Dr. Peter Haller

Dr. Peter Haller

Geschäftsführer und Gründer der Serviceplan Gruppe

Im Jahr 1970 gründete Dr. Peter Haller die Agentur Serviceplan gemeinsam mit Rolf O. Stempel. Unter seinem Sohn Florian Haller wurde diese zu Europas mittlerweile größter inhabergeführten Agenturgruppe. 1983 gründete Peter Haller die Mediaplus Gruppe, 1986 die Facit Marktforschung, 1997 die Plan.Net Gruppe und 2001 Saint Elmo’s. Im GWA war der gebürtige Schweizer von 1993 bis 2000 Vorstand für Effizienz und Kommunikation sowie Koordinator für Effizienz der Werbung bis ins Jahr 2005. Seinem Sohn Florian übergab er die Position des Hauptgeschäftsführers der Serviceplan Gruppe im Juli 2002. Kurz zuvor war Dr. Haller die begehrte Auszeichnung „Agenturmann des Jahres 2001“ (verliehen vom Fachmagazin „Horizont“) zugesprochen worden. Bis dahin war dieser Titel stets nach Hamburg oder Frankfurt gegangen. Seit 1992 ist Dr. Haller gemeinsam mit GfK-Marketingchef Wolfgang Twardawa mit der Marken-Roadshow einmal im Jahr unterwegs. Unter der Schirmherrschaft des Markenverbandes gehen die beiden Experten jedes Frühjahr mit einer aktuellen Studie auf Deutschlandtournee, in die Schweiz und nach Österreich und referieren vor Marketing-Managern zu Themen wie „70 Prozent Innovationsflops. Die große Verschwendung.“, „Die Stammkunden wandern ab“, „Erobern im Tief. Verteidigen im Hoch.“, „Die Black Box der Marke“, „Die Demokratisierung der Markenführung“. Seine Liebe zur Kunst spiegelt sich nicht nur an den Agenturstandorten wider, an denen permanent Bilder aus seiner Privatsammlung ausgestellt sind, sondern auch in der Herausgabe der beiden Bücher „Abstrakte Kunst nach 1948. Sammlung Serviceplan.“, erschienen 2007 und 2012. Am 19. März 2013 wurde er gemeinsam mit seinem Sohn Florian Haller von der „Wirtschafts- Woche“ und dem GWA in die „Hall of Fame der deutschen Werbung“ aufgenommen, der bereits Persönlichkeiten wie Anke Schäferkordt, der frühere Young & Rubicam-Chef Ingo Krauss oder Holger Jung und Jean-Remy von Matt angehören.

ANSICHTEN

Die Kunstsammlung Serviceplan wird in den Räumlichkeiten der Agentur präsentiert und ist Teil der Kultur des von Ihnen gegründeten Unternehmens. Wie wirkt die von Ihnen geprägte Sammlung?
Dr. Peter Haller: Nach innen wie nach außen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es motivierend, in einem Unternehmen zu arbeiten, das eine Kunstsammlung hat und präsentiert. Der Raum, in dem wir uns körperlich wie geistig bewegen, ist von Kunst erfüllt. Das gibt unweigerlich Impulse und fördert die kreative Auseinandersetzung mit dem Umfeld. Natürlich entfaltet diese Form der Unternehmenskultur auch Außenwirkung. Kunden, die im Haus der Kommunikation und an weiteren Standorten unsere Bilder und Skulpturen sehen, erleben einen Querschnitt zeitgenössischer Kunst von 1945 bis heute. Die Exponate und die Art ihrer Präsentation schaffen eine ganz eigene, unverwechselbare Atmosphäre.

Was hat Ihre Sammlerleidenschaft geweckt?
Ende der 70er-Jahre sind wir mit der Agentur in die Prinzregentenstraße 50, in das Wedekind-Haus gezogen. In dem herrschaftlichen Gebäude mit großzügigen Aufgängen und hohen Decken lebte der große Dramatiker mit seiner Frau und seinen Töchtern rund 20 Jahre. Der Altbau atmete in jedem Detail die Kultur der Zeitenwende um 1900. Mein Partner und ich hätten es als blasphemisch empfunden, Kunden in dieser Umgebung mit unseren Werbekampagnen oder mit auf Bildschirmen flimmernden TV-Spots zu empfangen. An dem kulturhistorisch bedeutenden Ort sahen wir gar keine andere Möglichkeit, als Kunst aufzuhängen. Das war der Einstieg in das Sammeln von Kunst und erklärt gleichzeitig den Namen „Sammlung Serviceplan“.

