Nur vom Allerfeinsten

Nur vom Allerfeinsten

Extrem kaufkräftig und anspruchsvoll: Die Konsumenten von Luxusgütern sind eine begehrte Zielgruppe, die unabhängig von der Konjunktur einen gehobenen Lebensstil pflegt. Das Marketing für Premium-Produkte ist jedoch eine Wissenschaft für sich.

Mit dem Supersportwagen Gallardo landete die Edelschmiede Lamborghini im vergangenen Jahrzehnt einen Volltreffer: Insgesamt mehr als 14 000 Fahrzeuge (Kaufpreis: rund 180 000 Euro) setzte die italienische Audi-Tochter zwischen 2003 und 2013 ab. Auch der Nachfolger Huracán hat gute Chancen, ein Bestseller im Hochpreis-Segment zu werden: Nach 130 Prewiews vor ausgewählten Kunden in über 60 Städten weltweit gingen Anfang 2014 Hunderte von Bestellungen in Sant’Agata Bolognese ein. „Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Auslieferungen der Modelle Huracán und Aventador am Jahresende 2014 über dem Vorjahreswert von 2121 Einheiten liegen wird“, betont Lamborghini-Unternehmenssprecher Gerald Kahlke.
Nicht nur der exklusive Autobauer fährt auf Rekordkurs: Trotz der Wirtschaftskrise schraubte der Premium-Weltmarktführer Moët Hennessy Louis Vuitton (LVMH) im ersten Halbjahr 2014 den Umsatz um drei Prozent auf 14 Milliarden Euro hoch. Auch bei den Luxuskonzernen Hermès und Prada knallten nach Jahren der Umsatz- und Gewinnsteigerungen erneut die Champagnerkorken. Der andauernde Boom basiert auf der wachsenden Zahl der Superreichen von Monaco bis Beijing, die sich auch in schwierigsten Zeiten nur das Teuerste und Feinste gönnen: Laut der Studie Lens on the Worldwide Luxury Consumer der internationalen Managementberatung Bain & Company hat sich die Zahl der Konsumenten von Luxusartikeln von rund 90 Millionen im Jahr 1995 auf 330 Millionen Ende 2013 weltweit mehr als verdreifacht. Jedes Jahr, so die Analyse, erschließen zehn Millionen neue Kunden den Markt für Luxuswaren für sich.
„Fakt ist, dass das Interesse an Premium-Produkten immer mehr steigt. Qualität steht schließlich auch für Langlebigkeit und Beständigkeit, und die Ausgabebereitschaft für Individualität ist daher sogar gestiegen“, beobachtet denn auch Andrea Stoller-Volz, Media Supervisor bei der Agentur Optimedia in Frankfurt. Die Folgen für das Marketing sind klar: „Die Zielgruppe genießt es, in den Genuss außergewöhnlicher Angebote zu kommen und genau so müssen Strategien entwickelt werden“, empfiehlt die Mediaexpertin. Um die Neugier auf den Huracán zu wecken, setzte beispielsweise Lamborghini zunächst auf einen Mix aus multimedialen Vorabinformationen im Internet („Hexagon Project“) und exklusiven Veranstaltungen im kleinen Kreis von Auserwählten, bis das 610 PS starke Geschoss beim Genfer Autosalon 2014 schließlich mit großem Pomp öffentliche Weltpremiere feierte.
