Highway to Hell

Highway to Hell

Wie Sie die Fieberkurve der Markenerosion stoppen

Marken, die nicht gepflegt und kontinuierlich um den Markenkern weiterentwickelt werden, verblassen. Viele großen Marken sind im Zeitverlauf erodiert. Sie sind belanglos geworden und gehören zu den Marken, die kein Kunde mehr vermisst. Es sind nicht wenige, es sind viele. Laut Havas sind 77% aller Marken aus Kundensicht verzichtbar, ein vernichtendes Urteil.

W oran liegt das? Aus meiner Sicht ist der Hauptgrund eine systematische Fehlsteuerung und Fehlentwicklung von Marken, die durch ähnliche Aspekte befeuert wird. Ich zeige dies weiter unten am Beispiel Warsteiner.

Die Fieberkurve der Markenerosionen

Ich sehe immer wieder folgende fünf Punkte bei Markenerosionen:

  • Häufige Preisaktionen: Preisaktionen und Nachlässe sind ein Indikator für Markenschwäche. Es ist dann oft die einzige Antwort, die den verantwortlichen Managern bleibt: die Verramschung der Marke.
  • Fehlende Einzigartigkeit: Ohne relevanten Fokus gibt es keinen Existenzgrund für eine Marke. Wenn die Positionierung nicht klar kommuniziert wird, wird eine Marke belanglos und austauschbar.
  • Mangelnde Innovationskraft: Wir alle wissen „The product is the hero“. Wir haben in unserer CX-Studie festgestellt, dass der Kern der Leistung für die meisten Kunden wichtiger ist als die Peripherie. Starke Marken innovieren, erodierende Marken kopieren.
  • Mangelnde Konsistenz und Kontinuität: Markenaufbau braucht Zeit, damit Kunden relevante Inhalte mit einer Marke verknüpfen können. Starke Marken haben klare Muster, erodierende Marken verlieren ihre Muster.
  • Häufige Wechsel der Entscheidungsträger: Je häufiger die Wechsel, desto fataler wird es in der Regel für die Marke.
  • Anreizdefizite für eine langfristige Markensteuerung: Wenn der Absatz das einzig Heilbringende ist, drückt man Produkte in den Markt. Das hat wenig mit Markenpflege zu tun, sondern mehr mit Markenraubbau.
Das Beispiel Warsteiner: Die Königin, die keine mehr ist

Wenn Sie heute Biertrinker nach Warsteiner fragen, kommt wenig Erhellendes. Manche erinnern noch den Slogan „Das einzig wahre…“, der ein oder andere auch „Die Königin der Biere“ oder das Logo. Das war’s dann auch. Die Marke, die vor rund 25 Jahren erstmals mehr als sechs Millionen Hektoliter im Biermarkt absetzte, ist zum Schatten ihrer selbst geschrumpft.
Machen Sie das Gleiche einmal für Krombacher: Da fließen die Assoziationen und die mit der Marke verknüpften Vorstellungen wie „Natur“, „Frische“, der See in unberührter Natur, „aus Felsquellwasser gebraut“, „eine Perle der Natur“ usw. Und der Umsatz fließt auch.

Markenstärke zahlt sich aus

Warsteiner hat sich selbst demontiert. Es ist eine typische Fieberkurve der Verlierer: Von Marken, die für Wachstum alles tun, sich dabei selbst verlieren und irgendwann bedeutungslos werden.
Im Höhepunkt des Wirkens sah man „die Königin der Biere“ an jeder Trinkhalle in Nordrhein-Westfalen, Betrunkene hielten sich an der Königin fest. Distribution über alles führte dazu, dass Warsteiner dort stattfand, wo ein Premiumbier nicht stattfinden sollte.
Die Zahl der Strategiewechsel und der unterschiedlichen Kampagnenauftritte, die alle wirkungslos blieben oder gar nicht erst Wirkung entfalten konnten, weil die Taktung dafür zu schnell war. Sie reichten von coolen Sprüchen, dem Bad in der Menge bis zu Jürgen Klopp, der als sympathische Gallionsfigur der Marke wieder mehr Leben einhauchen sollte, um nur ein paar Kampagnen zu nennen. Ein typisches Muster für eine erodierende Marke.

Starke Marken innovieren, erodierende Marken kopieren

Krombacher hingegen zeigt, wie es geht: Wer kennt es nicht, das Bild mit dem See mitten in der Natur! Kontinuität heißt eben nicht Erstarrung, sondern die kontinuierliche Weiterentwicklung eines Erfolgsmusters: Natur, Frische und der See sowie das Wasser, die in den unterschiedlichsten Varianten gespielt werden.

Starke Marken haben klare Muster und bestechen durch Kontinuität.

