Bewegtbild bringt Mediapläne auf Hochtouren
TV, PC, Notebook, Tablet und Smartphone, Social oder Smart TV – für alle ist Bewegtbild der Schlüssel zum Erfolg. Für die Werbewirtschaft ist die Fülle der Angebote Fluch und Segen zugleich. Nie gab es so viele Möglichkeiten, potenzielle Kunden anzusprechen. Aber: Sind es unterschiedliche Kontakte oder ist es immer der gleiche? Wie viel trägt welcher Kontakt zum Kampagnenerfolg bei?
Antworten auf diese Fragen wird es wohl erst nach der Einführung einer Konvergenzwährung geben. Der Markt braucht eine Werbemittelwährung, die auf dem Inhalt basiert und unabhängig vom Endgerät eine einheitliche, zeitbasierte Kontaktdefinition hat. Ein Thema, an dem die Gremien seit nunmehr einem Jahr arbeiten und das im Lauf des nächsten halben Jahres konkrete Formen annimmt. Die AGF will ab März 2013 ein eigenes Panel mit 25 000 Teilnehmern aufsetzen und analog zu den TV-Quoten die In-Stream-Online-Nutzung messen. Gleichzeitig arbeitet die AGOF daran, die Nutzung des Werbeträgers Online so präzise wie möglich auszuweisen. Bis sich ein Marktstandard etabliert hat, wird der Markt aber weiterhin mit qualitativen und quantitativen Studien auskommen müssen.
Worüber jetzt schon Klarheit herrscht, ist die Bedeutung von Bewegtbild im Mediaplan. Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) gehen mehr als 96 Prozent der Agenturen davon aus, dass Bewegtbild in den nächsten zwei Jahren für das digitale Marketing unverzichtbar wird und die Umsätze steigen werden.1 Dabei muss nicht mehr eruiert werden, wann welches Endgerät zum Einsatz kommt – die Nutzungsarten und -situationen sind erforscht und wurden zuletzt durch die Gattungsstudie Kartografie von Bewegtbild belegt. Vielmehr stellt sich die Frage nach einer Quantifizierung und Analyse dieser Nutzungsverfassung, und ob es einen Zusammenhang zwischen Programmbindung und Werbewirkung gibt. Hierzu hat IP Deutschland mehr als 7700 Menschen auf rund zwanzig Plattformen befragt. Und um eine möglichst hohe Zielgruppenabdeckung zu erzielen, wurde die Befragung anhand der großen Showformate der Mediengruppe RTL Deutschland durchgeführt: Das Supertalent, Deutschland sucht den Superstar, Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! und X Factor – Formate, die Millionen von Zuschauern verfolgen.
Verlängerte Wertschöpfungskette
Bewegtbild ist attraktiv und ein Zuschauermagnet. Vor allem beliebte TV-Formate sind Treiber für die große Nachfrage nach Inhalten und Endgeräten. Auch wenn die Hauptnutzung weiterhin vor dem TV-Bildschirm stattfindet, verzeichnen die Sender eine erhebliche Anzahl von Video-Abrufen. Und auch über den kleinsten Screen – das Smartphone – wird zunehmend Bewegtbild abgerufen. Das Beispiel X Factor zeigt das ganz deutlich: Die zuletzt ausgestrahlte Staffel von X Factor erreichte im TV eine Brutto-Reichweite von 132,25 Millionen Zuschauern ab drei Jahren. Zusätzlich generierte Vox insgesamt 15,06 Millionen Online-Video-Abrufe (Long- und Shortform) sowie 1,92 Millionen Mobile Video-Abrufe (Long- und Shortform) – eine Reichweite, die die Zielgruppenausschöpfung erhöht und das Wirkungspotenzial steigert. Nicht zuletzt dadurch, dass die Kanäle online und mobile die Kontakte zur jungen Zielgruppe (bis 29 Jahre) intensivieren.
