„boerse vor acht“ Nachrichtenformat wird Medienmarke

„boerse vor acht“ Nachrichtenformat wird Medienmarke

Interview mit Markus Gürne, Leiter Programmgruppe ARD-Börse-TV

Welche Intention verfolgt das Format boerse vor acht im Ersten?
Gürne: Die Börsensendung wurde im Jahr 2001 von Frank Lehmann ins Leben gerufen. Die Idee, die dahinter steckte, war, im Ersten kurz vor der Tagesschau vom Finanzmarkt eine seriöse Berichterstattung zu liefern. Ursprünglich konzentrierte sich boerse vor acht auf den Finanzmarkt mit dem Aktienmarkt und dem damaligen Neuen Markt. Da gab es viel Informationsbedarf. Heute sind wir mit der weltweiten Finanzkrise und Wirtschaftskrise konfrontiert. Deshalb suchen die Menschen Informationen vom Finanzmarkt, vom Aktienmarkt und darüber hinaus von der Europäischen Zentralbank und von der Bundesbank in Frankfurt am Main. Unsere Zuschauer wollen die Mechanismen, die Zusammenhänge und die Auswirkungen in der globalen Finanzwirtschaft verstehen. Es geht also nicht nur um Anleger, die ihr Geld in Aktien investiert haben, sondern um Otto Normalverbraucher, der wissen will, wie sich die Parameter am Finanzmarkt auf seine ganz persönliche Lebensversicherung auswirken.

Ihr Anspruch?
Gürne: Informationen so rüberzubringen, dass sie jedermann verstehen kann. boerse vor acht ist ein Format, das so kein anderer Sender bietet. Wir sind als Redaktion mit Sitz Frankfurter Börse völlig eigenständig und verantworten das Programm. Einen Redaktionsschluss im eigentlichen Sinn gibt es bei uns nicht, da der Handel auch nach Börsenschluss in Frankfurt am Main auf der Welt weiterläuft. Die Ergebnisse und Trends fassen wir zusammen. Dabei legen wir großen Wert darauf, aktuell immer die wichtigsten News zu erfassen, verständlich aufzubereiten und dann zu kommunizieren. Deshalb verzichten wir ganz bewusst auf kryptische Fachtermini aus der Finanzwirtschaft. Ein zufriedener Zuschauer meinte kürzlich eher scherzhaft, dass wir die „Sendung mit der Maus für finanzaffine Erwachsene“ machen. Das versteht unsere Redaktion durchaus als Kompliment. Denn unser Zuschauer soll selbst hoch komplexe Finanzthemen im Kern und in ihrer Auswirkung verstehen können. Kurz: Wir liefern dem Zuschauer echten Mehrwert. Das ist unser unverwechselbarer USP.

Ein zufriedener Zuschauer meinte kürzlich eher scherzhaft, dass wir die ,Sendung mit der Maus für finanzaffine Erwachsene‘ machen. Das versteht unsere Redaktion durchaus als Kompliment. Denn unser Zuschauer soll selbst hoch komplexe Finanzthemen im Kern und in ihrer Auswirkung verstehen können. Kurz: Wir liefern dem Zuschauer echten Mehrwert.

Wie sieht Ihre perfekte Sendung aus?
Gürne: Wir bringen in einer Sendung die Nachrichten wie die Tagesschau und erklären den Hintergrund wie die Tagesthemen. Das ist wie gesagt unser Anspruch. Gelingt es uns dann auch noch, eine spannende Geschichte zu erzählen, wie das im Nachtmagazin der Fall ist, dann haben wir den perfekten Dreiklang, dann haben wir eine perfekte Sendung.

Hinter Qualitätsjournalismus steht immer eine starke Mannschaft. Wie ist die Börsenredaktion innerhalb der ARD aufgestellt?
Gürne: Frankfurt ist eine unglaublich internationale Stadt und das europäische Finanzzentrum. Die Börsenredaktion ist eine sehr selbstbewusste Abteilung innerhalb der ARD und stellt jeden Tag ihre Unabhängigkeit unter Beweis. Die Währung, in der wir bezahlen, ist unabhängiger, freier Journalismus. Wir lassen uns weder einlullen noch Honig um das Maul schmieren. Bei ARD-Börse-TV sind wir sieben Redakteurinnen und Redakteure. Dazu kommen unsere Assistenten, die Grafik und die Technik. So hat unser Team je nach Sendung eine Stärke zwischen neun und 14 Personen. Als eigenständige Abteilung kooperieren wir natürlich mit den Kollegen vom Hessischen Rundfunk. Wir tauschen uns über Themen aus und besprechen, wann und wo wir welche Meldungen platzieren. Das machen wir auch mit unseren Kollegen vom Hörfunk und mit BoerseARD.de, die auch hier in Frankfurt sitzen. Auf der Plattform haben wir einen Blog und einen Video-Blog. Das dient einfach dazu, den interessierten Nutzern noch mehr und vertiefte Informationen zu bieten. Wie gut das ankommt, sehen wir in den Kommentaren und in der aktiven Kommunikation.

