Kundenfälle als Instrument in Marketing und Vertrieb

Kundenfälle als Instrument in Marketing und Vertrieb

Stärke mancher Unternehmen ist es, dass sie sich auf ein großes Repertoire stützen, um unterschiedlichste Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen. Beispiele reichen von Maschinen, Beratungen bis zum Innenausbau; im extremen Fall ist jeder erfüllte Kundenauftrag einzigartig.

Es ist anspruchsvol l, vielfältige Leistungen für vielfältige Kunden zu kommunizieren. Kundenfälle und damit Referenzen sind ein wichtiger Ansatz dazu, werden aber oft recht lieblos genutzt. Sie können ein sehr wirksames Instrument für Marketing und Vertrieb sein. Gleichzeitig sind sie ein Lernfeld für die eigenen Beteiligten in Kundenprojekten, fördern den internen Austausch und setzen indirekte Akzente für erfolgreiche Kundenprojekte.

Kundenfälle als Instrument

Kundenfälle zeigen die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sehr spezifisch und differenziert. Wie für jede andere Kommunikation gilt es dafür, die Stoßrichtung, die externen und internen Zielgruppen, die Botschaften und die Medien oder Instrumente zu bestimmen sowie eine Erfolgskontrolle einzurichten.
Wichtig ist es, das richtige Portfolio von Kundenfällen zu bestimmen, um die besonderen Leistungen und Vorteile für Kunden zu zeigen. Vielleicht gehören in dieses aussagkräftige Portfolio große und kleine Aufträge für große und kleine Kunden, verschiedene Kundenbranchen, permanente und abgegrenzte Zusammenarbeit mit Kunden, individuelle und standardisierte Leistungen, Hightech und Lowtech, schlanke und extensive Zusammenarbeit mit Kunden. Unternehmen und Verantwortliche sollten Kundenfälle wählen, auf welche sie stolz sind, und jene Fälle gewichten, die ihrer Strategie entsprechen und an welchen sie gut verdienten.
Kundenfälle werden durch die angestrebte Vertraulichkeit begrenzt. Die Anbieter scheuen sich, ihr spezifisches Know-how preiszugeben oder Konkurrenten auf besonders attraktive Geschäfte aufmerksam zu machen. Die Kunden haben oft kein Interesse, ihre guten Beschaffungslösungen für Wettbewerber zu kommunizieren. Allerdings können solche Fälle für den Kunden auch ein Teil des professionellen Beschaffungsmarketings sein, bei den eigenen Abnehmern unterstützen, die Zugehörigkeit zu einem exklusiven Unternehmenskreis betonen und beteiligte Personen profilieren. Kurz: Es gilt, die Fälle attraktiv für Kunden und intern beteiligte Mitarbeiter zu gestalten.

Kritik von bestehenden Kundenfällen

Kundenfälle sind verbreitet und werden verschieden genutzt. Eine generelle Kritik bezieht sich etwa auf folgende Aspekte:

  • Ungünstige Wahl: Die Kundenfälle sind oft zufällig gewählt und zeigen die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nur einseitig.
  • Knappheit: Manchmal gibt es einfach zu wenige Fälle, die einen spezifischen Zugang des Kunden zum Angebot erleichtern würden.
  • Mangelnde Aktualität: Intern und extern werden immer wieder die gleichen und oft alten Fälle strapaziert.
  • Anbieterdominanz: Kundenfälle sind oft zu anbieterzentriert aufgearbeitet und wirken „schöngefärbt“.
  • Form vor Substanz: Manche Unternehmen stellen bei Kundenfällen scheinbar oft Form vor Substanz. Schematisch aufgearbeitete Fälle verdrängen die Einzigartigkeit jedes Falles und schlagen alles über den „gleichen Leisten“. Wichtige Botschaften gehen verloren und Unwichtiges wird aufgebauscht.
  • Ergebnis ohne Prozess: Kundenfälle konzentrieren sich zu einseitig auf das Ergebnis eines Auftrags und beziehen die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden zu wenig ein.
  • Mangelnde Aussage: Kundenfälle sind zu kurz oder abstrakt und wirken deshalb austauschbar. Im Extremfall werden nur Kundenlogos gesammelt und Projekttitel aufgeführt.
  • Fachkenntnis: Die Verantwortlichen für Kunden und Technik bringen sich zu wenig ein, und die Fälle werden lediglich von zentralen Marketingspezialisten erstellt.
  • Ungenügende Verbindung: Kundenfälle sind losgelöst von den Kundenprozessen. Kunden nehmen sie zur Kenntnis, ohne sich zu bewegen und nächste Schritte zu verfolgen.
  • Vernachlässigte Nebenaufgabe: Weder intern noch bei Kunden engagieren sich die Beteiligten genügend für Fälle. Zentrale Marketingabteilungen müssen laufend neue verfassen und fühlen sich ungenügend unterstützt. Ergebnis sind oft Fälle mit zu wenig Substanz und Tiefgang.

