Ungenutztes Potenzial – Frauen als Neuwagenkäufer
In Deutschland leben 81,8 Millionen Menschen. 41,8 Millionen oder 51 Prozent sind Frauen. Bei den Neuwagenverkäufen gilt das Umgekehrte. Zwei Drittel der Neuwagenkäufer sind Männer und nur 33,4 Prozent aller Neuwagen, die von Privatpersonen in Deutschland gekauft werden, gehen an Frauen. Die Autobauer kommen bei den Frauen nicht voran.
Mit Ausnahme des Abwrackprämien- und Kleinwagenjahrs 2009 dümpelt der Frauenanteil mit leicht über 30 Prozent vor sich hin. Im Jahr 2011 fiel der Frauenanteil gar um 0,8 Prozent auf 33,4 Prozent. Obwohl Frauen in den letzten 20 Jahren deutlich mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit gewonnen haben, bleibt das Potenzial von Frauen als Neuwagenkäufer wenig ausgeschöpft. Eine Ursache ist die stärkere Fokussierung der deutschen Autobauer auf größere und PS-stärkere Modelle sowie Kompakt-SUV und Vans. Diese Fahrzeuge werden von Frauen weniger geschätzt. Dies ergibt sich aus der Analyse der privaten Neuwagenverkäufe des Jahres 2011. Autohäuser, die überwiegend in Industriegebieten liegen, auf Technik fokussierte Kundenansprache bei Verkäufern scheinen zusätzliche Schwächen in den Vertriebssystemen zu sein. Die Autobauer nutzen ihre Marktpotenziale in gesättigten Märkten wie Deutschland nur unvollständig aus. Würden Frauen im gleichen Maß wie Männer Neuwagen kaufen, könnten bis zu 400 000 Fahrzeuge pro Jahr in Deutschland zusätzlich abgesetzt werden. Nur 33,4 Prozent aller im Jahr 2011 an Privatkunden verkauften Neuwagen gehen an Frauen. Im Jahr 2010 waren es noch 34,2 Prozent und im Abwrackprämienjahr 2009 wurde der höchste Wert der Frauen unter den Neuwagenkäufern gemessen (vgl. Tab. 1). In der Automobilindustrie gibt es nicht nur kaum Frauen im Management, es gibt auch wenig Frauen unter den Käufern. Möglicherweise hängt das eine mit dem anderen zusammen. So richten Männer die Automessen aus. Wer je über eine Automesse wie die Frankfurter IAA geht, erhält einen Eindruck davon, dass Autos eine Männerwelt sind. In großen Ausstellungshallen und langen Wegen wird man wohl kaum eine Frau dazu gewinnen, wie auf einer Einkaufsmeile zu flanieren. Zehn Kilometer Autos am Stück bringt Frauen nur wenig Freude. Ähnliches gilt für die Autohäuser, die eher in wenig attraktiven Industriegebieten und Randlagen der Städte liegen. Neue Systeme, wie Internet- Vertrieb, werden von den Autobauern nicht genutzt. Kundengespräche und Produktdarstellungen bei Autohändlern und Autobauern sind stark auf Technikdaten fokussiert und illustrieren damit wenig den Kundennutzen. Der gesamte Marketing-Mix in der Automobilindustrie scheint ein Männer-Mix zu sein und schöpft damit das Marktpotenzial der Branche nur unvollständig aus.
Mini ist die Frauenmarke und Ferrari die Männermarke
Selbst die meistverkaufte Marke in Deutschland, VW, schafft es nicht, sich bei Frauen besonders in Szene zu setzen. Während im Jahr 2010 VW noch leicht über dem Durchschnitt beim Frauenanteil lag, ist der Frauenanteil der Marke im Jahr 2011 auf 33,4 Prozent abgesunken. Nur Ford hat mit 33,5 Prozent einen leicht über dem Durchschnitt liegenden Frauenanteil unter den deutschen Automarken.
Importmarken sind die Lieblinge der Frauen. Deutsche Marken haben Männer als Stammkundschaft. Die Lieblingsmarke bei den Frauen ist Mini. 50 Prozent aller an Privatpersonen verkauften Mini- Neuwagen gehen an Frauen (vgl. Tab. 2). Die Marke Mini zeigt, dass mit emotionalorientierter Kommunikation und eigenständigen, designorientierten Kleinwagen Frauen sehr gut als Neuwagenkäufer gewonnen werden können. Die Marke Mini zeigt zusätzlich, dass ein Frauenauto nicht unbedingt billig sein muss. Bei Frauen gilt die Regel, je größer und wuchtiger, umso weniger Interesse haben Frauen an den Autos. Zweite Regel, reine PS-Protze sind bei Frauen verpönt. Und so überrascht es nicht, daß die Marken Ferrari, Jaguar, Mercedes, Volvo und selbst BMW von Frauen eher weniger geschätzt werden.
