Wie man Social Selling richtig macht

Wie man Social Selling richtig macht

Der B-to-B-Vertrieb hat sich durch neueste Informationstechnologien stark verändert und ist wesentlich komplexer geworden. Gleichwohl haben sich die Möglichkeiten dadurch auch dramatisch verbessert. International agierende, virtuell zusammenarbeitende Teams haben die Entscheidungsprozesse und Kompetenzen verschoben. Mit Social Selling bietet sich jetzt eine Möglichkeit, die neu entstandenen Herausforderungen im Vertrieb besser zu meistern.

Verkäufer sind heutzutage durch das Internet vollständig transparent. Negative wie positive Neuigkeiten von Seiten des Unternehmens, aber auch Erfahrungen von Seiten der Kunden können direkt publik gemacht und vom weltweiten Markt zeitgleich aufgenommen werden. Nach und nach erkennen Unternehmen die Ausmaße der Entwicklungen und damit auch die enormen Chancen, die sich durch die neuen Technologien für ein Unternehmen bieten. Eine der sich in den letzten Jahren entwickelten Unternehmensstrategien ist die Anwendung von „Social Selling“. Social Selling ist eine Management-Strategie, in der nicht nur der Verkäufer, sondern gleichermaßen auch der Käufer durch effizientes und wertschöpfendes Engagement im Verkaufs- bzw. Kaufprozess profitiert. Unter Social Selling wird dabei eine geplante, intelligente vertriebliche Nutzung der sozialen Medien für den Verkaufsprozess verstanden. Ziel des Social Selling ist es dabei, mithilfe der sozialen Beziehungen sich als potenzieller Lieferant darzustellen und somit letztlich mehr Umsatz zu machen.

Gründe für Social Selling

Social Selling ist über die Jahre nicht nur möglich, sondern auch nützlich und inzwischen sogar mehr als notwendig geworden. Aufgrund des Internets wissen Käufer heutzutage schneller, was sie wollen und warum sie es wollen. Das alte Modell, bei dem das Marketing sagt, was der Kunde möchte, und Sales dem Kunden sagt, warum er es möchte, funktioniert daher schon lange nicht mehr. Via Suchmaschinen und Social Media informiert sich der Käufer früh ausgiebig über mögliche Produkte, Services und Unternehmen und ist daher bei der ersten Kontaktaufnahme bereits gut informiert und oft schon mit konkreten Präferenzen ausgestattet. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich als Unternehmen, schon früh präsent zu sein und so auch rechtzeitig in der Customer Journey des Kunden entsprechend präsent zu sein.

81% entscheiden sich eher dafür, mit professionellen, im Internet präsenten Marken in Kontakt zu treten als mit anderen.

B-to-B-Entscheidungsträger und Influencer


Der Verkäufer kann die vielfältigen Social-Media- Kanäle nutzen, um Produkte oder Dienstleistungen bekannt zu machen, gleichzeitig aber auch, um Informationen und Daten über die Kunden zu erhalten. Das Unternehmen erfährt bspw., an wen es sich innerhalb der Organisation des Kunden wenden sollte und mit wem es eventuell schon im Kontakt steht. Darüber hinaus aber auch, was dem Unternehmen unmittelbar bevorsteht, in welchem Kontakt es zu den eigenen Kunden steht und was deren Kunden von ihm verlangen. Mit dieser Reihe an Informationen lässt sich ein deutlich individuelleres Paket für den Kunden schnüren, und man kann sich so von Wettbewerbern besser abgrenzen.
Laut einer Umfrage, durchgeführt bei 1500 B-to-BEntscheidern und Beeinflussern von der sozialen Plattform LinkedIn, entscheiden sich 81 Prozent der B-to-B Entscheidungsträger und Influencer eher dafür, mit professionellen, im Internet präsenten Marken in Kontakt zu treten als mit anderen. Heutzutage sind zudem durchschnittlich 5,4 Entscheidungsträger bei einem B-to-BKauf involviert. Ohne Social Selling, d.h. ohne Networking, ist es für den Vertrieb kaum mehr möglich, bis zu allen Entscheidungsträgern insbesondere auf den höheren Ebenen vorzudringen (LinkedIn Global Survey, Mai 2014).
Da schon im Jahr 2012 mehr als 70 Prozent der B-to- B-Entscheidungsträger soziale Medien als Informationsquelle nutzten, wäre es als Unternehmen fahrlässig, heutzutage in diesen nicht präsent und aktiv zu sein. Einschlägige Studien zeigen zudem, dass Social Seller eine höhere Kundenerneuerungsquote (55%) erreichen und auch eine genauere Verkaufsprognose (54%) geben können als Non-Social-Seller (48% bzw. 42%). Auch erreichen diese eher die anvisierten Quoten (46% im Vergleich zu 38%). Die erreichte Team-Verkaufsquote lag im Vergleich zu 49 Prozent bei Non-Social-Sellern sogar bei 64 Prozent (Aberdeen Group 2012). 

