Lead Management

Lead Management

Lead Management befasst sich damit, wie Unternehmen ihre Kunden von ersten Interessen und Handlungen bis zum Kauf führen. Es handelt sich um ein klassisches Thema von Marketing und Vertrieb.

Lead Management befasst sich damit, wie Unternehmen ihre Kunden von ersten Interessen und Handlungen bis zum Kauf führen. Es handelt sich um ein klassisches Thema von Marketing und Vertrieb. Erstens fordert aber dieses Thema permanent jeden Anbieter heraus. Die Prozesse des Kunden werden eher länger und sie sind durch viele Kanäle und Instrumente beeinflusst. Zweitens ist die Diskussion des Lead Managements ein kontroverses Thema zwischen Marketing und Verkauf. Drittens bieten Softwareunternehmen neue Produkte im CRM an, um den Prozess zu erfassen und zu optimieren. Deshalb lohnt es sich, Lead Management als Thema aufzugreifen. Dieser Beitrag konzentriert sich auf das Business-to-Business-Marketing, obschon sich manche Hinweise auf das Business-to-Consumer übertragen lassen.

Leads als Prozess

Leads werden als Prozess dargestellt, wie Abbildung 1 zeigt. Dabei geht es darum, die Prozesse von Kunden und Unternehmen zu verzahnen. Die üblichen Phasen in Unternehmen oder der Sales Funnel von Interesse bis Kauf (frei nach der alten Formel Attention, Interest, Desire, Action) sollten sich besser auf die vielfältigen Wege des Kunden beziehen.

Kernfragen zum Lead Management

Einige Kernfragen zum Lead Management lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bei welchen Kunden ist die Erfolgschance besonders gut? Wie lassen sich die attraktiven Kunden schrittweise zum Kauf führen? Wie oft und wo verlieren wir den Kunden auf seinem Weg mit uns (wo zweigt er ab zum Wettbewerb, wo verschiebt er Käufe oder bricht sie ab)? Wie viele (potenzielle) Kunden gilt es zu bearbeiten, damit sich schließlich die angestrebten Ergebnisse für Umsätze und Erträge erreichen lassen? Wie lässt sich der Kunde schr it tweise enger an das Unternehmen binden? Wie arbeiten Marketing und Verkauf erfolgreich im Lead Management zusammen? Wichtige Inhalte sind die Schritte der Kunden, die Konversion zwischen sich folgenden Schritten und der Abschmelzverlust, kritische Hebel im Kundenprozess sowie Kennzahlen für jeden Schritt. Kurz, es handelt sich um eine grundlegende und permanente Aufgabe für Marketing und Vertrieb. Es gilt, die professionellen Antworten und Lösungen zu bestimmen.

Leads als Herausforderung

Verschiedene Herausforderungen prägen den Umgang mit Leads in Unternehmen:

1. Aufwand und Erfolgschance:
Mit Lead Management wollen Unternehmen ihre Bemühungen für ergiebige Kunden fokussieren. Dabei versuchen sie einzuschätzen, wie attraktiv die Kunden sind, und wie wahrscheinlich es ist, mit dem Kunden abzuschließen. Der Aufwand soll in gutem Verhältnis zum angestrebten Geschäft stehen. Leider bleibt diese Einschätzung besonders im Bereich Business-to-Business oft unzuverlässig und Überraschungen sind häufig.

2. Vielfältige Wege des Kunden:
Die Kunden bewegen sich nicht linear oder logisch. Das ist mit den vielfältigen Zwischenstufen und Verzweigungen der Wege im oberen Teil der Abbildung 1 angedeutet (umfassend Rutschmann/Belz 2014). Der Kunde kann auch spontan kaufen oder er lässt zwischen einzelnen Schritten ohne weiteres mehrere Wochen verstreichen. Deshalb bilden vier bis sechs Verkaufsphasen diese Wege keinesfalls ab und erlauben auch nicht, die Hebel und Schwerpunkte im Kundenprozess zu bestimmen, um mit Marketing und Vertrieb wirksam anzusetzen.