Die Marken Mini (50 Prozent) und Alfa Romeo (34,5 Prozent) zeigen, dass Frauen nicht unbedingt unsportliche Autos kaufen. Und Dacia (33,1 Prozent) und Lada (19,3 Prozent) zeigen, dass Frauen nicht nur billig kaufen. Es braucht also mehr Marken, die mit ihren Fahrzeugen stärker auf die Zielgruppe Frau zugeschnitten sind.
Kleinwagen mit hohen Anteilen weiblicher Käufer
Tabelle 3 zeigt, dass praktische Kleinwagen die Fahrzeuge mit den größten Frauenanteilen sind. Dabei zeigen die Modelle Mini (52 Prozent Frauenanteil), Fiat 500 (60 Prozent Frauenanteil), Toyota iQ (53 Prozent Frauenanteil) und Audi A1 (51 Prozent Frauenanteil), dass nicht nur der Preis im Vordergrund steht. Es ist also möglich, Frauen als Käufer für Neuwagen zu gewinnen, wenn das Produkt auf Frauen als Zielgruppe besser zugeschnitten ist.
Interessant auch, dass bei SUV, Vans, Kompakt- SUV und Kompakt-SUV der Frauenanteil geringer ist als bei vergleichbaren Fließheck-Fahrzeugen. Die Entwicklung der Autoindustrie zu mehr SUV ist also nicht unbedingt ein Trend, mit dem man mehr Frauen als Käufer gewinnt.
Die deutschen Autobauer haben bis auf ein paar Ausnahmen, wie den Ford Ka, Opel Corsa Mini, Ford Fiesta, VW Polo, Audi A1 deutlich weniger Modelle im Angebot, die „frauenaffin“ sind, im Vergleich zu den Importeuren. Um die Frauen als Neuwagenkäufer stärker zu gewinnen, braucht es nicht mehr PS, größere Karossen, zusätzliche Vans oder SUV, sondern eher praktische, flotte, schicke Kleinwagen.
Besonders jüngere Frauen mit weniger interesse an Neuwagen
Den Autobauern fehlen insbesondere die jungen Frauen. Das Durchschnittsalter der Frauen, die Neuwagen kaufen, liegt mittlerweile bei 48,4 Jahren. Das ist zwar jünger als der Durchschnitt von 51,3 Jahren, aber eben doch nicht mehr ganz jung. Nur zehn Prozent der Neuwagenkäufer unter den Frauen sind jünger als 30 Jahre. 22 Prozent der Neuwagenkäufer unter den Frauen sind über 60 Jahre alt. Dies illustriert das Problem der Autobauer. Man hat scheinbar kein griffiges Konzept, jüngere Frauen stärker für das Auto zu interessieren. Und die teuren Automobilmessen bewirken wohl eher das Gegenteil. Da jüngere Frauen deutlich stärker eigenständig berufstätig sind als ältere Frauen und damit über höhere Ausgabenbudgets verfügen, verhindert die Zurückhaltung dieser Käufergruppe das Ansteigen des Frauenanteils. Dies ist vergleichbar mit dem Phänomen, dass die Bedeutung von Autos für junge Menschen sinkt bzw. die Autoindustrie es nicht schafft, durch neue Produkte die Attraktivität bei jungen Menschen zu steigern.
„ Die Marke Mini zeigt, dass mit emotionalorientierter Kommunikation und eigenständigen, designorientierten Kleinwagen Frauen sehr gut als Neuwagenkäufer gewonnen werden können. “
Theoretisches Potenzial von bis zu 400 000 Neuwagenverkäufen
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 848 739 Neuwagen an Männer verkauft und 425 327 an Frauen. Hätten Frauen genauso viel Neuwagen gekauft wie die Männer, wären 423 000 Neuwagen mehr verkauft worden. Das zeigt das schlummernde Potenzial der Frauen als Neuwagenkäufer. Sicher ist dieses Potenzial nicht eins zu eins erschließbar, deshalb ist es ein „theoretisches“ Potenzial. Es zeigt aber die Möglichkeiten, die genutzt werden können, wenn sich die Branche besser auf die Zielgruppe Frau einstellt.