Innovation als Königsweg in der Krise

Innovation als Königsweg in der Krise

Die Finanz- und Wirtschaftskrise prägt seit geraumer Zeit das Geschehen in der Weltwirtschaft. Restriktive Kreditkonditionen der Banken und Konsumzurückhaltung der Verbraucher als Folgen der Rezession bereiten Unternehmen teilweise existenzielle Probleme. Bedrohte Gewinnsituationen erzeugen bei den Unternehmen massiven Kostendruck. Häufig verdrängt daher die gegenwärtige Kostenorientierung die Innovationsorientierung eines Unternehmens, und Innovationsaktivitäten fallen leicht dem Rotstift zum Opfer. Innovation darf jedoch gerade in der Krise nicht vernachlässigt werden, da sie den fundamentalen Antrieb des Wirtschaftsprozesses bildet.

Die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme finden Unternehmen meist nicht auf der Kostenseite. Bei der aktuellen Krise handelt es sich weniger um eine Kostenkrise als um eine Erlöskrise. Die Ursache der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen ist die einbrechende Nachfrage der Endverbraucher und damit eine sich verschlechternde Absatz- und Erlössituation. Diese zieht sich wie ein Dominoeffekt durch sämtliche Wertschöpfungsstufen einer Branche und überträgt sich auf abhängige Industrien. Mögliche Veränderungen des Marktumfelds, z. B. aufgrund der Verschärfung des Wettbewerbs und sich wandelnder Verbraucherbedürfnisse, bergen zudem die Gefahr, dass Unternehmen durch das Setzen auf bewährte Konzepte der Marktbearbeitung weiter in die Absatzmisere rutschen. In einer Krise entsteht folglich Veränderungsdruck, sie erfordert neue Wege zur Erreichung der Unternehmensziele. Hier können insbesondere Innovationen der Erlösseite eines Unternehmens wieder neuen Auftrieb verleihen.
Dafür sprechen auch empirische Studien, die zeigen, dass innovative Firmen in einer Rezession bezüglich Umsatz und Wachstum erfolgreicher sind als nicht-innovative. Gleichzeitig entstehen Innovationen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, da die Unternehmen aus der Komfortzone herausgelockt werden. Zudem wurde belegt, dass die Kürzung der Innovationsbudgets und der reine Wettbewerb über Kosten die Folgen einer Rezession noch verstärken.

Innovation als Schlüssel zum Unternehmenserfolg

Die Erfolgsmechanismen von Innovation sind vielfältig. Vorökonomisch betrachtet, signalisiert eine ausgeprägte Innovationskraft eines Unternehmens seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und stärkt damit bereits das Vertrauen von Kunden, Lieferanten, Shareholdern und weiteren Interessenträgern.

Mit Innovationen die Konsumlust beflügeln

Zur Stabilisierung der Erlössituation ist in erster Linie die Konsumlust der Endverbraucher neu zu entfachen. Um dies zu erreichen, muss mithilfe von Innovationen die Attraktivität der Unternehmensleistungen für die Konsumenten durch eine Verbesserung und/oder Erweiterung des Nutzenangebots gesteigert werden. So hat z. B. Nespresso den scheinbar gesättigten Markt für Kaffee revolutioniert, indem den Konsumenten ein neuartiges Nutzenpaket offeriert wurde, bestehend aus rationalen Nutzenelementen (z. B. Geschmacksvielfalt) und emotionalen Komponenten (z. B. Lifestyle).
Innovationen tragen zudem dazu bei, die Erlössituation durch die Stabilisierung des Preisniveaus zu verbessern. Erfolgreiche Leistungsinnovationen, d. h. Innovationen mit einem einzigartigen Kundennutzen, können der erhöhten Preissensibilität der Konsumenten effektiv entgegenwirken. Durch die Optimierung des wahrgenommenen Preis-Leistungs-Verhältnisses können sich Unternehmen von der wachsenden Preiserosion im Markt abschirmen und das Preisniveau sowie die Gewinnsituation stabilisieren.

Innovative Leistungen zur Festigung der Geschäftsbeziehungen

In der aktuellen wirtschaftlichen Lage stellen im Business-to-Business-Kontext Abnehmer von Vorleistungen ihre Lieferantenbeziehungen häufig auf den Prüfstand. Daher müssen Unternehmen in vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette mithilfe von Innovationen die bestehenden Kundenbeziehungen festigen und ausbauen. Zu diesem Zweck ist erneut eine Verbesserung bzw. Erweiterung des Nutzenangebots in Form von Leistungsvorteilen (durch Ausrichtung auf die spezifischen Abnehmerbedürfnisse) und/ oder Kostenvorteilen hilfreich. Die Firma Lantal Textiles, die u. a. Flugzeughersteller beliefert, entwickelte beispielsweise einen Flugzeugsitz mit luftgefüllten Kammern und steigerte den Kundennutzen über mehrere Wertschöpfungsstufen bis zum Endverbraucher. Die Flugzeughersteller können den Fluglinien somit einen Kostenvorteil durch verringerten Kerosinverbrauch aufgrund des geringeren Gewichts bieten. Zugleich steigern sie den Kundennutzen der Flugzeugpassagiere durch höheren Sitzkomfort. Gerade in schwierigen Zeiten ist das Spannungsfeld Kostenführerschaft versus Differenzierung zu überwinden: Value-Innovation erhöht den wahrgenommenen Kundennutzen bei reduzierten Kosten.