Wo Social Selling unvermeidbar ist

Nicht in allen Branchen lohnt es sich, schon jetzt Social Selling zu betreiben. Während Segmente wie IT, Consulting und Marketing führende Branchen im Social Selling sind, sind Segmente wie die der Ingenieurdienstleister, die Mineralölindustrie und der Maschinen- bzw. Anlagenbau noch kaum aktiv. Insbesondere in denjenigen Industrien, in denen sich das Unternehmen nicht durch Produktführerschaft oder „Operational Excellence“ (wie z.B. GE im Bereich Quality Management durch Anwendung von Six Sigma) von Wettbewerbern abgrenzen kann, wird Social Selling große Bedeutung beigemessen. Unternehmen, wie z.B. IBM oder McKinsey, die Komplettlösungen im Dienstleitungsbereich anbieten, sind darauf angewiesen, ein enges persönliches Verhältnis zum Kunden zu schaffen. Und genau hier setzt das Social Selling an.

Was erfolgreiches Social Selling ausmacht

Um Social Selling erfolgreich starten zu können, muss die höchste Ebene des Unternehmens von Social Selling hinreichend überzeugt sein. Klare Regeln zur Vorgehensweise und Umsetzung müssen definiert werden. Dazu gehört das Festlegen von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten, auch z.B. im Umgang mit den einzelnen Leads. Wichtig ist auch ein professionelles Einlernen der Vertriebler. Gerade dort liegt heute noch viel Verbesserungsbedarf. Kein Wunder, dass hier von vielen Vertrieblern erhebliches Potenzial im Social-Selling-Training gesehen wird.

Die Bildung eines soliden Netzwerks

In erster Linie geht es beim Social Selling darum, sich ein Netzwerk aufzubauen. Im ersten Schritt müssen dazu Entscheidungsträger, Influencer, mögliche Geschäftspartner und Kundenkontakte der potenziellen Kunden identifiziert und deren Beziehungen zueinander analysiert werden. Wenn die Entscheidungsträger innerhalb eines Unternehmens ausfindig gemacht wurden, werden diese zu bereits vorhandenen Kontakten in Beziehung gesetzt. Durch Tweets, Likes und Posts des Leads kann der B-to- B-Anbieter Interessen und Bedürfnisse erkennen. Der Vertriebler kann dann darauf aufbauend eine Konversation mit dem Lead beginnen und so die unangenehme Kaltakquise umgehen.
Gute Social Seller gewinnen von sich aus die Aufmerksamkeit ihrer Kontakte. Das Ziel sollte es sein, sie in einem bestimmten Thema zu bilden und sich gleichzeitig damit einen Namen zu machen bzw. eine Marke aufzubauen. Kontinuierlich generierter Content ist dazu nötig. Um aus der Masse herauszustechen, ist es wichtig, die Zielgruppe auf der persönlichen Ebene abzuholen und auf Augenhöhe anzusprechen. Entscheidend ist, sich darüber bewusst zu sein, dass keine Verkaufsgespräche über soziale Netzwerke stattfinden, sondern Vertriebler diese Kanäle lediglich nutzen, um potenzielle Kunden zu finden, ihre Bedürfnisse zu erfassen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.

Zusammenfassung
  • Social Selling sollte intensiviert werden, da man so früh auf dem Radar des Kunden in der Customer Journey auftaucht.
  • Voraussetzungen für die effiziente Anwendung von Social Selling ist neben der Integration der Ausrichtung in die Unternehmensstrategie auch das einschlägige Training der Vertriebsmannschaft.
  • Social Tools sollten genutzt werden, um Social Selling erfolgreicher und effizienter zu gestalten.

Nutzung verschiedener Social-Media-Kanäle

Social Selling sollte man nicht ausschließlich mit Social- Media-Netzwerken wie LinkedIn, Facebook und Twitter verbinden. Auch visuelle soziale Netzwerke wie YouTube, Pinterest, Slide-Share, Snapchat und Instagram, die hauptsächlich auf Bilder und Videos abzielen, können dazu genutzt werden, das Unternehmen und dessen Produkte oder Dienstleistungen visuell zu präsentieren. Leads können diese Präsentationen, Bilder und Videos kommentieren und teilen. Auf diese Weise kann ein erster Austausch mit Leads stattfinden. Auch das Nutzen von Blogs und Communities kann nützlich sein, um sich einen Namen zu machen sowie seine Zielgruppe genauer einzugrenzen, da die Themen der einzelnen Blogs und Communities in der Regel sehr spezifisch sind.