Die Hinweise münden direkt in mögliche Verbesserungen, die in den folgenden Vorschlägen berücksichtigt sind.

Inhalt von qualifizierten Kundenfällen

Was gute Kundenfälle umfassen, zeigt nebenstehende Abbildung. Die aufgeführten Stichworte lassen sich nicht einfach abarbeiten. Ziel ist es, die Besonderheiten eines Falles aufzuzeigen. Enthaltene Bausteine begründen zudem noch keine spannenden Fälle.
Ein Unternehmen braucht ein eigenes Briefing, um Kundenfälle zu erstellen. Auch eine Zahl von Fällen für Länder oder Sparten lässt sich vorgeben. Damit wird eine effiziente Zusammenarbeit wesentlich erleichtert.
Bemerkenswert ist die Fall-Initiative von Sick (intelligente Sensortechnik). Vor wenigen Jahren installierte das Unternehmen ein „Rennen“, um weltweit und in allen Sparten gute Kundenfälle zu erfassen und auf die Website zu stellen. Ziel im ersten Jahr waren 100 qualifizierte Fälle; erreicht wurden 106. Auf die Fälle lässt sich für den Interessenten nach verschiedenen Kriterien (Branche, Lösung usw.) zugreifen.

Form von Kundenfällen

Urheber der Fälle können Leute des Anbieters und des Kunden auf den Stufen Top-Management, Projektleiter bis Mitarbeiter sein. Alle Kombinationen sind denkbar. Beispielsweise können Projektleiter des Anbieters und des Kunden gemeinsam einen Fall beschreiben. Generell wirken die Aussagen des Kunden (als Autoren, Interviewpartner oder mit Zitaten) glaubwürdiger als eigenes Lob.
Fälle lassen sich für Prospekte, Berichte, Website, Landing Pages, Pressemitteilungen, Beiträge für Fachzeitschriften und Kundenpräsentationen nutzen. Bausteine sind Texte, Interviews, Bilder und kurze Filme. Grobe Gesamtinformationen zum Gesamtfall lassen sich mit Detailinformationen verbinden, elektronisch lassen sich verschiedene Informationsebenen einrichten.
Sprachlich sind Fälle auf die Zielgruppe maßzuschneidern, es braucht keinen schlecht verständlichen Jargon des Anbieters. Im Stil ist eine selbstkritische Darstellung glaubwürdiger, als eine „Show“.
Wenn Fälle auch schön daherkommen, so ist das bestimmt hilfreich. Nur steht die Substanz und Spannung der Fälle vor der Ästhetik.

Fazit

Gute Fälle zu erstellen, ist anspruchsvoll. Es braucht Leute, die dafür ganzheitlich verantwortlich sind und unterstützen, wenn auch die direkt Beteiligten im eigenen Unternehmen und bei Kunden sich engagieren müssen.
Kundenfälle sind ein Ergebnis aus den konkreten Aufträgen eines Unternehmens. Gleichzeitig sind sie der Schlüssel für einen Lernprozess von Anbietern und Kunden. Aus vielfältigen Projekten, gewonnenen und verlorenen Aufträgen, Verhaltensanalysen der Kunden, Projektanalysen der Anbieter lassen sich die Muster und Hebel erkennen, um Aufträge erfolgreicher zu gestalten. Qualifizierte Anbieter brauchen qualifizierte Kunden, die sich richtig einbringen und Unterschiede in Angeboten für sich beurteilen können. Generell sind nicht nur Erfolge ergiebig und selbst bei Best Practices interessieren insbesondere aufgetretene Schwierigkeiten und der Umgang damit.

Das Institut für Marketing an der Universität St.Gallen (HSG)

Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).

In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.

Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (MIM Marken Institut München GmbH) gefördert.

In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.

Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University aus- zeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.

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Autorin(nen) / Autor(en):
Ordinarius für Marketing des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen
Universität St. Gallen