Haptik: Alle Lust will Ewigkeit. Markeninszenierung über Haptik

Haptik: Alle Lust will Ewigkeit. Markeninszenierung über Haptik

Stellen Sie sich vor: Sie sind auf der Suche nach einem Werbedienstleister, der ein Logo für Sie entwickeln, Ihre Imagebroschüre designen, Ihren Web-Auftritt erstellen soll – eben das ganze Paket rund um die visuelle Kommunikation. Und erfahren zu Ihrer Erleichterung und Bereicherung erst einmal, dass Farbe wichtig ist, und man Ihnen eine ganz tolle aussuchen wird. Klingt naiv und nicht ganz glaubwürdig, nicht wahr?

Nun, dann ersetzen Sie doch versuchshalber mal den Begriff Farbe durch Haptik, und schon sind wir wieder in der Realität gelandet. Denn wie viele Homepages und Werbebroschüren der Branche übertreffen sich nicht gegenseitig mit Aussagen wie „Haptik ist wichtig“ und „das Papier hat eine tolle Haptik“. Akzeptieren Sie das als Entscheidungsgrundlage, Ihr wertvolles Werbebudget für Papier, Druckmedien und Haptik auszugeben? In Konkurrenz zu Social Media ...? Na, ich hoffe doch nicht, dass Sie sich damit zufrieden geben.
Tatsächlich können Sie in einer Welt, die zugeknallt ist mit immer austauschbareren Text- und Bildbotschaften, mit realer haptischer Kommunikation punkten und an Wettbewerbern vorbeiziehen. Aber mit inhaltsleeren Hinweisen auf tolle Haptik gelingt dies nicht.
Fragen Sie nach, was sich hinter der „tollen Haptik“ tatsächlich verbirgt! Nicht viel präziser landen Sie jetzt wahrscheinlich bei der Worthülse der „angenehmen“ Haptik. Selten bis nie jedoch ist von situationsangemessener Haptik die Rede oder der Übersetzung der firmenspezifischen Kommunikationsbotschaft in Haptik. Nichts von dem also, worum es geht.

Situationsangemessene Haptik, die eine Botschaft kommuniziert. Was verbirgt sich dahinter?

Um ein drastisches Beispiel zu geben: Ein Hersteller von Rattengift vertreibt ein unangenehmes Produkt – dazu gedacht, einem unangenehmen Problem Herr zu werden. Die Adressaten des Gifts sollen zwar nicht unnötig leiden, Mitgefühl können sie aber weder vom Hersteller noch vom Anwender des Erzeugnisses erwarten. Hinter der Kaufabsicht steht der Wunsch nach Tod und Verderben – die unangenehme Wirkung ist also das Produktversprechen!
Fazit: Die Verpackung kann sich nicht nur so anfühlen wie die beabsichtigte Wirkung, sie sollte es unbedingt, schlicht der Kongruenz von Produkt und haptischer Aussage folgend. Eine flauschigweiche „angenehme“ Haptik könnte hingegen sogar bewirken, dass der Käufer plötzlich Bilder von süßen kleinen Mäuschen mit großen ängstlichen Augen vor sich hat und am Ende noch Skrupel bekommt ...
Und apropos Mäuschen – immer wieder kommt es vor, kindersicherer Verschluss hin oder her, dass neugierige Kinder sich vergiften, weil sie die gegen die Ratten gerichteten Pillen für Leckerzeug halten. Wenn sich die Verpackung nicht kindgerecht anfühlt und die falsche Zielgruppe „eigener Nachwuchs“ abschreckt, ist das ein sehr willkommener Zusatznutzen.
An dieser Stelle haben wir also begonnen, den wichtigen Sprung von der Haptik hin zur haptischen Kommunikation zu machen, von mir wie folgt definiert:
Aus diesen beiden Aussagen ergeben sich eine Fülle von Schlussfolgerungen und Auswirkungen, darunter Antworten auf die drei grundlegenden Probleme des modernen Marketings, nämlich

  • Bedürfnisübersättigung (fast alle haben schon fast alles)
  • Rückzug von Konsumenten aus klassischen Märkten (viele wollen plötzlich etwas anderes, und vieles davon kann man gar nicht kaufen)
  • Werbeverweigerung (gegenüber Text- und Bildbotschaften).

