Asien im Aufbruch. Welchen Beitrag deutsche Agenturen leisten können.
Deutschland ist Partnerland der Business of Design Week und der IDT Expo in Hongkong, um dort Kreativität Made in Germany zu promoten.
Deutschland war Exportweltmeister über viele Jahre, aber was haben Deutschlands Kreative davon? Selbstverständlich viel, als Gestalter von Autos oder Sportartikeln – um nur zwei markengetriebene Produktkategorien zu nennen. Doch die Designer agieren hier in zweiter Reihe, ihre Arbeit wird in den Exportstatistiken gar nicht aufgeführt, wie übrigens alle anderen Dienstleistungen auch nicht. Was aber, wenn Agenturen und Designer direkt in neue Märkte vordringen wollen? So ist Deutschland Ende November Partnerland der IDT Expo und der Business of Design Week in Hongkong, und es will die Veranstaltung nutzen, um deutsches Design und Dienstleistungen in China zu promoten.
Doch geht das überhaupt? Werden deutsche Designer demnächst chinesische Teams anleiten, um im Fernen Osten kostengünstiger zu produzieren – so wie es andere Gewerbe schon lange vormachen? Und können große Marken und Kampagnen ohne weiteres in andere Kulturkreise übertragen werden?
Dass auch die klügsten Köpfe ihrer Zeit an solchen Aufgaben scheitern, zeigt das frühe Beispiel einer europäisch-asiatischen Begegnung. Der Jesuitenpater Matteo Ricci war im 16. Jahrhundert der erste Europäer nach Marco Polo, der in das Reich der Mitte eindringen konnte. Er war aufgebrochen, um China zu missionieren, und wenn man das als eine Marketingaufgabe beschreiben möchte, würde man sagen, dass er einen Top-Down-Ansatz dafür wählte. Sein Ziel war nichts Geringeres, als den Kaiser von China zu bekehren und so das ganze Land zu gewinnen. Zugleich entschied Ricci sich für eine Strategie der Inkulturation. Um der Lebensweise des Gastlandes nahe zu kommen, lernte er nicht nur Chinesisch, sondern überlegte sich auch, in welcher Gestalt er im Reich der Mitte auftreten sollte. Er entschied sich für das Gewand eines buddhistischen Mönches.
Doch trotz dieser vermeintlich klugen Anpassungsstrategie kam er seinem Ziel, dem Kaiserpalast, lange nicht näher. Es half ihm nicht einmal, dass er als herausragender Wissenschaftler westliches Know-how ins Land brachte – er übersetzte zum Beispiel die Euklidische Geometrie ins Chinesische. Schließlich fand er heraus, warum er von den Menschen, auf die es ihm ankam, nämlich die kaiserlichen Beamten, nicht wahrgenommen wurde. Er steckte einfach im falschen Kostüm. Buddhistische Mönche genossen im China des 16. Jahrhunderts nur geringes Ansehen. Das für einen westlichen Priester logische Anknüpfen an ein lokales Bedeutungssystem hatte dessen soziale Bezüge nicht mit berücksichtigt. Konsequenterweise wechselte Ricci den Habitus und trat fortan im Gewand eines Gelehrten auf. Sofort wurde er von den kaiserlichen Beamten ernst genommen und erhielt wenig später Zugang zum Kaiserhof.
Was sagt uns das heute, rund 400 Jahre später? Um fremde Märkte zu erobern, brauchte es schon immer mehr als Sprachkenntnisse. Fehlt es an kultureller Kompetenz, können selbst große Marken auf massive Schwierigkeiten stoßen. So wie Walmart in Deutschland. Der Riesenkonzern mit seinen zwei Millionen Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 400 Mrd. Dollar hatte sich offenbar nicht die Mühe gemacht, die deutschen Verhältnisse zu analysieren, bevor er hier Mitte der 90er-Jahre antrat. Mussten nicht die deutschen Kunden begeistert sein, wenn ihnen endlich einmal jemand hinter der Kasse das Einpacken abnehmen und die Einkäufe auch noch zum Auto tragen würde? Doch genau das war nicht der Fall. Die Deutschen reagierten eher verunsichert auf die Service- Offensive, vermutlich aus Angst, auch noch Trinkgelder bezahlen zu müssen. Und auch das Walmart- Personal mochte sich für den neuen Arbeitgeber nicht begeistern. Das verordnete morgendliche Einstimmen auf die Firma („Walmart-Cheer“) verstörte eher, als dass es begeisterte. Die Folge: In einem dicht besetzten Wettbewerb brachten die eingesetzten Mittel, obwohl sie aus amerikanischer Sicht völlig logisch erscheinen mussten, nicht die erhoffte Resonanz. Nachdem drei Mrd. Euro an Verlusten aufgelaufen waren, verkaufte Walmart seine deutschen Märkte an den Konkurrenten Metro und zog sich 2006 wieder aus Deutschland zurück. Ganz anders dagegen McDonald’s. Obwohl geradezu der Inbegriff des weltweiten Einheitslooks und Einheitsessens, geht der Konzern differenziert auf lokale Märkte ein. In Chile serviert man einen McPollo mit Guacamole und in Indien wird sogar der BigMac modifi ziert. Aus Rücksicht auf die Hindu-Bevölkerung, die traditionellerweise kein Rind isst, heißt das Produkt hier Maharaja Mac und ist mit einem Bratling aus Huhn gefüllt.
Für deutsche Agenturen mit asiatischen Kunden kann die Schlussfolgerung aus solchen Beispielen nur lauten: Unser Markt für den Direktexport liegt nicht innerhalb Chinas. Unsere Aufgabe muss die eines Türöffners und Dolmetschers für asiatische Marken in Europa sein. Hier liegt unser kulturelles Kapital und ein Know-how, was in den Herkunftsländern so nicht vorhanden sein kann. Wir können helfen, Importmarken so zu inkulturieren, dass sie hier und heute verstanden werden, nach dem Stand der Kultur, des aktuellen Designs und auch der Mode.
Solche Anpassungsprozesse können vielschichtig sein. Sie können andere Positionierungen erfordern als in den Herkunftsländern. Und womöglich müssen Marken hier auch mit anderen Bildern arbeiten als dort. Wie so etwas aussieht, zeigt der Auftritt des japanischen Möbelherstellers Conde House in Europa, den Factor Design begleitet. Hier in Deutschland gewinnt die Herkunftsbezeichnung eine Bedeutung, die sie in Japan nicht hat. Hierzulande haben die Menschen bestimmte Vorstellungen von japanischer Kultur und Ästhetik, die man in positiver Weise instrumentalisieren kann. Diese spezifi sch deutsche Wahrnehmung von Japan ist von dort nicht einfach zu verstehen und damit auch schwierig zu managen. Die Aufgabe einer deutschen Agentur ist es zu klären, welche Dinge in der Kommunikation gleich bleiben müssen, welche Markentreiber im europäischen Markt besonders wirksam sind, welche Argumente hier am meisten überzeugen.
Mit dieser Positionierung deutscher Kreativer kann übrigens auch einer Grundangst des Westens im Umgang mit Asien begegnet werden. Gewiss kann man dort Formen und Motive schnell und preiswert kopieren. Kulturelles Know-how aber ist nicht in gleicher Weise transferierbar. Es erfordert tiefe Vertrautheit mit gesellschaftlichen Verhältnissen – Kenntnisse, mit denen die deutsche Kreativwirtschaft asiatischen Exportoffensiven nicht nur gelassen, sondern geradezu freudig entgegensehen kann.