Das hautnahe Erlebnis von Luxusprodukten ist traditionell ein Königsweg im Premium-Marketing. Der Verlag Condé Nast (Vogue, Vanity Fair oder GQ ) etwa veranstaltet im April 2015 erstmals die „International Luxury Conference“ im Palazzo Vecchio in Florenz. Trotz gesalzener Eintrittspreise (netto 2350 britische Pfund für Frühbucher) soll die Veranstaltung zum „must rendezvous for luxury business“ werden. Die Chancen stehen nicht schlecht: Edelmagazine zählen von jeher zu den bevorzugten Werbeträgern in der Premium-Vermarktung und verfügen über entsprechend gute Drähte in die Branche. „Das Medium Print wird nach wie vor von Relevanz sein“, ist sich Andrea Stoller-Volz sicher. „Wichtig ist jedoch, dass die Magazine ein hohes Maß an redaktioneller Qualität und qualitativer Haptik gewähren“, fügt die Optimedia- Managerin hinzu, die einen „enormen Zuwachs an Specials jeglicher Art“ beobachtet.
Neben Sonderveröffentlichungen zu teurem Schmuck oder Uhren, die demnach mittlerweile bei fast allen relevanten High-End-Magazinen etabliert seien, liegen Luxusbeilagen schwer im Trend. Das Supplement Splendid des Manager-Magazins oder die Beilage Icon der Welt-Gruppe etwa schrauben die Erscheinungsfrequenz deutlich hoch, während das Handelsblatt im Oktober erstmals ein eigens entwickeltes Magazin auf den Markt gebracht hat. „Strategie besteht aber nicht nur darin, sich an vorgegebenen Themen anzudocken“, warnt Andrea Stoller-Volz. „Zumal dann die Darstellung von Luxus leicht einen überfüllten Eindruck hinterlässt und die individuelle Marke dann schnell auch eine von vielen sein kann.“ Entsprechend außergewöhnlich muss daher der Auftritt sein. Der Uhrenhersteller IWC zum Beispiel buchte kürzlich in Boote Exclusive ein hochwertiges AdSpecial in Form einer transparenten Folie. „Unsere Themenwelten bieten einen tollen Rahmen, um die eigene Marke beziehungsweise Luxusmarke zu präsentieren“, trommelt Ann Katrin Richard, Leiterin Media Sales Markenartikler & Media Solutions beim Delius Klasing Verlag, und verweist selbstbewusst auf die „extrem einkommensstarke und markenbewusste Zielgruppe“ des Magazins für den Yachten-Fan.