Sie haben systematisch erweitert und die Sammlung kontinuierlich ausgebaut?
Viele Sammlungen sind das Ergebnis von zufälligem Aufeinandertreffen mit Galeristen und Kunstexperten, von Besuchen großer Ausstellungen von Medienberichten usw. Selten gibt es Sammlungen, die von vorn herein ein ganz klares Konzept verfolgen. Wir hatten ein klares Konzept: Die Sammlung Serviceplan fokussiert abstrakte und abstrahierende Kunst nach 1945. Dabei haben wir uns bewusst auf Werke konzentriert, die einem hohen ästhetischen Anspruch genügen. Uns war es in einer weiteren Auslegung dieses Begriffes wichtig, dass Bilder wie Skulpturen unserer Sammlung auch eine spürbare Musikalität haben sollten. Also für eine rhythmisch-musikalische Wirkung stehen, wie beispielsweise Serge Poliakoff. Viele Künstler, die wir sammeln, waren selbst Musiker oder der Musik besonders verbunden. Wir haben uns mit Kunst umgeben, die beeindruckt und gefällt. Da wir eine Stimmung erzeugen wollen, ist die Ästhetik wichtig. Die Sammlung Serviceplan soll nicht nur beeindrucken, sondern eben auch gefallen. Ästhetik und Musikalität sind die Brücke zum Betrachter.

Welche Quellen nutzen Sie?
Neben guten Galerien oft auch Auktionen. In Deutschland gibt es einige renommierte Auktionshäuser, die allerdings nicht mit den Amerikanern Sotheby‘s und Christie‘s mithalten können. Um diesen beiden Akteure dreht sich ein erheblicher Teil des internationalen Kunstmarktes. Die Ausstattung und das Angebot dieser Unternehmen suchen ihresgleichen. Was mich immer wieder fasziniert, sind die ungewöhnlich guten Kataloge der beiden Häuser. Zu jedem Werk liefern exzellente Kunstexperten ausführliche Informationen zu Hintergründen und zum kunsthistorischen Kontext. Gerne kaufen wir auch immer wieder bei Galeristen, die mit einem unserer rund 65 Künstler Primärverträge haben. Dagegen verzichten wir gänzlich auf externe Berater. Es geht mir immer weniger darum, neue Künstler zu finden, sondern eher um die Abrundung der Sammlung und das Füllen von Lücken. Je mehr ich über die Künstler unserer Sammlung weiß, umso mehr erkenne ich die Lücken, die sie noch hat.

Gibt es so etwas wie Sammlerleidenschaft?
In jedem Fall. Mir macht besonders die Jagd nach neuen Kunstwerken Spaß. Es ist ein sehr spannender, reizvoller Prozess, neue Bilder aufzustöbern, ihre Bedeutung für die Sammlung zu erfassen und dann gegebenenfalls zu kaufen. Unsere Sammlung ist für mich keine Wertanlage und nicht Ausdruck von Besitzstreben oder von Selbstinszenierung. Es bestätigt mich natürlich, wenn der Wert eines Bildes steigt. Aber das eigentliche Ziel ist und bleibt der Aufbau einer tollen Sammlung – ein Ziel, das man nie ganz erreicht.

Kennen Sie die von Ihnen gesammelten Künstler persönlich?
Das ist eine oft gestellte Frage, und ich zitiere dann gerne Poliakoff. Der meinte sinngemäß, dass man nicht darauf hören sollte, was ein Künstler über seine Bilder sage, sondern wie gut er male. So halte ich es auch. Für einen Künstler, der abstrakt arbeitet, ist es besonders schwer, sich selbst zu erklären. Abstraktes Malen ist rein intuitiv und erfolgt nicht aus einem gegenständl ichen Darstel lungswi l len. Deshalb heißt mein aktuelles Buch zur Sammlung Serviceplan Bilder der Seele. Entscheidend sind die Einflüsse, die den Maler prägten, wenn er ein Bild malt. Picasso malte nach der Vorlage von Jacques Louis David z. B. den erstochenen Marat im Bade. Bei genauem Hinsehen erkennt man in Marat Picasso selbst und in seiner Mörderin – ursprünglich die Royalistin Charlotte Corday – seine Ehefrau Olga. Die Mörderin sieht aus wie seine Frau Olga. Gemalt hat Picasso das Bild, als ihn Olga im Zuge der Scheidung auf die Herausgabe von 50 Prozent seines Vermögens verklagte. Der Meister hat also seine Empörung mit dem Pinsel ausgedrückt.

