Verlieren die Jungen die Lust am Auto?
Seit Jahren werden die Autos auf Deutschlands Straßen älter. Mittlerweile beträgt das Durchschnittsalter der Pkw 9,3 Jahre. Nur einmal konnte der Alterungsprozess in den letzten 22 Jahren aufgehalten werden. Das war kurz vor dem Crash der Finanzmärkte 2008 und kurz danach durch die staatliche Abwrackprämie von 2500 Euro im Jahre 2009. Ansonsten zeigt der Alterstrend des Pkw-Bestands nach oben.
Um stattliche 37 Prozent ergrauten unsere Pkw in den letzten 22 Jahren – trotz Abwrackprämie. Hatte der Pkw- Bestand auf Deutschlands Straßen im Jahre 1995 noch 6,8 Jahre im Schnitt „auf dem Buckel“, ist das Durchschnittsalter mittlerweile auf 9,3 Jahre angewachsen. Setzt sich der Trend fort, werden um das Jahr 2023 die Autos hierzulande im Durchschnitt zehn Jahre alt sein. Abb. 1 illustriert den Zusammenhang. Zwar wächst die Zahl der Pkw auf Deutschlands Straßen kontinuierlich, aber man fährt lieber mit dem alten durch die Gegend.
Die Innovationsfähigkeit unserer Autos scheint die Käufer wenig zu überzeugen. Echte Durchbruchsinnovationen – wie das Elektroauto – fehlen, also fährt man seinen Diesel weiter. In anderen Industrien – wie etwa bei dem Smartphones und Tablets – sieht das anders aus.
Dabei steigen seit Jahren die Incentives und Rabatte für Neuwagen. Die Autobauer schieben mit Eigenzulassungen den Markt an – und versuchen damit natürlich auch den Fahrzeugbestand zu „verjüngen“. In Deutschland gibt es quasi Null-Zinsen, die verfügbaren Einkommen stiegen seit 1995 deutlich, der Immobilienmarkt boomt und neigt stellenweise zur Blasenbildung, aber an neuen Autos haben die Deutschen wenig Interesse.
Gebrauchtwagenkäufer altern deutlich schneller
Analysiert man den Automarkt im Detail, erkennt man, dass in allen wesentlichen Teilmärkten – dem klassischen Neuwagenmarkt der Privatkunden, dem Gebrauchtwagenmarkt sowie dem Fahrzeugbestand – das Alter der Autokäufer bzw. Halter steigt. Die Autos werden länger gefahren, weil neue, „jüngere“ Autokäufer und -besitzer weniger Interesse zeigen. Ergebnis: Sowohl das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer als auch der Gebrauchtwagenkäufer steigt und zwar schneller als die demografische Altersentwicklung.
Am gravierendsten ist die Entwicklung unter den Gebrauchtwagenkäufern. Dieser Trend ist überraschend, wurde doch immer wieder behauptet, dass den jungen Autokäufern die „Preise“ davonlaufen und sie deshalb weniger Neuwagen kaufen. Auch das Argument, dass die Jüngeren verstärkt die Eigenzulassungen der Händler kaufen, also die jungen Gebrauchtwagen, ist bei der Altersanalyse der Gebrauchtwagenkäufer nicht wahrzunehmen.
Abb. 2 illustriert die Entwicklung. Im Zeitraum 1995 bis April 2017 ist das Durchschnittsalter der Gebrauchtwagenkäufer um 19,4 Prozent von 37,5 Jahren auf 44,8 Jahre gestiegen. Der klassische Neuwagenkäufer ist zwar ebenfalls gealtert, aber eben nicht ganz so stark. Von 46,1 im Jahre 1995 auf 52,8 Jahre bis April 2017. Das ist ein „Vergrauungs“-Effekt von 14,5 Prozent. Hatte im Jahre 1995 der Bundesbürger ein Durchschnittsalter von 40,0 Jahren, ist es bis 2016 auf 44,2 Jahre, also um 10,5 Prozent angestiegen. Im Jahre 1995 war der Gebrauchtwagenkäufer noch jünger als der Bundesschnitt. Jetzt ist er älter. Die Jüngeren halten sich beim Autokauf – gleichgültig ob Neuwagen oder Gebrauchtwagen – stärker zurück. Dem eigenen Auto fallen längerfristig die Kunden weg. Mit anderen Worten, die jungen Menschen verlieren die Lust am eigenen Auto.
Methusalem-Effekt: Der Autobesitzer ist in Deutschland 52,6 Jahre alt
Der Trend, dass junge Menschen das Interesse am eigenen Auto verlieren, wird auch an der nächsten Abb. 3 deutlich. Hier ist das Durchschnittsalter der Pkw-Besitzer in Deutschland dargestellt. Zusätzlich der Anteil der Besitzer, die „über 60 Jahre“ (Ü 60) alt sind.
Fast ein Drittel der Autobesitzer – genau 31,8 Prozent – ist in Deutschland über 60 Jahre alt. Zwar steigt der Pkw-Bestand hierzulande kontinuierlich – zuletzt auf 45,8 Millionen Pkw – aber eben die Älteren besitzen die Autos.
Fazit: Autobauer brauchen neue Konzepte
Autobauer brauchen mehr Anreize, um jüngere Menschen als Käufergruppe zurückzugewinnen. In den letzten 30 Jahren hat die Autoindustrie durch kontinuierliche Verbesserung, sprich inkrementelle Innovationen, Aufmerksamkeit erzeugt. Der Dieselantrieb ist nach wie vor das Maß der Dinge, der SUV die überwältigende Innovation. Ansonsten immer mal mehr PS, bessere Innenausstattung, netteres Design, noch mehr Karosserievarianten, bessere Sicherheitsausstattung – eben kontinuierliche Verbesserungen. Damit büßt das Auto ein. Radikale oder disruptive Innovations sieht man außer Tesla kaum. Das Auto bleibt im Großen und Ganzen was es immer war, nur eben ein bisschen besser. Der Vertrieb läuft in den alten Bahnen, das Autohaus sitzt im Gewerbegebiet, Internet ist für die freien Online- Börsen, die Automessen der Welt zeigen die bekannten Konzepte. Es sieht so aus, als würde der emotionale Kick zum Autobesitz immer stärker abhanden kommen.