiowerbung.
Nico Aprile, Geschäftsführer von adremes

Gruner + Jahr hat seine Aktivitäten allerdings inzwischen wieder auf Eis gelegt, die Plattform ist nicht mehr on air. Gestorben ist die Idee, die Buchung von Printanzeigen zu automatisieren, damit aber nicht – auch wenn es lange dauerte, bis das Prinzip wieder aufgegriffen wurde. Mitte Januar diesen Jahres war es soweit, da wurde pryntad als verlagsübergreifender Marktplatz für Anzeigen in Tageszeitungen live geschaltet. Hinter dem Projekt stehen die drei Gründer Philipp Wolde, Martin Kaltwasser und Anja Visscher. „Uns drei eint unser profunder Background aus dem Verlagsbusiness, ein starker digitaler Fokus und ein großes Herz für Print“, erzählt Anja Visscher. „Wir sind angetrieben von der Leitidee, Print-Media-Sales digital zu denken und Print-Inventar quasi programmatisch buchbar zu machen.“

Ein digitaler Marktplatz für Print-Anzeigen

Pryntad ist ein digitaler Marktplatz, über den Werbungtreibende deutschlandweit Anzeigen in Tageszeitungen buchen können. Sie können über eine regionale Suchfunktion die passende Zeitung suchen und dann einen Preisvorschlag abgeben. Sind Verlage mit dem Gebot einverstanden, müssen sie es bestätigen. Mit dabei sind u.a. die Stuttgarter Zeitung, das Medienhaus Aachen, die Rheinische Post, der Mannheimer Morgen, die Leipziger Volkszeitung und die Hamburger Morgenpost. „Unser Buchungsprozess ist sehr schlank gehalten und setzt weder Media- noch Zeitungs-Know-how voraus“, erklärt Visscher. „Wir machen Print damit auch für Kundenkreise zugänglich, die bisher nicht darin geworben haben und eher an digitale Buchungsprozesse gewöhnt sind.“

Wir sind angetrieben von der Leitidee, Print-Media-Sales digital zu denken und Print- Inventar quasi programmatisch buchbar zu machen.
Anja Visscher, Co-Founder und Geschäftsführerin von pryntad

Seit Juli ist jetzt auch die rtv media group (u.a. TV-Magazine, Land & Leute) bei dem Marktplatz dabei. „Wir erhalten über den Kanal Anfragen von Unternehmen, die uns vorher nicht auf dem Schirm hatten“, erklärt Heiko Fleischmann, Teamleiter Marketing & Research. „Damit ist die Idee für uns voll aufgegangen und wir werden jede Woche ein bisschen besser in der Ansprache neuer Kundenpotenziale.“ Das Hauptaugenmerk liege dabei auf der Ansprache neuer Kunden. Aber auch bei den Bestandskunden käme die Aktion super an. Fleischmann: „Von dieser Seite erfahren wir viel Wertschätzung für die innovative Öffnung neuer Buchungskanäle.“

Programmatic Radio

Anders als die Buchungsplattform von G+J hat die Audio-Plattform adremes bis heute durchgehalten. Vermarkter, Agenturen und Werbungtreibende werden darüber verbunden. „Adremes realisiert eine Adaption des linearen an das digitale Werbegeschäft und ermöglicht so das elektronische Handeln von Radiowerbeinventaren auch auf digitalen Plattformen“, erklärt Nico Aprile. Auch der Audio-Vermarkter RMS nutzt adremes und fragt darüber öfter mal nach freien Werbeplätzen an. Gleichzeitig arbeitet er aber zusammen mit den Vermarkter-Kollegen der AS&S an der Online-Buchungs-Plattform audioXchange. Diese soll noch in diesem Jahr die bestehenden Prozesse zwischen Vermarktern, Kunden und Agenturen der UKW- und DAB-Sender automatisieren. Angelegt ist die Plattform als Gattungslösung, die offen für alle Marktpartner sein soll.