3. Neues Geschäft aufbauen und abschließen:
Die Trefferquote für bestehende Kunden und bestehende Leistungen ist immer weit höher und die Wege sind kürzer als für Neues. Wer sich nur an raschen Umsätzen und Erträgen orientiert, wird deshalb versäumen, neue Kunden und Märkte aufzubauen.

4. Arbeitsteilung:
Die Leads von Kunden werden von Marketing und Vertrieb gemeinsam geführt. Grundsätzlich sollte das breite Marketing besonders die ersten Phasen des Kunden zum Kauf gestalten, während der Vertrieb erst später übernimmt und damit seine teuren Ressourcen besser nutzt. Verbreitet sind aber gegenseitige Vorwürfe: Das Marketing beschuldigt den Verkauf, die gelieferten und wertvollen Leads (also echte Rosinen von Kundenkontakten) nicht weiter zu verfolgen, sondern sich nur in der Komfortzone der bestehenden Kunden zu bewegen. Der Vertrieb beklagt sich über den Schrott an Leads vom Marketing. Die vorgegebenen Leads lassen sich nach Aktionen des Marketings nicht im vernünftigen Zeitraum abarbeiten. Die bezeichneten Kunden sind zudem noch viel zu weit von einem Kauf entfernt oder auch häufig uninteressiert (vielleicht weil sie sich nur an einem Wettbewerb beteiligen wollten). Auch meint der Verkauf, genügend Prioritäten bei Kunden selbst zu erkennen, die er mit mehr Spielraum auch verfolgen würde. Während also das Marketing im Prozess von Abbildung 1 nur bis zum Balken 1 vorstößt, verlangt der Verkauf die qualifizierten Leads ab Stufe 2. Darin liegt ein verbreitetes Missverständnis zwischen Marketing und Vertrieb, wenn sie Leads beurteilen.

5. CRM: Teile der CRM-Lösungen sind frühere Kontakte mit Kunden, beteiligte Personen bei Kunden an verschiedenen Standorten, bisherige Geschäfte, Kampagnen, Einschätzungen des Kunden durch den Verkauf und vieles mehr. Auch Kaufstufen und Konversionsraten sind oft erfasst. Im Lead Management gilt es, diese Daten richtig auszuwerten und zu nutzen. Auch hier spielt eine Rolle, wie Bedürfnisse und Beiträge von Vertrieb und Marketing zusammenspielen. Die Möglichkeiten des CRM auch zu nutzen, fordert heraus (Belz/Mussak 2016).

Erst die Realität der Kundenprozesse ist eine wirksame Basis für das Lead Management.

6. Professionalisierung:
Zwar sprechen die Verantwortlichen selbstverständlich über Customer Experience, Customer Journey oder Touchpoints, nur hat sich damit die Distanz zu realen Kundenprozessen oft nicht maßgeblich vermindert. Von der eigenen Abstimmung der multiplen Kanäle zu koordinierten Touch- points, zu kundenprozessorientiertem Marketing und Verkauf bis zur Gestaltung innovativer und attraktiver Kundenprozesse ist der Weg recht weit und anspruchsvoll (Belz 2016b).

Die Geschäfte für Business-to-Business sind differenziert. Im Extrem lässt sich das standardisierte Produktgeschäft vom Lösungsgeschäft unterscheiden (Weibel 2014). Während Produkte mit wenigen Kundenkontakten verkauft werden, verfolgen Anbieter für komplexere Lösungen eigentliche Projekte bei Kunden mit mehreren und aufwendigen Zwischenschritten in Akquisition, Abschlussphase und nach dem Kauf.

