Altersprozess beschleunigt

Altersprozess beschleunigt

Im deutschen Automarkt gibt es wieder einen neuen Altersrekord. Das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer ist im ersten Quartal des Jahres 2015 auf 53,0 Jahre angestiegen.

Damit hat sich der Alters- prozess im neuen Jahr deutlich beschleunigt. Noch offensichtlicher wird der Trend, wenn man sich die Altersgruppe der „unter 45-Jährigen“ anschaut (vgl. Tab. 2). Nur noch 25 Prozent aller privaten Neuwagenkäufer sind unter 45 Jahre. Gleichzeitig stellt die Gruppe der 18- bis 45-Jährigen 40 Prozent der über 18-jährigen Bevölkerung in Deutschland. Im deutschen Neuwagenmarkt existiert ein Methusalem-Effekt. Die Neuwagenkäufer werden deutlich schneller „älter“ als die Gesamtbevölkerung. Deutschlands Neuwagenkäufer altern immer deutlicher. Oder anders ausgedrückt: Die jungen Kunden bleiben dem Neuwagenkauf fern.
Wurden im Jahre 1995 noch 48,1 Prozent aller von Privatkunden gekauften Neuwagen von der Altersgruppe unter 45 Jahren gekauft, waren es im ersten Quartal des Jahres 2015 nur noch 25 Prozent. Echte Neuwagen sind nur noch was für die Älteren. Mittlerweile fallen 35 Prozent aller Neuwagenkäufer auf die Altersgruppe 60 Jahre und mehr. Autobauer trainieren die jungen Käufer zu Schnäppchenjägern Abb. 3 gibt eine Teilerklärung für den Methusalem-Effekt im deutschen Neuwagenmarkt. Hier wurden die Eigenzulassungsanteile und das Durchschnittsalter der deutschen Neuwagenkäufer gegenübergestellt. Eigenzulassungen sind Neuwagen, die entweder auf den Autobauer selbst oder auf die Autohändler zugelassen wurden.

Die Autobauer in Deutschland trainieren ihre Kunden – fast schon wie Pawlowsche Hunde – auf Tageszulassungen, Jungwagen, Schnäppchen.

Im ersten Quartal des Jahres 2015 wurden 32 Prozent aller Neuwagen in Deutschland auf diese beiden Gruppen zugelassen (blaue Balken in Abb. 3). Ein Großteil dieser Fahrzeuge wird nach kurzer Zeit entweder als Tageszulassungen, Vorführwagen oder junge Gebrauchtwagen mit Rabatten von 25 Prozent und mehr auf den Listenpreis auf die Händlerhöfe gestellt. Tageszulassungen sind quasi Neuwagen, die lediglich einen „Scheinbesitzer“ hatten.
Die Autobauer in Deutschland trainieren ihre Kunden – fast schon wie Pawlowsche Hunde – auf Tageszulassungen, Jungwagen, Schnäppchen. Da die jungen Käufer schneller diese Verhaltensänderung sich zu eigen machen, sinkt die Anzahl der „unter 45-Jährigen“ unter den deutschen Neuwagenkäufern parallel mit dem Ansteigen der Eigenzulassungen. Das illustriert Abb. 3. Für die Autobauer hat dieser „Trainingseffekt“ langfristige Ertragsfolgen, denn es wird sehr schwer werden, die zufriedenen Tageszulassungskäufer auf rabattärmere Original-Neuwagen wieder umzutrainieren. Der einzige Unterschied ist der Preis – und wer zum Schnäppchenjäger trainiert wurde – ist schwer zu „bekehren“.
Interessant in diesem Zusammenhang auch die Altersstruktur der Neuwagenkäufer der deutschen Autobauer im ersten Quartal 2015 wie in Abb. 4 dargestellt. Mit 56,1 Jahre hat Porsche die ältesten Kunden. Anders gesagt, der Porsche Neuwagen ist eher was für Opis. Nicht viel jünger sind die Opel- und VW-Neuwagenkäufer. Während Ford mit 51,5 Jahren die Marke „echte“ Neuwagenkäufer anzieht, werden bei VW und Opel die jungen Kunden als Käufer von jungen Gebrauchten und Tageszulassungen trainiert.

 

Weitere Effekte für weniger Neuwagen-Interesse

Neben dem Effekt, dass die Autobauer selbst zum Methusalem-Effekt durch die steigenden Eigenzulassungen beitragen, gibt es weitere Gründe für das Ansteigen des Alters der Neuwagenkäufer.

In Großstädten ist der Wunsch zum eigenen Auto am geringsten

Der Trend, dass weniger Junge sich einen Neuwagen leisten, wird durch ein weiteres Phänomen unterstützt. In den Großstädten sinkt kontinuierlich der Anteil der Bewohner mit eigenem Auto. CarSharing gewinnt gerade in Großstädten immer mehr Anhänger.
Der Wunsch, ein eigenes Auto zu besitzen, wird abgelöst vom Wunsch, das Auto im Bedarfsfall nutzen zu können. CarSharing ist bei jüngeren Menschen deutlich beliebter als bei den Alten. Der Trend zu weniger Neuwagen und weniger jungen Neuwagenkäufern setzt sich damit auch in der Zukunft fort.
Der Durchschnitts-Neuwagen kommt heute auf 25 000 Euro. Gleichzeitig hat insbesondere bei jungen Menschen das Auto durch neue konkurrierende Angebote anderer Produkte – wie Club-Urlaube, Trendsportarten, Internet-Devices wie Smart-Phones – in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Der Neuwagen hat seinen früheren Stellenwert eingebüßt. Bei hohen und steigenden Preisen für Neuwagen flacht das Interesse ab und springt zu anderen Produkten.

Fazit: Autoindustrie muss sich neu erfinden

In Summe sind drei Gründe für das Fehlen der jungen Käufer verantwortlich. Erstens, der demografische Wandel spiegelt sich im Neuwagenmarkt. Dieser Wandel erklärt allerdings bei Weitem nicht die schnelle Alterung der Neuwagenkäufer.

In Großstädten wird das Auto als Statussymbol für junge Menschen unbedeutender und hat an Emotion und Notwendigkeit verloren.

Zweitens, die Autobauer lenken mit ihren hohen Anteilen an taktischen Zulassungen junge Käufer auf „junge Gebrauchtwagen“. Der dritte Grund: In Großstädten wird das Auto als Statussymbol für junge Menschen unbedeutender. Das Auto hat für Großstadtbewohner wesentlich an Emotion und Notwendigkeit verloren.

 

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Direktor, CAR-Center Automotive Research
Universität Duisburg-Essen