Lösung Kunden Besonderheiten Kosten
Klassische Marketing- Automation-Systeme, die heute in der Regel auf einer Cloud basieren Große Werbetreibende im Consumer-Bereich, die große Datenmengen zu verarbeiten haben und eher mit standardisierten Prozessen arbeiten, die ggf. an Unternehmensvorgaben angepasst werden
  • Standardisiertes Produkt nach dem Baukastenprinzip
  • Vordefinierte Prozesse, vorgefertigte Module und Bausteine, die zusammengestellt werden
  • Keine eigene Server-Lösung benötigt, da Cloud-basiert
  • Bestandskunden + Neukunden
Die Kosten entstehen auf der Systemseite, d.h. Kunden bezahlen für die Nutzung der Lösung und das Volumen (Clients, Daten, Kampagnen etc.)
Spezialisierte MAS-Lösungen / Plattformen für den Mittelstand und den E-Commerce Kleine und mittlere Unternehmen, die geringere Datenmengen zu bewältigen haben, aber spezielle auf sie und ihre Anforderungen zugeschnittene Prozesse benötigen
  • Offene Schnittstellen, die eine Einbindung in Vertriebsaktivitäten erlauben
  • Schnittstellen zu etablierten Online-Shop- Lösungen
  • Weniger Einrichtungsaufwand
  • Bestandskunden
Kosten entstehen einerseits auf der Systemseite, andererseits auf der Einrichtungsseite. Das heißt, Kunden bezahlen für die individuelle Konfiguration der Lösung
Kostenfreie Open- Source-Lösungen, die für die speziellen Bedürfnisse des Kunden eingerichtet werden Kleine Unternehmen, die eher geringe Datenmengen zu verarbeiten haben, aber stark individualisierte Prozesse benötigen
  • Werden für unternehmensindividuelle Prozesse eingerichtet und angepasst
  • Keine Cloud: benötigen Serverlösung zum Speichern und Verwalten der Daten
  • Sehr hoher Einrichtungsaufwand
  • Bestandskunden
Kosten entstehen auf der Agenturseite oder Dienstleisterseite, um die Lösung im Unternehmen einzurichten
Programmatic- Advertising- Plattformen Werbetreibende, die auf Basis anonymisierter Kundendaten gezielt Neukunden ansprechen wollen
  • Hohe Standardisierung
  • Bestandteil der Programmatic-Advertising- Technologien
  • Keine eigene Serverlösung benötigt, da Abwicklung über Plattformen
  • Neukunden
Kosten entstehen durch die Nutzung einerseits und durch das gebuchte Werbevolumen. Buchung pro Kampagne, keine Einrichtungskosten
Programmatic- Advertising- Plattformen Kunden, die auf Basis von eigenen First-Party- Daten eine Vielzahl von direkten Kundenbeziehungen über „owned“ und „paid“ Kanäle aufbauen und managen wollen
  • Zusammenführung dezentraler Kundendatensilos und Verbindung zu 360-Grad-Profilen
  • „Kampagnen-CDPs“ beinhalten integriertes Kampagnenmanagemment; „Daten-CDPs“ mit Funktionalitäten wie Identitätsmanagement
  • Nutzung der Erkenntnisse für die Gewinnung von Neukunden (z.B. „Lookalike Modellierung“), Ansprache von Bestandskunden
  • Teilweise mit „Predictive Modelling“-Fähigkeiten
  • Keine eigene Serverlösung benötigt, da Abwicklung über Plattformen
  • Schneller Start möglich, i.d.R. leicht erhöhter Einrichtungsbedarf (z.B. Tag Manager Setup)
  • Bestandskunden + Neukunden
Kosten entstehen in der Regel abhängig vom zu verarbeitenden Datenvolumen, je nach Anbieter auch für Einrichtung und Support
Print-Mailings aktivieren Online-Kunden

Schon seit mehreren Jahren zeigt die Deutsche Post, wie man im Zuge der Marketing-Automatisierung einen klassischen Werbekanal an die digitale Werbewelt anschließen kann. Print-Mailing- Automation heißt das Angebot, über das Werbesendungen in die digitale Anstoßkette integriert werden. Damit erscheinen sie als ein weiterer Kanal bei der Konfiguration einer Kampagne im jeweiligen MAS (siehe Grafik oben). Da das Print-Mailing so in die gesamte Welt der Marketing-Automation- Systeme eingebunden ist, kann es ganz bestimmte, genau gezielte Kommunikationsaufgaben übernehmen: Es kann zum Beispiel Konsumenten gezielt ansprechen, die zuvor in einem Online-Shop ein Produkt angesehen, aber nicht gekauft haben. Oder aber Kunden aktivieren, die bislang weder auf Newsletter oder andere Werbemaßnahmen reagiert haben. Die MAS liefert, analysiert und bereitet die Daten dafür entsprechend auf. Durch die Möglichkeit, das Print- Mailing in eine automatisiert ablaufende Kampagne einzubinden, wird der Kunde über einen weiteren Touchpoint entlang seiner Customer- Journey kontaktiert.
Die Deutsche Post hat dazu Partnerschaften mit verschiedenen Anbietern wie zum Beispiel artegic, Apteco, Emarsys, Mautic oder Amtangee geknüpft, die das physische Mailing über offene Schnittstellen in ihre digitalen Plattformen integriert haben. Die Kampagne lässt sich zuvor am Dashboard anlegen, die Empfänger werden personalisiert auf Basis der vorliegenden Kundendaten angesprochen. Die Einbindung des physischen Mailings in die Marketing-Automatisierung sei ein logischer Schritt, um den Brückenschlag zwischen Online und Offline weiter auszubauen, sagt Dirk Görtz, Vice President Dialogmarketing bei der Deutschen Post.
Ein Schritt, der von Werbekunden und Konsumenten offenbar erwartet und sehr geschätzt wird.