Analysen

Es genügt nicht, die Kaufphasen des Kunden zu konzipieren. Erst die Realität der Kundenprozesse ist eine wirksame Basis für das Lead Management. Zwei Ansätze stehen dabei im Vordergrund:

1. Analytics:
Eine umfassende Datenbasis und moderne Methoden der Auswertung erlauben es, typische Muster im Kaufverhalten der Kunden zu bestimmen. Diese Muster sind zwar vergangenheitsorientiert, aber oft erstaunlich robust und gut abgestützt. Beispielsweise lässt sich beantworten: Welche Aktivitäten des Kunden gehen seinem Wechsel des Lieferanten voraus? Welche Kunden sind besonders affin für Serviceleistungen? Welche Produkte kombiniert der Kunde? Welche Kunden wählen die teureren Leistungen? Solche Antworten sind ergiebig. Nur fehlen im Bereich des Business-to-Business oft genügend große Fallzahlen, um vernünftig statistisch auswerten zu können. Quantitativ spielen auch Key-Performance-Indicators eine Rolle, sie reichen von Aufwandgrößen bis zur Trefferquote (umfassend zur Trefferquote Belz 2016c).

2. Reale Kundenprozesse:
Eine Analyse von erfolgreichen und erfolglosen Kaufprozessen des Kunden ist eher auf einzelne Fälle ausgerichtet. So ist es beispielsweise bereits ergiebig, je fünf „lost orders“ und gewonnene Aufträge aus Sicht des Kunden und des eigenen Unternehmens (bezogen auf eine Sparte) zu analysieren. Zwar beteiligen sich aus Kunden- und Anbietersicht meist verschiedene Personen in den sogenannten Buying- oder Selling-Centers, aber es ist pragmatisch, auf jeder Seite nur eine oder zwei führende Beteiligte einzubeziehen. Ziel ist es dabei, die Schritte zum Kauf im Detail zu erfassen (und dabei auch beteiligte Personen zu benennen). Bereits bei Gebrauchsgütern brauchen Kunden 30 bis 50 Schritte zum Kauf. Entsprechend viele Zwischenstufen sind im Bereich Business-to-Business anzutreffen.

Leider entstehen ohne konkrete Prozessanalysen oft maximale Wunschprogramme. Sie taugen wenig für konkrete Prioritäten der Marktbearbeitung.

Erst eine hohe Auflösung erlaubt es, eingespielte Erklärungen im Unternehmen zu durchbrechen und neue Hebel im Kundenprozess zu identifizieren, an denen sich im Lead Management mit Marketing und Vertrieb ansetzen lässt. Kaum ergiebig sind Begründungen des Kunden zu Einkaufskriterien oder Interpretationen zur neuen Ausrichtung von Beschaffungen (ausführlich Rutschmann/Belz 2014).

 

Manche Unternehmen führen bereits Analysen von gewonnenen und verlorenen Aufträgen durch. Bisher scheinen diese aber häufig zu oberflächlich. Allzu oft den zu hohen Preis für verlorene Aufträge anzugeben, greift zu kurz. Manchmal ist es zweckmäßig, aus Kunden- und Anbietersicht mindestens Critical Incidents zu erfassen – was hat begeister t und was geärger t? Solche Extremaussagen sind oft auf dem Punkt und damit ergiebig. Manche Unternehmen gewichten in Fällen von Erfolg und Misserfolg auch intensive Gespräche mit Kunden zum Debriefing. Klassische Forschungen zur Kundenzufriedenheit oder allgemeine Marktforschungen können die Basis mindestens abrunden.

Kunden zum Kauf führen

Die gründlichen Analysen von Lost Orders und gewonnenen Aufträgen in verschiedenen Segment- und Ländergruppen führen zu einer langen Liste von verschiedenen Herausforderungen, etwa im Verhalten von Kunden und des Anbieters, in der Zusammenarbeit innerhalb der Kunden- und Anbieterorganisation, in Preisen und Leistung.
Eine mögliche Liste mit möglichen Verfehlungen oder Stärken ist bereits geeignet (vgl. Abbildung 2), um Verbesserungen zu bestimmen. Leider entstehen aber ohne konkrete Prozessanalysen oft maximale Wunschprogramme. Sie taugen wenig für konkrete Prioritäten der Marktbearbeitung.
 