„ TV ist heutzutage weit mehr als noch vor einigen Jahren. Die Interaktion mit und über Fernsehinhalte findet in sozialen Netzwerken oder innerhalb von Social- TV-Angeboten statt. “
Reichweiten, die in jedem Fall jetzt schon einen Effekt auf die Werbewirkung haben. Wie groß der Netto-Effekt tatsächlich ist, wird man allerdings erst beziffern können, wenn es belastbare Planungsdaten gibt, und so lange müssen Mixkontakte weiterhin mit unterschiedlichen Erhebungen (AGF, AGOF und eigene Messungen) erfasst werden. Die Etablierung von Smart TV und Social TV wird über kurz oder lang die Diskussion über eine einheitliche Währung weiter befeuern, da auch hier die Zuschauernachfrage steigt.
Second Screen bindet Zuschauer
Das, was im linearen TV funktioniert, wird auch im non-linearen Bereich stark nachgefragt. Daher geht die Second-Screen-Nutzung (sprich: die Parallelnutzung im Allgemeinen) nicht, wie vielfach behauptet, zu Lasten von TV. Ganz im Gegenteil. Das Netz – egal ob online oder mobil – ergänzt TV und steigert die Aufmerksamkeit. Die Kartografie von Bewegtbild beleuchtet diesen Aspekt genauer. In der Studie wird über verschiedene Aussagen zur Nutzungsverfassung ein Faktor für die Programmbindung definiert. Im Ergebnis verstärkt die crossmediale gegenüber der Mono-TVNutzung die Programmbindung um 35 Prozent. Der Vergleich zwischen den Bewegtbild-Typen zeigt, dass Longform-Content die Zuschauer um 28 Prozent mehr involviert als Shortform.
Besonders interessant ist der Blick auf die Social- TV-Angebote, also die der TV-bezogenen Parallelnutzung: Kommt neben der TV-Nutzung auch eine Social- TV-Anwendung zum Einsatz, steigert sich das Zuschauer- Involvement um 25 Prozent. Eine Bestätigung dafür, dass TV-synchrone Anwendungen auf die TVNutzung einzahlen – sofern sie einen Mehrwert bieten. Es überrascht daher nicht, dass TV-Inhalte den Nährboden für solche Anwendungen liefern. Aber auch hier gilt die richtige Einschätzung, denn laut DigitalBarometer2 surfen nur 16 Prozent der TV-Zuschauer „oft“ oder „sehr häufig“ parallel zum Fernsehen im Netz.
TV – Trigger für Second Screen und soziale Netzwerke
TV ist also weit mehr als noch vor einigen Jahren. Die Interaktion mit und über Fernsehinhalte findet in sozialen Netzwerken oder innerhalb von Social-TVAngeboten statt. Zuschauer tauschen sich auch im Netz über Formate aus, rücken näher an ihre TV-Sendung heran oder werden selbst Teil des Geschehens. 98 611 Fans hat X Factor nach nur zwei Staffeln auf Facebook, Ich bin ein Star 274 000, Das Supertalent 486 000 und DSDS 881 000 Facebook-Fans sowie 195 315 Twitter-Follower.3 User lieben diese Angebote und nutzen sie – wie das Beispiel X Factor belegt: Die X Factor-App wurde rund 180 000-mal während der letzten Staffel heruntergeladen, und das im letzten Jahr dort integrierte Social-TV-Angebot X Factor- Inside wurde während der Live-Shows intensiv genutzt, um noch tiefer in die X Factor-Welt einzutauchen. 99 Prozent der Befragten bewerteten die neuen Features „Heartbeat“ und „X Room“ als „sehr gut“ oder „gut“.
Diese radikale Veränderung der Mediennutzung fordert Mediaplaner ebenso wie Werbungtreibende und Vermarkter. Auf der anderen Seite gibt es in der Mediennutzung aber auch eine große Stabilität, die leider häufig unterschätzt wird – ebenso wird die Geschwindigkeit oft überschätzt. Fernsehen ist geprägt von Ritualen im Tagesablauf und psychischen Bedürfnissen, die sich nur wenig verändern. Deshalb muss die Mediaplanung eine Balance zwischen Wandel und Stabilität finden, also Neues ausprobieren, ohne es überzubewerten, und neue Technologien mit dem Auge des Nutzers betrachten. Wenn dann das Verständnis konvergenter Mediennutzung gezielt eingesetzt wird, können Werbungtreibende die gesamte Involvementkette für den Erfolg ihrer Marke nutzen.