Schlechter informiert war gestern – Studie zum Status quo der Handelsmarktforschung
In der Vergangenheit dominierte in der Marktforschung im Konsumgüterbereich häufig die Ansicht, dass Konsumgütermärkte (FMCG) primär von der (Markenartikel-) Industrie erforscht werden und sich der Einzelhandel hinsichtlich der Marktkenntnisse in der Rolle des schlechter Informierten befindet. Auch basierten wesentliche Entscheidungen häufig mehr auf Bauchgefühl und „Trial and Error“ als auf systematischer Marktforschung. Wie der Handel heute selbst zum Thema Marktforschung steht und welche Konsequenzen dies für Markenartikelunternehmen und Marktforschungsinstitute hat, haben die marktforschenden Berater von plan + impuls in ihrer Studie zum Status quo der Handelsmarktforschung untersucht.
Um sich dem Thema Handelsmarktforschung anzunähern, galt es zunächst, sich die grundsätzliche Lage des deutschen Einzelhandels zu vergegenwärtigen. Unbestritten ist, dass die Handelslandschaft in Deutschland so wettbewerbsintensiv ist, wie in kaum einem anderen Land: Demografischer Wandel, verschärfter Preiswettbewerb und weniger Einkäufe am stationären PoS – zum Teil auch durch die Verlagerung ins Internet bedingt – stellen den Handel zunehmend vor neue Herausforderungen. Doch welche konkreten Anforderungen stellen Handelsunternehmen an die Marktforschung und an Forschungsinstitute? Über 80 Top-Handelsentscheider aus dem deutschsprachigen Raum liefern in der aktuellen Grundlagenstudie zum Status quo der Handelsmarktforschung Antworten auf diese und weitere interessante Fragestellungen. Die Befragten stammen sowohl aus unterschiedlichen Funktionsbereichen, insbesondere dem Einkauf/Category Management, der Marktforschung oder dem Vertrieb, als auch aus unterschiedlichen Handelsbranchen, vorrangig aus dem Lebensmitteleinzelhandel und -großhandel.
Status quo Handelsmarktforschung
Eines steht fest: „Schlechter informiert“ ist der Handel schon lange nicht mehr. 85 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen aktiv Marktforschung betreibt, d.h., dass Studien selbst in Auftrag gegeben bzw. durchgeführt werden. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen verfügen darüber hinaus über eine eigene Marktforschungsabteilung. Bei der Frage danach, welche internen Auftraggeber in Handelsunternehmen am häufigsten Marktforschungsstudien initiieren, wurden vorrangig die Abteilungen Marketing/Werbung (39 Prozent), die Geschäftsführung (26 Prozent) und Einkauf/Category Management (22 Prozent) genannt.
Die Disziplin der Marktforschung im Handel wird zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen, davon sind 75 Prozent der befragten Handelsentscheider überzeugt.
Aber schon der Begriff Handelsmarktforschung per se wird in Branchenkreisen sehr unterschiedlich interpretiert: Während 79 Prozent der Befragten eher anwendungsorientiert spezifische Einsatzgebiete und Lösungsansätze mit dem Thema assoziieren, denken 37 Prozent der Befragten zunächst an spezielle Marktforschungsmethoden. Einigkeit herrscht dagegen hinsichtlich der Relevanz möglicher Studieninhalte: Der Großteil der Befragten wünscht sich Informationen zum Themenfeld Sortimente/Kategorien, zur Kundenzufriedenheit, zur Konkurrenz und zur Unternehmenspositionierung. Die befragten Handelsentscheider vertreten zudem mit deutlicher Mehrheit die Meinung, dass die Handelsmarktforschung zum permanenten Erfolg von Handelsunternehmen beiträgt und sich durch diese konkrete Wettbewerbsvorteile schaffen lassen. Insbesondere das Category Management des Handels ist an fundierten Shopper Insights interessiert. Darüber hinaus sind mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung, dass der Handel zukünftig im Bereich Shopper Research die führende Position einnehmen wird. Ein beachtliches Ergebnis, wenn man sich vor Augen führt, welche Entwicklungen dies mit sich ziehen könnte und vor dem Hintergrund, dass der Bereich Shopper Insights seit Längerem ein klassischer Forschungsschwerpunkt bei Herstellerstudien ist.
Trends in der Handelsmarktforschung
Auf die Frage nach den Marktforschungsmethoden der Zukunft antworteten die befragten Handelsentscheider sehr vielseitig: Klassische Forschungsansätze wie Kundenbefragungen am PoS und Bon-Datenanalysen wurden ebenso genannt wie neuere Methoden wie z.B. Online-Fokusgruppen/Blogs oder Big-Data-Auswertungen. Viele der Befragten konnten oder wollten jedoch auch gar keine Einschätzung über konkrete, zukünftig relevante Methoden abgeben, was sich gut in das Bild der im Handel stark ausgeprägten Themenund Ergebnisorientierung einfügt.
„ Fundiertes Wissen über die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten und die Motivation ihres Kaufverhaltens lassen sich am PoS einfacher in die Praxis umsetzen, wenn Hersteller und Handel sich auf ihre gemeinsamen Kunden fokussieren. “
Die Erwartungshaltung von Handelsunternehmen an die Institute ist hingegen eindeutig. So sollte bei der Kommunikation der Ergebnisse auf eine themenbasierte, handlungsorientierte Sprache geachtet werden. Gerade die Verantwortlichen im Handel wollen keine umfangreichen Ansammlungen von Balkencharts, sondern kompakte und praxisnahe Handlungsempfehlungen, die auf fundiertem Warengruppen- Know-how basieren.
Konsequenzen und Chancen für Markenartikelunternehmen
Der Handel hat im Bereich Marktforschung zumindest deutlich aufgeholt und verfügt über sehr klare Vorstellungen dazu, wie z.B. Shopper Insights aussehen und wie diese interpretiert werden sollen. Handelsunternehmen, die bisher noch nicht selbst aktiv Marktforschung betrieben haben, nennen vorrangig Kosten sowie die bewusste Nutzung von Industrie-Studien als Gründe für ihre Zurückhaltung. Aus dieser Gesamtlage ergeben sich gute Möglichkeiten insbesondere für kooperative Ansätze zwischen Handels- und Herstellerunternehmen in diesem Bereich. Fundiertes Wissen über die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten und die Motivation ihres Kaufverhaltens lassen sich am PoS einfacher in die Praxis umsetzen, wenn Hersteller und Handel sich auf ihre gemeinsamen Kunden fokussieren. Letztendlich profitieren alle davon: der Handel, die Markenartikelunternehmen und vor allem die Shopper, die bei allen Maßnahmen im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.