Erfolgskriterien für Aufträge
  • Know-how über Kunden: Leistungen des Unternehmens mit Geschäftsmodellen, Strategien und Absichten des Kunden verbinden. Unternehmensziele und individuelle Ziele der Beteiligten beim Kunden berücksichtigen.
  • Beschaffungskonkurrenz: Alternative Beschaffungen, Investitionen oder Prioritäten einschätzen.
  • Präsenz: Proaktiv am Ball bleiben.
  • Zuverlässigkeit: Eingehaltene Termine und Versprechen einlösen.
  • Hartnäckigkeit: Commitment, Kampf um neue Lösungen, weiter trotz „Nein“ des Kunden und nachfassen.
  • Zugang: Die richtigen Personen erreichen; „Kämpfer“ für uns als Lieferant gewinnen.
  • Sympathie und Beziehung: Tragfähige Beziehungen zum Kunden und beteiligten Personen passen zusammen.
  • Leistung und Preis: Wirtschaftliche Lösungen für den Kunden und den Anbieter entwickeln.
  • Vorteil gegenüber Wettbewerb: Relevante Leistungs- und Emotionsvorteile gegenüber Wettbewerbern realisieren.
  • Unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit: Geeignete Möglichkeiten für Kunden vorschlagen, um aus unserem Angebot (zu verschiedenen Preisen) zu wählen.
  • Innovation: Neue und relevante Perspektiven sowie Lösungen für Kunden einbringen.
  • Unterstützung: Die richtigen Personen des Kunden im Prozess entlasten und unterstützen.
  • Zusammenspiel: Zwischen eigenem Vertrieb, Marketing, Technik und Service für den Kunden effizient (und international) zusammenarbeiten.
  • Überbetriebliche Zusammenarbeit: Gezielte und effiziente Zusammenarbeit mit ergänzenden Lieferanten, um dem Kunden eine umfassende Lösung zu bieten.
  • Gespräche: Spannende persönliche und fachliche Gespräche gestalten, die den Kunden zum Kauf führen.
  • Offerte: Qualifizierte Offerten für die direkt und indirekt Beteiligten bei Kunden abgeben.
  • Teile: Den Auftrag auf attraktive Teilaufgaben für uns und den Kunden konzentrieren.
  • Präsentation: Leistungsfähigkeit des Unternehmens direkt und indirekt überzeugend präsentieren.
  • Verhandlung: Verhandlungsstil und -ergebnisse, welche die Interessen von Anbieter und Kunden (genügend) einschließen.
  • Einkaufs-/Verkaufsbedingungen: Vernünftigen Kompromiss zwischen Verkaufsbedingungen des Anbieters und Einkaufsbedingungen des Kunden erreichen.
  • Zukunft: Türe für zukünftige Zusammenarbeit bei aktueller Absage offen lassen (z.B. interessantes „Nebenangebot“).


Quellen

Belz, Ch. (2016a): Offerten und Kundenpräsentationen optimieren, in: Sales Management Review, Nr. 2, S. 86–93.

Belz, Ch. (2016b): Customer-Journey – Qualifikation für Kundenprozesse, in: Marketing Review St. Gallen, Nr. 3, S. 888–895.

Belz, Ch. (2016c): Höhere Trefferquoten im Verkauf, erscheint in: Sales Management Review, Nr. 4.

Belz, Ch. et al. (2016): Value Selling, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel. Belz, Ch./Mussak, P. (2016): Den Nutzen des CRM-Systems steigern, in: Sales Management Review, Nr. 1, S. 64–68.

Macdonald, E.K. et al. (2016): How Business Customers Judge Solutions: Solution Quality and Value in Use, in : Journal of Marketing, Vol. 80, Mai 2016, S. 96–20.

Rutschmann, M./Belz, Ch. (2014): Reales Marketing, Stuttgart: Schaeffer-Poeschel. Tuli, K. R. et al. (2007): Rethinking Customer Solutions: From Product Bundles to Relational Processes, in: Journal of Marketing, Vol. 71, July 2007, S. 1–17.

Weibel, M. (2014): Vertrieb im Industriegütergeschäft – Untersuchung erfolgskritischer Faktoren nach Geschäftstypen, Wiesbaden: Springer Gabler.


 

Das Institut für Marketing an der Universität St.Gallen (HSG)

Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).

In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.

Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (Springer Verlag) gefördert.

In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.

Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University auszeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Ordinarius für Marketing des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen
Universität St. Gallen