Sind Künstler Marken und haben Sie Ihr Vertrauen in ganz bestimmte „Marken“ gesetzt?
Künstler, die heute gut im Geschäft sind, müssen wie Marken auftreten. Georg Baselitz, Anselm Kiefer oder Marino Marini sind Markenpersönlichkeiten. Baselitz hat einmal gesagt, 50 Prozent seines Erfolges sei gutes Marketing. Wie schafft es ein Künstler, für ein neu gemaltes Bild eine Million Euro zu erlösen, während ein anderer, der vielleicht genau so gut ist, 5000 Euro bekommt. Der Unterschied weshalb ein Maler eine Million für ein Bild bekommt und ein anderer, der genauso gut ist, nur 5000 Euro, liegt in der Bekanntheit, in der Akzeptanz und in der öffentlichen Wertschätzung. Talent allein reicht nicht. Ein Künstler, der wahrgenommen werden will, muss auf die Medien zugehen, eine bestimmte Distribution haben und in allen großen Zentren der Kunst vertreten sein. Marketingexperten würden sagen, auch künstlerischer Erfolg beginne bei der Distribution und einer klugen Public Relation. Wer das nicht tut, hat im heutigen Kunstbetrieb keine Chance.

Das beeinflusst auch die Sammler?
Natürlich. Aspekte wie mediale Präsenz und Wertzuwachs – etwa bei Auktionen – spielen immer eine wichtige Rolle. Es ist für einen Kunstfreund ein besseres Gefühl, wenn sich der Marktwert eines Bildes in zehn Jahren verdoppelt oder verdreifacht, statt sich zu halbieren. Eine steigende Wahrnehmung und eine positive Marktentwicklung machen erst aus einem talentierten Künstler eine Markenpersönlichkeit. Die Großen wie Baselitz, Kiefer vor allem, aber hippe, spektakuläre Künstler wie Jeff Koons werden professionell vermarktet.

In Ihrer Sammlung finden sich keine Namen, die regelrecht gehypt wurden?
Bewusst nicht. Ich wollte nie kommerzialisierte Kunst wie manche Bilder aus der Art Factory von Andy Warhol, der übrigens ein Art Director war und aus unserer Branche kommt. Er war sicher ein begnadeter Künstler, hat aber durch die arbeitsteilige Massenproduktion einen Teil seines Werkes in eine eigene Richtung gelenkt, die mir nicht liegt. Auch Pop Art ist mir von der Anlage zu oberflächlich, weil vergänglich. Manche Macher sind regelrecht der Gier erlegen. Das ist keine gute Entwicklung und bestimmt nicht nachhaltig.

Sie setzen auf substanzielle Kunst?
Ich bemühe mich darum. Künstler wie beispielsweise Anselm Kiefer produzieren echte Substanz. Das weiß natürlich nicht nur ich. Das wissen auch die Medien und viele Sammler und Museen. Sammler und Museen bewerben sich heute um neue Werke von Kiefer und dieser entscheidet mit, wer den Zuschlag bekommt. So bestimmt einer der führenden Künstler unserer Tage, dass sechs Bilder aus einer 13-teiligen Werksgruppe in Museen kommen. Alle weiteren gehen an Sammler, die Kunst öffentlich zugänglich machen und nicht als Wertanlage in Tresoren verstecken.

Kamen Sie zum Zuge?
Ich habe eines seiner schönsten Bilder aus der Werksgruppe „Im Gewitter der Rosen“ bekommen, weil in das Münchner Haus der Kommunikation täglich mehr Menschen kommen als in manche Museen in der Woche. Bei uns gehen jeden Tag 1000 Mitarbeiter und hundert Kunden und Lieferanten ein und aus. Alle können die Bilder von Kiefer hier sehen. Diese Performance steigern wir auch durch zahlreiche Kunstführungen, die ich begleite. Mir liegt viel daran Kunst, insbesondere abstrakte, zu vermitteln.