Was nicht fehlen darf auf dem „Highway to Hell“: Preisnachlässe und Aktionen. Trotz guter Vorsätze ist dies meist die letzte Karte, die das Management spielt, so auch bei Warsteiner: So wurde in diesem Jahr nach Umsatzeinbrüchen durch die Coronakrise, die die gesamte Branche traf, von Warsteiner die Aktion ins Leben gerufen, an 9 Tagen im September Kunden beim Kauf von zwei Kästen den Preis für einen Kasten zu erstatten.
Nun gibt es viele Protagonisten des Preises, weil hier die Wirkung auf Umsatz und Ertrag unmittelbar messbar ist, im Guten wie im Schlechten. Markenführung ist da weitaus komplexer, die Wirkungen sind oft nur mit einem Timelag erzielbar, weil Markenarbeit langfristig wirkt. Aber der Preis, den Manager setzen und durchsetzen können, ist nur so gut, wie der durch die Marke geschaffene Wert für Kunden. Am Ende des Tages wird dieser bepreist und sonst nichts. Mangelnde Preisdurchsetzung ist somit ein klares Signal für die Entwertung einer Marke.
Die Bottom-Line für Warsteiner ist erreicht. Tiefer geht kaum noch, Besinnung auf die guten Markentugenden ist angesagt. Konsequente Markenarbeit kann Wunder bewirken, aber nur dann, wenn die Strategie stimmt und die Umsetzung diszipliniert und konsequent erfolgt. Wiederbelebung ist möglich.

Von der „Highway to Hell“ zurück auf den Erfolgspfad

Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass es bei der hohen Zahl verzichtbarer Marken mehr Warsteiners in allen Branchen und Kategorien gibt als Krombachers. Der Weg zurück in die Erfolgsspur ist kein leichter. Es bedarf großer Disziplin und absoluten Commitments des Top-Managements. Folgende Schritte helfen Ihnen, diesen Weg erfolgreich zu beschreiten:

Schritt 1: Schonungslose Statusquo- Analyse und Rückschau
„Look in the mirror and face the brutal facts.“ Hier geht es darum zu verstehen, wann und warum die Marke vom Pfad der Tugend abgekommen ist. Differenzieren Sie dabei bei Ihrer SWOT-Analyse in die Erfolgsphase vorher und die Niedergangsphase danach.

Schritt 2: Konsequente Arbeit an der Markenidentität und Markenpositionierung
Hier geht es darum festzulegen, was Sie an Marken-Assets bewahren müssen und was es konkret zu verändern gilt. Markenwerte brauchen Anker, Differenzierungsfaktoren und Zukunftstreiber. Da sich der Markt stärker entwickelt hat als Ihre eigene Marke und zudem Wettbewerber davon gezogen sind, setzt dies besonders hohe Anforderungen an die Entwicklung einer wirksamen Markenpositionierung, also dem Fokus im Markt, der für Kunden relevant ist und Ihre Marke vom Wettbewerb differenziert.

Schritt 3: Minutiöse Analyse des Produktportfolios
So zerfahren wie die Marke ist oft auch das Produktportfolio, wo das kopiert wird, was andere vormachen. Prüfen Sie konsequent, ob jedes Produkt im Portfolio einen Wertbeitrag leistet und Rolle und Territorium klar bestimmt sind. Achten Sie auf die Ausgestaltung des Produktportfolios hinsichtlich Markentypik, Differenzierungskraft und Benennung.

Schritt 4: Wirksame Umsetzung in ein überzeugendes Kommunikationskonzept
Hier gilt das Motto: Muster, Muster, Muster. Es geht darum, ein wirksames inhaltliches und formales Muster für die Marke zu entwickeln. Dazu bedarf es eines gut geplanten Pitches mit passenden Agenturen, klaren Bewertungsvorgaben und der Bereitschaft, die Kärnerarbeit zur Weiterentwicklung von Konzeptvorschlägen ruhig und ohne Zeitdruck voranzutreiben, bis ein ganzheitliches Kommunikationskonzept vorliegt. Ansonsten wird wieder ein Kompromiss gewählt, der die Marke nicht weiterbringt.

Der Weg zurück in die Erfolgsspur ist kein leichter. Es bedarf großer Disziplin und absoluten Commitments des Top-Managements.

Schritt 5: Schulung und Aufrüstung des Vertriebs
Erfolg beflügelt den Vertrieb und sorgt für großes Selbstbewusstsein. Der Umkehrschluss gilt auch. Entsprechend muss der Vertrieb zur Marke geschult und aufgerüstet werden. Als Marke, die zum Spielball des Handels und gemolken wurde, braucht der Vertrieb überzeugende Konzepte und Argumentationslinien, um sich in kleinen Schritten von einer reinen Preisdiskussion zu lösen.

Schritt 6: Entwicklung eines sensibles Marken-Controlling- Cockpits
Hier sind qualitative und quantitative Erfolgsgrößen als Lag- Measures und Lead-Measures zu definieren und zu tracken.

Das Herz der Marke schlägt länger, als manche glauben

Marken können ewig leben. Manager müssen allerdings etwas dafür tun. Wie jede Persönlichkeit müssen sich auch Marken entwickeln: um ihren Kern herum. Entwickeln heißt, sich dem Zeitgeist anzupassen, ohne sich Sinn zu entleeren. Das ist leichter gesagt, als getan.
Manche große Marken schaffen dies durchgängig, wie Louis Vuitton, Rolex oder Coca-Cola. Andere laufen Gefahr zu erodieren und gehen dann den oben beschriebenen Weg mit Erfolg, wie 4711. Hier wurde konsequent am Markenkern gearbeitet und mit Einführung neuer, erfolgreicher Linien, wie Remix Cologne, die mehrfach ausgezeichnet wurden, der Weg zurück in die Erfolgsspur gefunden.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor/Gründer
Institut für Marken und Kommunikationsforschung EBS/ESCH The Brand Consultants