Fakt ist, dass das Interesse an Premium- Produkten immer mehr steigt. Qualität steht schließlich auch für Langlebigkeit und Beständigkeit, und die Ausgabebereitschaft für Individualität ist daher sogar gestiegen. Andrea Stoller-Volz, Media Supervisor bei Optimedia

Als Werbeträger bieten sich zudem Special-Interest- Titel aus den Gattungen Architektur, Kunst und Kultur an sowie anspruchsvolle Frauenzeitschriften. Die monatliche Cosmopolitan etwa vereint sehr robuste Auflagenzahlen mit crossmedialen Konzepten für Luxushersteller. Auch Events spielen eine tragende Rolle: Der Uhrenhersteller EBEL veranstaltet mit Cosmopolitan einmal jährlich auf der Wies'n in München eine exklusive Produktvorstellung. „Es geht nicht um entweder oder, sondern um eine sinnvolle Integration von digitalen und klassischen Konzepten“, erläutert Stefan Raab, Director Marketing des Vermarktes MVG Premium. Denn: „Im Luxussegment wird Print immer eine wichtige Rolle spielen.“
„Der entscheidende Faktor ist die sehr gute Zielgruppensteuerung von Print, um Markenwelten zu transportieren“, erläutert Jens Barczewski, Head of GfK Digital Market Intelligence Germany & Switzerland, der für die Digitale Luxus Studie 2014 das Kaufverhalten von Premium-Kunden analysiert hat. Zugleich, so der Marktforscher, werden Luxuskäufer aus den Bereichen Mode, Schuhe, Accessoires, Kosmetik und Uhren immer „hybrider“: Sie nutzen das Internet zunehmend intensiv zur Information und zum Gelegenheitskauf, bleiben dabei zugleich ihren Lieblingsmarken und dem Fachhandel treu. Auch eine Gemeinschaftsstudie von Roland Berger und dem Meisterkreis zeigt, dass das Internet die High-End-Branche umkrempelt. „Immer mehr hochwertige Produkte werden online gekauft“, lautet das Fazit der Studie.
Das führt bei so manchem Unternehmen zu einem radikalen Kurswechsel: Der Luxuskosmetik-Hersteller être belle etwa hat seine Produkte 30 Jahre lang exklusiv über Fachkosmetikerinnen vertrieben, bevor 2013 mit eigenen Concept-Stores im Internet auch ein Angebot für Endverbraucher aus der Taufe gehoben wurde. „Luxuskosmetik wirbt nur in den gehobenen Medien und genau dort findet auch die PR statt“, beschreibt Martina Biesterfeldt von der ad publica Public Relations die Markenstrategie ihres Kunden être belle. „Bei der Medienansprache arbeiten wir mit sehr spitzen Verteilern. Das heißt: Aktiv wird nur die gehobene Lifestyle-Presse angesprochen“, hebt die Prokuristin und Business-Development- Direktorin hervor.
Optimedia-Managerin Andrea Stoller-Volz sieht zwar ebenfalls einen wachsenden Zuspruch für Online- Angebote. „Aber auch hier ist es oberste Priorität, die Marke nicht zu verwässern, sondern die Umfelder, in denen sich die Zielgruppe bewegt, genau zu analysieren und somit den exklusiven und affinen Charakter zu bewahren.“ Diese Mediastrategie gilt indes nicht nur für Online-Angebote, sondern vor allem für das Massenmedium Fernsehen mit seiner breiten Ansprache der gesamten Bevölkerung. Die TVVermarkter argumentieren daher mit der aus ihrer Sicht deutlich höheren Wirkung der Spots: Bei der gestützten Werbeerinnerung, so eine Forsa-Studie, liegt Fernsehen mit einem Index von 240 weit vor den Zeitschriften.

Luxuskosmetik wirbt nur in den gehobenen Medien und genau dort findet auch die PR statt. Aktiv wird nur die gehobene Lifestyle-Presse angesprochen. Martina Biesterfeldt, ad publica Public Relations, für den Kunden être belle

In einer Analyse der Zuschauerstruktur im Werbeblock hat die ProSiebenSat.1-Gruppe zudem einen Vergleich mit den Programmen von ARD und ZDF gezogen. Demnach liegt der Anteil der wohlhabenden Zuschauer bei den Privatsendern mit 18,3 Prozent klar über dem der öffentlich-rechtlichen Sender (15,7 Prozent). Noch deutlicher fällt der Strukturvergleich bei Erwachsenen mit höherer Bildung aus: Hier kommt die ProSiebenSat.1-Gruppe auf einen Anteil von durchschnittlich 50,7 Prozent (ARD/ZDF: 42,9 Prozent). Den Kunden aus dem Luxussegment – unter anderem Marc Cain, Shiseido oder Omega – bietet ProSiebenSat.1 mit den Topic Breaks auch thematische Kurzwerbeblöcke an, die auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten sind.
Auch wenn die Marketingbudgets der Hersteller von Yachten oder Nobelkarossen nur schwer für das Fernsehen gewonnen werden können, ist die Positionierung der TV-Sender im Premium- Segment eine zentrale Strategie. Denn neben der Zielgruppe der „Ultra High Net Worth Individuals“ gibt es in den entwickelten Gesellschaften ein beachtliches Potenzial für hochwertige Güter. Hin und wieder, hat zum Beispiel die GfK Lifestyle Research herausgefunden, möchte sich rund ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung bewusst die allerbeste Qualität leisten. Dieser hybride Konsum – heute Aufschnitt bei Aldi, morgen Kaviar bei Käfer – ist eine immense Herausforderung für das Marketing. Aber zugleich auch eine echte Chance, die Zielgruppen für Luxus deutlich zu erweitern.

 

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