Zielgruppe der Best Ager differenziert ansprechen

Zielgruppe der Best Ager differenziert ansprechen

Gespräch mit Dr. Uwe Lebok, Vorstand (COO) der K&A Brand - Research AG, Nürnberg. Dr. Uwe Lebok ist für die Bereiche Business Development und Personalentwicklung zuständig. Vor seiner Tätigkeit im Unternehmen war er jahrelang in Forschung und Lehre (Demografie, Gesundheitsökonomie) an verschiedenen Universitäten sowie am Max-Planck-Institut für demo grafische Forschung in Rostock tätig. Schwerpunkt von Dr. Lebok ist die Methodenentwicklung in besonderen Zielgruppen wie beispielsweise Kinder, Health Services und Best Ager.

Was wurde bisher unter Best Ager verstanden?
Dr. Uwe Lebok: Früher hat man es sich relativ einfach gemacht und die Zielgruppe der Best Ager mit 60plus und dann mit 50plus definiert. Damit waren Best Ager nach landläufiger Auffassung nicht mehr als die Altersgruppe der jungen Alten, die im Vergleich zu früher mobiler, aktiver und konsumfreudiger waren. Diese Betrachtungsweise hat sich geändert und die demografische Forschung sieht die Best Ager wesentlich differenzierter.

Konkret?
Dr. Uwe Lebok: Heute werden Best Ager nicht mehr an einem starren Altersbegriff festgemacht. Der Grund dafür ist einfach. Es hängt stark vom Individuum ab, wann ein Mensch „alt“ wird. So legt beispielsweise ein 45-Jähriger mit dem immer weiter verbreiteten Burn-out-Syndrom die typischen Verhaltensweisen des jungen Alten an den Tag, während ein 75-Jähriger beim Marathon wie ein junger Gott ins Ziel einläuft und alles andere als alt wirkt. Die Best Ager befinden sich nach heutigem Verständnis eher in einer Übergangsphase vom aktiven in ein weniger aktives Berufsleben und können ihre persönlichen Interessen stärker ausleben.

Eine Lebensphase, die wenigstens statistisch gesehen meist mit dem Erreichen des 50. Lebensjahres beginnt?
Dr. Uwe Lebok: Das ist richtig und hat psychologische Gründe. Bei den Menschen läuft mit dem Erreichen des 50. Geburtstags ein innerer Film ab, und es wächst das Bewusstsein, dass die Lebensmitte mit großer Wahrscheinlichkeit überschritten ist. Dann stellt sich die Frage „Was mache ich mit dem Rest meines Lebens?“ So beginnt eine Lebensphase, in der die Menschen noch sehr aktiv sind und sich mit Themen auseinander setzen, über die sie sich vorher eher weniger Gedanken gemacht haben.

Wie lässt sich die Zielgruppe der Best Ager differenzieren?
Dr. Uwe Lebok: Neben dem Alter spielen die Geburtskohorten eine wesentliche Rolle. Es ist zu betrachten, in welchem Lebensumfeld und mit welchen sozialen und kulturellen Einflüssen die Jahrgänge „alt“ geworden sind. Es gibt heute eine starke Individualisierung der Lebensstile. So kümmert sich eine Großmutter vielleicht nicht nach früherem Rollenmuster unbedingt und selbstverständlich ständig um die Enkel. Junge Alte haben eigene Lebensvorstellungen, gehen auf ein Konzert der Rolling Stones und verbringen den Winter auf den Kanaren. Die Lebensstile haben eine enorme Variabilität, die von vielen Faktoren abhängt. Bisher werden auch die Best Ager mit Migrationshintergrund viel zu wenig beachtet. Viele, die als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, sind hier ansässig geworden und haben ihre Familien in der neuen Heimat. Diese Zielgruppe bleibt in Deutschland und ist für Marken hoch interessant.