Vom Netz in den Druck

Web-to-Print-Lösungen schlagen die Brücke zwischen der Online- und der Offline-Welt. Die Angebote reichen von Visitenkarten über Corporate Shops bis hin zu Self-Service-Lösungen für Print-Mailings.

Ein wichtiges Tool, um die Offline- mit der Online-Welt zu verbinden, sind Web-to- Print-Lösungen. Genau betrachtet heißt dies, dass man damit eine Drucksache bequem am Rechner online gestalten kann und so die Daten generiert, die für einen Druck notwendig sind. Am Ende des Prozesses steht also die Vorlage für ein Dokument, das jederzeit in der gewünschten Stückzahl gedruckt werden kann.
„Diese Art der Druckdatenerstellung ist besonders für kleinere Unternehmen attraktiv und für solche, die sich für bestimmte Druckprojekte nicht ex- tra einen professionellen Grafiker leisten wollen“, erklärt Christina Häußer, Head of Brand Management & Corporate Communication bei dem Anbieter Onlineprinters in Fürth. „Dadurch können die Kosten für Gestaltung merklich gesenkt werden.“ Voraussetzung dafür ist ein Online-Tool, das dem User eine Vielzahl an Vorlagen bietet – Schriften, Farben, Designs und die Möglichkeit, diese mit eigenen Bildern oder Firmenlogo zu ergänzen. Besonders gerne gestaltet werden Visitenkarten, Postkarten und Flyer. Ein beliebter Use-Case sei auch das Erstellen von Kalendern, sagt Häußer.

Die Nachfrage steigt dank vieler Innovationen

„Die Nachfrage nach den verschiedenen Leistungen im Web-to-Print-Bereich nimmt stetig zu“, bestätigt Florian Berr, Director Sales bei Flyeralarm. Das Unternehmen in Würzburg hat deshalb sein Angebot von Lösungen rund um die automatisierte Werbemittelerstellung im Internet kontinuierlich ausgebaut. Das Portfolio umfasst beispielsweise auch sogenannte Corporate Shops. Diese werden eigens für spezielle Kunden eingerichtet, die dort dann personalisierbare Büro- und Marketingmaterialien ordern können. Dazu müssen die Unternehmen Vorlagen hinterlegen, die ihren Gestaltungsrichtlinien entsprechen. Diese Shops können so erweitert werden, dass daraus digitale Marktplätze entstehen, über die Lieferanten und Kunden ihre Beschaffungen abwickeln. Die Nachfrage nach solchen Angeboten steige, Vom Netz in den Druck da der Trend zum Homeoffice auch die Dezentralisierung des Bestellprozesses verstärkt habe, so Berr.
Zu den Innovationen im Bereich der Web-to- Print-Lösungen zählt auch die Self-Service-Plattform für Print-Mailings, die die Deutsche Post vor zwei Jahren eingerichtet hat. Innerhalb von wenigen Minute kann der User dort ein Mailing für eine Kampagne gestalten und gleich die Kosten durchrechnen – Vorkenntnisse benötigt man dazu keine. Laut Post lassen sich so Werbesendungen mit einer Stückzahl zwischen 500 und 300 000 punktgenau an die Zielgruppe bringen.

Schnell und einfach Kunden ansprechen

Auch mit diesem Tool gelingt der Brückenschlag zwischen der Offline- und Online-Welt. Das Print- Mailing kann so ohne größeren Aufwand in eine Kampagne integriert werden. Weiterer Vorteil: Die Adressen werden automatisch auf Vollständigkeit und Zustellbarkeit geprüft. „Das könne sich auch auf die Conversion-Rate auswirken“, heißt es bei der Deutschen Post. Tatsache ist: Viele Unternehmen verschenken bei Print-Mailings Kontaktchancen, weil die Adressen falsch oder mangelhaft sind. Mit dem neuen Tool kann auch die Zahl der Irrläufer bei Mailings signifikant verringert werden.

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