Welche Zielgruppen sehen boerse vor acht?
Gürne: Vorweg die harten Fakten: Gut zehn Prozent der Zuschauer von boerse vor acht sind Entscheider, 7,3 Prozent sind wirtschaftsaffin und 6,9 Prozent sind ausgesprochen finanzinteressiert. Um 19.55 Uhr, kurz vor der Tagesschau, haben wir im Großen und Ganzen ein sehr spezielles Publikum. Zu boerse vor acht beginnt die Versammlung vor dem „Lagerfeuer“ und viele warten auf die Nachrichten der Tagesschau. Es ist also das gesamte Spektrum des Fernsehmarkts versammelt. Gut 70 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer aus allen Altersschichten sind Menschen, die sich nicht sonderlich für Finanzen interessieren. Sie wissen aber, dass die Finanzwirtschaft wichtig ist und wirtschaftliche Entwicklungen direkten Einfluss auf die persönliche Situation und das eigene Leben haben. Deshalb holen sich diese Menschen bei boerse vor acht zuverlässige, seriöse und verständlich aufbereitete Informationen zu diesem Themenkreis.
Etwa 30 Prozent der Zuschauer sind Leute, die an Finanzthemen interessiert sind, sich aus anderen Medien Informationen beschaffen und sogar am Finanzmarkt tätig sind. Die holen sich bei uns nochmals einen Überblick und erwarten eine fachkundige Einschätzung, ehe sie die Tagesschau mit den allgemeinen Nachrichten sehen. Hier haben wir – ohne unbescheiden zu sein – in der unglaublichen Informationsflut die Funktion eines Leuchtturms, der verlässlich und kompetent Orientierung bietet. Das bescheinigen uns auch die großen Player am Finanzmarkt, die unsere Arbeit naturgemäß sehr genau verfolgen und mit unserer unabhängigen Redaktion in regem Austausch stehen.

Erreichen Sie auch jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer?
Gürne: Erstaunlicher Weise immer mehr. Seit der Lehman- Krise ist die Finanzwirtschaft in allen Altersgruppen Tagesthema. Für mich als Programmverantwortlichen sind besonders die Zuschriften von jungen Zuschauern interessant. Die schalten verstärkt boerse vor acht ein, weil ihnen wirtschaftliche Zusammenhänge ohne Fachchinesisch vermittelt werden. Aus den Mails lese ich auch immer wieder die Frage heraus „Warum einem das eigentlich in der Schule überhaupt nicht vermittelt werde?“

Das Format boerse vor acht ist wie die Tagesschau eine starke Medienmarke. Wir machen kein Anlegerfernsehen und geben keine Empfehlungen. Wir bringen eine Nachricht und erklären den Zusammenhang. Das ist der entscheidende Unterschied zu anderen Sendungen. Markus Gürne, Leiter Programmgruppe ARD-Börse-TV

Mit Ihrer Sendung, der Auswahl der Nachrichten und mit den Kommentaren müssen Sie sehr verantwortlich umgehen und tragen große Verantwortung?
Gürne: Sicher. Über viele Jahre habe ich selbst in der Auslandsberichterstattung in Krisengebieten und für die Tagesschau gearbeitet. Ich bin mir darüber im Klaren, dass unter Umständen ein Halbsatz genügt, um positiv wie negativ Bewusstsein zu schaffen. Berichterstattung ist immer eine Gradwanderung. Aber genau in diesem Punkt stehen wir ohne Wenn und Aber in der Tradition der Tagesschau. Das besonders hohe und von den Zuschauern geschätzte Niveau der Tagesschau bringen wir in den Themenbereichen Finanzmarkt und Wirtschaft. boerse vor acht ist also eine Facette, die perfekt in das Gesamtbild ARD passt.

Informieren sich die Menschen in Phasen vor Wahlen oder in krisenhaften Situationen verstärkt?
Gürne: Ja. Das lässt sich an den Einschaltquoten trefflich ablesen. Als beispielsweise der Bundestagswahlkampf 2013 in die heiße Phase eintrat, legten wir nach Wetter vor acht nicht wie sonst rund 400 000 sondern jeden Tag um 800 000 bis eine Million Zuschauer zu. Eine große Anzahl von Menschen schaltet also ganz gezielt die Nachrichten vom Finanzmarkt ein. Zur Erinnerung, wir reden bei boerse vor acht von einer Sendung, die in ihrer maximalen Länge drei Minuten lang ist. Auch während des Kanzlerduells vor der Bundestagswahl, das in vier Sendern ausgestrahlt wurde, hatte die ARD die höchsten Marktanteile und Reichweiten. Die 14- bis 29-Jährigen sahen das Duell nicht etwa über Pro7 mit Stefan Raab, sondern kamen über die ARD. Es ist in vielen Familien einfach tradiert, dass Nachrichten um 20.00 Uhr in der Tagesschau stattfinden.

Schlusswort?
Gürne: Das Format boerse vor acht ist wie die Tagesschau eine starke Medienmarke. Wir machen kein Anlegerfernsehen und geben keine Empfehlungen. Wir bringen eine Nachricht und erklären den Zusammenhang. Das ist der entscheidende Unterschied zu anderen Sendungen.

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