Best Ager sind eine unglaublich facettenreiche Zielgruppe, die differenziert angesprochen werden will. Hersteller müssen immer vorsichtig sein, dass sie keine Produkte und Dienst leistungen explizit für ,Alte‘ anbieten. Dr. Uwe Lebok, Vorstand (COO) der K&A BrandResearch AG

Ist Familie für Best Ager heute weniger wichtig als früher?
Dr. Uwe Lebok: Das würde ich so nicht sagen. Aber auch hier ist grundsätzlich zu differenzieren, ob Best Ager eigene Kinder haben oder nicht. Davon hängt zu einem guten Stück ab, wie sie sozial interagieren. Nach allgemeinem Verständnis sind eigene Kinder nicht mehr eine tragende Säule für die Absicherung im Alter. Viel wichtiger ist die materielle, sprich finanzielle Altersvorsorge. Demografen sind sich längst einig, dass die Altersarmut in Deutschland massiv zunehmen wird. Nur wer als Best Ager und später im Alter über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, kann seinen individuellen Lebensstil nach seinen Vorstellungen verwirklichen.

Und die Zielgruppe der betuchten, konsumfreudigen Best Ager wächst weiter?
Dr. Uwe Lebok: Sicher. Hier sprechen die Verbraucheranalysen eine eindeutige Sprache. Best Ager werden als Konsumentenzielgruppe mit Lebenslust und Genussfreude zahlenmäßig und von der Kaufkraft her immer wichtiger. Darauf müssen sich Unternehmen mit ihren Produkten und Dienstleistungen einstellen. Menschen im „besten Alter“ sind bemüht, die inaktive Lebensphase des Alters so weit wie möglich nach hinten zu schieben. Das Alter beginnt nach heutigen Vorstellungen frühestens mit 75 Jahren, eher mit 80 Jahren. Bis dahin möchten die Best Ager möglichst aktiv am Leben teilnehmen und nicht ausgegrenzt werden.

Wer protiert davon in besonderem Maß?
Dr. Uwe Lebok: Jeder Anbieter, der sich intelligent auf die Bedürfnisse der Best Ager einstellt. Natürlich sind Gesundheit und Gesunderhaltung für die Zielgruppe besonders wichtig. So sprechen renommierte Zukunftsforscher schon vom Megatrend „Healthness“. Das ist ein enormer Wachstumsmarkt. Aber auch die Nachfrage nach Reisen für Senioren nimmt kontinuierlich zu. Gefragt sind insbesondere Städtereisen und Kreuzfahrten. Auch Neuwagenkäufer werden im Durchschnitt immer älter. Selbst das Mediennutzungsverhalten der Best Ager ist im Wandel. Früher waren ältere Menschen hauptsächlich Abonnenten von Tageszeitungen und Zeitschriften mit überdurchschnittlich langer TV-Nutzungszeit. Heute tragen die Best Ager mit ihrem Interesse für digitale Angebote maßgeblich zu hohen Wachstumsraten in diesem Segment bei.

Stellen sich Marken ausreichend auf die Bedürfnisse der Best Ager ein?
Dr. Uwe Lebok: Best Ager sind wie gesagt eine unglaublich facettenreiche Zielgruppe, die differenziert angesprochen werden will. Hersteller müssen immer vorsichtig sein, dass sie keine Produkte und Dienstleistungen explizit für „Alte“ anbieten. Gerade bei Best Agern geht die Schwere zwischen biologischem und gefühltem Alter oft weit auseinander. Der gängige Spruch „Man ist so alt, wie man sich fühlt“ bringt es auf den Punkt. Die Menschen wollen schöne, stilvolle und nützliche Produkte, aber nicht über spezielle Angebote als „Alte“ diskriminiert werden. Oft richten sich Best Ager neu ein oder leisten sich ein flottes Fahrzeug. Hier können sich Markenhersteller mit bedarfsgerechten Angeboten unter den Oberbegriffen „Komfort“ und „Zusatznutzen“ positionieren. Die Kunst besteht also darin, Produkte auf Best Ager auszurichten, ohne die Zielgruppe zu benennen.

Welche Herausforderungen sehen Sie im Zusammenhang mit der Zielgruppe Best Ager mittelfristig?
Dr. Uwe Lebok: Mittelfristig wird es eine zentrale Herausforderung sein, die Best Ager mit ihrem Konsumverhalten differenziert zu betrachten und auf ihre spezifischen Bedürfnisse einzugehen. Marken sollten bei der Ansprache von Best Agern ihren eigentlichen Markenkern nicht verwässern. Marken und ganze Produktkategorien, die im Konsumgüterbereich von Best Agern stark nachgefragt werden, dürfen heute den Anschluss an nachwachsende Zielgruppen nicht verpassen. Sonst teilen sie das Schicksal der Saurier.

Autorin(nen) / Autor(en):
CMO
K&A BrandResearch AG