Um das Letztere aufzugreifen: Während sich viele zwischenzeitlich fast reflexartig vor konventionellen Werbebotschaften wegducken, werden haptische Botschaften aktiv gesucht. Das ist, als würden Sie plötzlich freiwillig die Werbung einschalten im Fernsehen, statt sie wegzuzappen. Klingt utopisch, ist es aber lange nicht so sehr, wie es sich zunächst anhört.
Von (situationsangemessenen) haptischen Reizen kann man nämlich kaum genug bekommen. Haptische Kommunikation folgt, sehr kurz auf den Nenner gebracht, den Gesetzen von Lust und Schmerz. Wo Lust oder Schmerz zu erwarten sind, schaltet das Gehirn in einen anderen Modus. Wo Lust ist (da kämen wir allmählich tatsächlich zur angenehmen Haptik), sucht man die Wiederholung und die Reizsteigerung. Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe tiefe Ewigkeit ... Ja, das klingt nicht nur toll, das ist auch toll, was haptische Kommunikation bewirken kann, oder vielmehr könnte, wenn sie konsequent angewandt würde. Haptische Kommunikation kann zur gelebten Utopie werden, wenn auch eben nicht bloß dadurch, dass man einen Werbeprospekt auf einem „tollen haptischen Papier“ druckt.

Wo Lust ist (da kämen wir allmählich tatsächlich zur angenehmen Haptik), sucht man die Wiederholung und die Reizsteigerung. Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe tiefe Ewigkeit ...

„Corporate Haptics“ ist das Zauberwort.

Die CI, bisher fast allein bestimmt durch visuelles Design, bekommt plötzlich eine dritte Dimension. So wie Markenunternehmen, im richtigen Kontext präsentiert, schon durch eine Farbe, eine bestimmte Typographie oder was auch immer erkannt bzw. vorausgeahnt werden, bevor das Logo eingeblendet wird, erkennen Sie nun eine Firma an ihrer Haptik. Sie wird plötzlich fühlbar. Ich schreibe hier bewusst, die Firma wird fühlbar. Nicht nur das Produkt.
Denn Corporate Haptics bedeutet, dass ein einheitlicher haptischer Auftritt verwirklicht wird, der alle Ebenen der Firmen-, Marken- und Produktkommunikation durchzieht.
Dies bedeutet notwendigerweise ein Zusammenwachsen von Design, Produktentwicklung, Produktion. Das frische Deo riecht nicht nur so, auch die Haptik ist „frisch“: Der Deostick spricht dieselbe haptische Sprache wie seine Verpackung, wie der Werbeprospekt, wie die Türklinke der Boutique, in der Sie ihn kaufen ... .
Viele visuelle Designer kommen nun schnell an die Grenzen ihrer Vorstellungskraft. Was ist eine „frische Haptik ...“? Ich kehre zum Anfang zurück und drehe nun in die Gegenrichtung: Was ist eine frische Farbe? Warum bieten sich solche Farben, die zwar mit einer gewissen Subjektivität ausgewählt werden können, eher an als beispielsweise schwarz?
Haptische Kommunikation ist ein genauso komplexes Vorhaben wie visuelle Kommunikation und lässt sich ebensowenig wie ein mehrjähriges Grafikdesignstudium auf ein paar Tipps reduzieren.
Haptisches Design und haptische Kommunikation funktionieren jedoch nach ähnlichen Prinzipien: Am Anfang steht die Definition der Kommunikationsbotschaft, abgeleitet aus einer Fülle von Fragen, die das Produkt, die Zielgruppe, die Firmenhistorie usw. betreffen. Daraus werden Schlüsselbegriffe gebildet, die nach bekannten und unbekannten Methoden in die Sprache der Markenkommunikation eingebettet und dann haptisch übersetzt werden.
Nochmals der Begriff Utopie: Es ist noch keine vierzig Jahre her, da galt der Telekommunikationsmarkt als gesättigt. Das marktsättigende Produkt war grau und hatte eine Wählscheibe. Smartphones gab es schon – aber nur in Science-Fiction-Filmen. Jetzt gibt es sie in der Realität, utopischer noch als in den Utopien. Und warum? Weil man sich darangemacht hat, einer naheliegenden Vision Leben einzuhauchen.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
König Konzept, Kommunikations- und Produktionsagentur