Fokussierung auf angemessenen Content

Die wichtigste Rolle im Social Selling kommt dem Content zuteil. Viele Studien zeigen, welchen Einfluss die Qualität und der Mix des Contents auf den Abschluss des Geschäfts haben. Für die Kunden ist der beste Bto- B-Verkäufer der, der in jedem der einzelnen Schritte im Kaufprozess mit einschlägigem Content überzeugen kann. Des Weiteren ist die Qualität des Contents wichtiger als die Menge (DemandGen Report 2013).

Entwicklung vom Verkäufer zum Trusted Advisor

Ziel des Social Selling im Solution Business ist es, von der Rolle des einfachen Verkäufers zum Trusted Advisor aufzusteigen. Während man als Verkäufer lediglich sein Produkt oder Service zu attraktiven Konditionen verkauft, kann man als Trusted Advisor eine deutlich bestimmendere Rolle einnehmen und in gewissem Maß auch Einfluss auf die strategische Richtung des Unternehmens nehmen. Dem Aufstieg zum strategischen Partner des Kunden steht dann nichts mehr im Wege.

Probleme und Gefahren des Social Selling

Doch Social Selling zu betreiben, macht ein Unternehmen nicht automatisch erfolgreicher, da der Käufer heutzutage von Informationen nahezu überflutet wird. Pro Minute werden 350 000 Tweets gesendet, 290 000 Facebook-Updates durchgeführt und 100 Stunden an Videomaterial in YouTube hochgeladen – Tendenz steigend. Aufgrund der Vielzahl an Online-Möglichkeiten ist es somit immer schwieriger, sich von den Wettbewerbern deutlich abzugrenzen und sich aus der Informationsflut hervorzuheben.
Vertriebler, die kein Gefühl für angemessenes Verhalten, Kommentare und Tweets haben, oder sich nicht ausreichend über bestimmte Sachinhalte informieren, können sich und dem Unternehmen sehr schaden und potenzielle Kunden abschrecken. Oft liegen die Fehler jedoch nicht beim Vertriebler selbst, sondern im Management. Statt Wert auf den Kontext zu legen, setzen diese eine Quote für die Kontaktierung potenzieller Kunden als fixe Messlatte.
Einmal in Social-Media-Netzwerken aktiv, ist man in jeglicher Weise transparent für den gesamten Markt. Beschwerden und Kritik werden genauso wie Lob online schnell publik gemacht. Wenn man nicht rasch richtig reagiert, können so Leads Abstand vom betroffenen Anbieter nehmen oder gleich vom Wettbewerber abgeworben werden, da sich auch dieser in die Konversationen einschalten kann. Gleichzeitig kann der Wettbewerber auch vertrauliche Informationen sehen, welche für Leads publik gemacht werden, und entsprechend reagieren. Problematisch ist auch die Erwartungshaltung der Kunden in Bezug auf die Reaktionszeit des Anbieters auf Fragen und Beschwerden über Social Media. Empfehlenswert ist hierbei eine Reaktionszeit von unter einer Stunde. Nur so kann ein rasches Ausbreiten einer „Fehlleistung“ aus Kundensicht entgegengewirkt werden. Viele Unternehmen haben deshalb Vorsorge getroffen, um den sogenannten „Shitstorm“ im Keim zu ersticken. Bei ihnen steht mindestens ein Ansprechpartner täglich 24 Stunden zur Verfügung.

Abgeleitete Handlungsempfehlungen

Im Folgenden werden einige Hinweise dargestellt, um Social Selling intelligent anwenden zu können:

Datensammlung
Social Seller sollten wissen und nutzen, dass die überwiegende Mehrheit der B-to-B-Käufer insbesondere bei Webinars, White Papers und E-Books bereit sind bzw. bereits davon ausgehen, für den Erhalt des Contents Informationen wie Name, Unternehmen und E-Mail-Adresse anzugeben. Dies sollte man als Anbieter nutzen, um sofort erste Informationen über Leads zu erfahren und bei der Kontaktaufnahme sehr spezifisch auf die Kundenbedürfnisse eingehen zu können.