Neuordnung der Wettbewerbsstrukturen durch Innovation

Wettbewerbsstrategisch betrachtet, eröffnen Innovationen wertvolle Möglichkeiten zur Differenzierung von Konkurrenzprodukten und damit zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen mit entsprechenden Konsequenzen für die Marktperformance. Mit Innovationen kann ein Unternehmen den Ausbau der eigenen Wettbewerbsposition bis hin zu einer Neuordnung der Marktmachtverhältnisse bewirken. Beispielsweise wies Nintendo mit seiner neuen Spielkonsole „Wii“ die Konkurrenz von Sony (Playstation 3) und Microsoft (Xbox 360) deutlich in ihre Schranken. Nintendo umging mit einem neuartigen Steuerungskonzept, basierend auf Bewegungssensoren, den bis dato kostspieligen Konkurrenzkampf um Grafikund Rechenleistung anderer Konsolen. Die Spielkonsole Wii ist somit vergleichsweise günstig und begeistert mit ihrer bewegungsempfindlichen Steuerung auch neue Kundengruppen wie Frauen und ältere Menschen. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie mit Innovationen etablierte Marktstrukturen aufgebrochen und Marktpositionen neu definiert werden können. Schafft es ein Unternehmen, mittels Innovationen völlig neue Märkte oder Marktsegmente zu kreieren und sich dem Wettbewerb (vorübergehend) zu entziehen, kann es temporäre Monopolgewinne erwirtschaften. So hat z. B. Bionade mit großem Erfolg das Segment „Bio“ im Erfrischungsgetränkemarkt erschaffen und besetzt.

Innovation − Fundament zukünftigen Wachstums

Aus strategischer Sicht muss abschließend betont werden, dass die heute initiierten Innovationsaktivitäten die Voraussetzung für den Erfolg von morgen sind. Sie schaffen die Basis überlegener langfristiger Wettbewerbsfähigkeit und bilden die Grundsteine zukünftiger Wachstumsfelder. Sie liefern die Produkte, die beim kommenden Wirtschaftsaufschwung das Wachstum tragen werden.

Innovation in der Krise − Commitment, Planen und Fokus als Erfolgsgaranten

Innovation darf in der Krise nicht vernachlässigt werden, denn Innovation vermag die aktuelle Erlössituation zu stabilisieren und ist der Motor des zukünftigen Wachstums. Zur Sicherstellung der Innovationsorientierung ist auf Unternehmensebene das Commitment des CEOs und des Top-Managements ein absolutes Muss. Den größten Einfluss auf innovative Verhaltensweisen hat das Vorleben eines „Innovationsspirits“durch das obere Management. In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation muss jedoch vielerorts Krisenmanagement betrieben werden. Dies ist dann problematisch, wenn den Innovationsaktivitäten nur noch geteilte Aufmerksamkeit zukommt oder der Innovationsgeist im Unternehmen sogar gänzlich verloren geht. Um dem zu begegnen, muss von den oberen Managementebenen eine klar definierte Innovationsstrategie kommuniziert werden, welche in der Unternehmensstrategie zu verankern ist. Auf diese Weise werden die Aktivitäten auf den verschiedenen Hierarchieebenen und in den unterschiedlichen funktionalen Bereichen eines Unternehmens auf Innovation ausgerichtet und den Innovationsinitiativen eine klare Richtung vorgegeben. Im Innovationsprozess sind Systematik, Struktur und Planung für den Innovationserfolg unabdingbar. Alibi-Innovationsprojekte ohne Bezug zu einer Innovationsstrategie, die nur mit halber Aufmerksamkeit verfolgt werden, werden keinen Erfolg haben.
Innovation beginnt jedoch bei jeder einzelnen Führungskraft: Statt reaktiv alle Krisenherde gleichzeitig zu bearbeiten, sind Prioritäten zu setzen. Gleichzeitig ist die Real-Time-Illusion zu überwinden, nach der ständig alle Aufgaben sofort bearbeitet werden müssen. Die Illusion der Parallelität, zu welcher wir nach den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung gar nicht in der Lage sind, zerstört Kreativität und Produktivität. Klarer Fokus hingegen beginnt beim Selbstmanagement. Weniger Meetings und E-Mails, stattdessen gezielte kreative Freiräume, in denen auf Effektivität statt Effizienz gesetzt wird. Gelingt es, diese Balance richtig zu treffen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Innovationserfolgs drastisch – gleichzeitig behalten wir die Freude an der Arbeit.

Center of Innovation

Das Center for Innovation der Universität St.Gallen ist eine Initiative der GfM. Auf Basis der Kooperation zwischen dem Institut für Technologiemanagement und der Forschungsstelle für Customer Insight der Universität St.Gallen verfolgt das Center for Innovation einen integrierten Ansatz zu Innovation unter Einbezug der Disziplinen Technologie- & Innovationsmanagement, Marketingmanagement, Konsumentenverhalten und Strategie.

Center for Innovation, Universität St.Gallen, Rosenbergstr. 51, CH -9000 St. Gallen, +41 71 224 72 18, www.cfi.unisg.ch

Autorin(nen) / Autor(en):
Managing Director des Center for Innovation und Lehrbeauftragte
Universität St.Gallen
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Direktor des Instituts für Marketing und Handel und Ordinarius für Marketing
Universität St.Gallen
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