Wettbewerbsbeobachtung
Social Selling beinhaltet nicht nur, aktiv Kunden zu werben und zu binden, sondern auch den Wettbewerb nicht aus den Augen zu verlieren. Mit effizienter Nutzung von Social Media lässt sich der Wettbewerb leicht überwachen. So kann man bspw. Google Alerts einrichten, um bei Begriffen bezüglich der Wettbewerber wie z.B. deren Marken, Produkte und Schlüsselfiguren frühzeitig informiert zu werden. Auf Twitter kann man neben Kunden und Partnern auch den Wettbewerbern folgen. Außerdem kann man soziale Kanäle wie SlideShare und Scribd auf neu erstellte Präsentationen und Dokumente der Wettbewerber und deren nächsten Events überwachen.

Pro Minute werden 350 000 Tweets gesendet, 290 000 Facebook-Updates durchgeführt und 100 Stunden an Videomaterial in YouTube hochgeladen.

Social- und cloudbasierte Software-Tools
Um ein wirklich effizientes Social Selling gewährleisten zu können, empfiehlt sich der Einsatz von Social Tools. So können die Erfolgsmessung und eine schnellere Identifikation von Influencern optimiert werden. Auch können potenzielle Leads schneller identifiziert werden. Auf Anfragen und Erwähnungen kann rasch Bezug genommen und auch die eigene Reichweite kann vergrößert werden.
Auf der anderen Seite erlauben es cloudbasierte Software- Tools, die verschiedenen Netzwerke zusammenarbeiten zu lassen. So ist das gesamte Team immer über alle Vorgänge auf dem Laufenden. Social-Media-Management- Systeme ermöglichen es auch, dass das gesamte Vertriebsteam zusammenarbeitet, indem es sich ein Social-Network- Profil teilt. Externe soziale Netzwerke können so mit internen Communities verbunden werden. Andere Tools helfen dabei, Best Practices untereinander auszutauschen und Quellen zur Verkaufsanbahnung zu erhalten.

Content-Qualität und Zeitpunkt
Je mehr aussagekräftige und gezielte Inhalte der B-to-BAnbieter dem Lead zum richtigen Zeitpunkt bereitstellt, desto mehr Value schafft er für diesen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Verkaufsabschluss steigt. Denn letzten Endes entscheidet in der Pre-Sales-Phase eher der Inhalt des Anbieters als das Verkaufsgespräch an sich. (Vgl. Hootsuite Enterprise 2013, S. 7) Dabei ist es unerlässlich, dass der erzeugte Inhalt den Käufern dabei hilft, den Prozess der Kaufentscheidung werthaltig fortzusetzen. Gute Social Seller können den potenziellen Kunden helfen und informieren, ohne gleichzeitig von ihrer Unternehmenslösung zu sprechen. Das ist die „Champions League“! Der Content sollte dabei eine der folgenden Fragen beantworten können:

  • Löst der Inhalt ein Problem, was zuvor noch niemand gelöst hat?
  • Sind die Informationen exklusiv?
  • Bringt der Inhalt neue Erkenntnisse?
  • Provoziert oder regt der Inhalt an?
  • Ist der Inhalt emotional?

Die erste Kontaktaufnahme
Da man beim Versenden der LinkedIn-Kontaktanfrage häufig übersehen wird, sollte man für sich einen anderen Weg für die erste Kontaktaufnahme mit dem Lead entscheiden. Man könnte einen Beitrag in der gleichen Gruppe posten und darauf hoffen, dass der Kunde daraufhin anspringt, indem er gepostete Beiträge kommentiert. Generell sollte Kontakt erst dann aufgenommen werden, wenn man der Meinung ist, die Bedürfnisse des Leads treffsicher erkannt und dafür eine passende Lösung parat zu haben. Schließlich gilt das ausschließliche Interesse des Kunden der Lösung seines Problems.

Kerngedanken
  • Social Seller können höhere Kundenerneuerungsquoten und genauere Verkaufsprognosen vorweisen sowie eher die anvisierten Verkaufsquoten erreichen als Non-Social-Seller.
  • Soziale Medien werden von den Käufern als primäre Informationsquelle im Einkaufsprozess genutzt. Bei einer Kontaktaufnahme werden Unternehmen mit professionellem sozialen Auftritt bevorzugt.
  • Die Verwendung angemessenen Contents bildet neben dem Aufbau eines soliden Netzwerkes die wichtigste Säule des Social Selling.
  • Der große Vorteil des Social Selling sind die große und zielgenaue Reichweite, das Engagement der potenziellen Influencer bzw. Kunden und der Aufbau einer Basis loyaler Fans, die kontinuierlich mit Informationen bedient werden können.
Autorin(nen) / Autor(en):
Lehrstuhl für Marketing und Vertriebsmanagement, ESB BUSINESS SCHOOL REUTLINGEN
Prof. Schmäh Sales & Service Consulting
MSc International Business Development
ESB Business School, Reutlingen