Was ist für Sie entscheidend?
Bei einem abstrakten Bild von der Persönlichkeit des Künstlers auszugehen, und dann erst das Bild interpretieren. Man muss einen Künstler kennen lernen – nicht unbedingt persönlich – indem die Äußerungen und sein Lebensweg verfolgt werden und man Leben, Erleben, Begegnungen und Einflüsse auf den Künstler sorgfältig recherchiert. Erst dann fängt man an, dessen Kunst – die Bilder der Seele – zu verstehen.

Erwarten Sie vom Künstler immer wieder Neues?
Gerhard Richter, einer der am höchsten gehandelten lebenden Maler, hat einmal gesagt „Erfindungen sind verboten“. Ihm geht es also nicht primär um Innovation, sondern um die Perfektion bestehender Stile. Tatsächlich gibt es keinen, der beispielsweise fotografisch besser gemalt hätte als Richter. Ihm ging es aber nie um eine pionierhafte Leistung. Die hat er nicht erbracht und will sie auch nicht erbringen. Richter will aus bestehenden Kunstrichtungen bessere Werke schaffen. An Innovationsleistungen allein kann man Künstler also nicht messen.

Sehen Sie hier Parallelen zum Marketing?
Absolut. Die größten Erfolge im Marketing sind mittelfristig nicht pionierhafte Innovationen, sondern die effektive Verbesserung bewährter Konzepte. Warum? Die Menschen haben ein Kästchendenken. Wenn sie also heute auf ein neues Produkt treffen, versuchen sie dieses einzuordnen. Wie können sie es einordnen? Nur anhand der Kategorien, die sie im Kopf haben. Wer also in seinem Marketing und in seiner Werbung etwas anbietet, das völlig außerhalb der Norm liegt, braucht sehr viel Budget und sehr viel Zeit, um in die Köpfe einzudringen und Akzeptanz zu finden. Steve Jobs war der mp3-Player zu kompliziert in der Bedienung. Er wollte von der Funktion im Prinzip das Gleiche, nur eben leichter in der Handhabung und ansprechender im Design. Meiner Ansicht nach beruht der Erfolg von Apple insgesamt also darauf, bestehende Dinge besser zu machen. Die Aufgabe besteht nicht darin, die Welt zu verbessern, sondern beim Marketing letztlich nur um zu verkaufen. Es geht prozyklisch zu erkennbaren Verbrauchereinstellungen, um kurz- und mittelfristige Marktpotenziale und Umsatzchancen. Deshalb setzten erfolgreiche Kampagnen auf erfolgreich „erlernte“ Muster. Wie in Gerhard Richters Kunst müssen die Ansätze und ihre Umsetzung einfach nur erkennbar besser sein, als die man schon kennt. Disruptive Unternehmer mit völlig neuen Ideen und Ansätzen setzen sich nur in den wenigsten Fällen durch. Es gibt unter 10 000 Garagen- Start-ups nur ein Google und ein Facebook.

Kunst muss sich durchsetzen wollen?
Ein talentierter Künstler, der auch zu einem großen Künstler werden will, kommt an den modernen Kommunikationsmitteln nicht vorbei. Das einsam vor sich hinkreierende Genie wird heute kaum den Durchbruch schaffen. Wenn die Reichweite fehlt, wird die Kunst – wie auch ein Produkt – nicht wahrgenommen. Das erreicht man nicht von heute auf morgen. Erfolgreiche Künstler haben meist ein enormes Selbstbewusstsein und einen geradezu missionarischen Drang aufzufallen. Das ist das mentale Fundament, jahrelang daran zu glauben, dass man eines Tages Erfolg hat.

Wie sehen Sie den Kunstmarkt?
Das ist ein spannendes Thema. Der Kunstmarkt ist heute rund 50 bis 60 Milliarden Dollar groß und stark konjunkturabhängig. Derzeit fließt viel Geld in Kunst und beflügelt so die Preise. Allerdings ist Deutschland nur mit etwa zehn Prozent an diesem Markt beteiligt. Und das, obwohl die angesagtesten lebenden Künstler Deutsche sind. Das liegt daran, dass sich das Geschäft immer mehr zu den großen internationalen Auktionshäusern und internationalen Galerien verlagert. Davon haben wir nicht viele. Es ist immer wieder erstaunlich, was kommt, was sich durchsetzt und was bleibt. So kann schon die Beobachtung des Kunstmarkts zu einer Leidenschaft werden.

Mit der Kunstsammlung Serviceplan öffnen Sie das Unternehmen?
In München haben wir die einzige Internet-Kunstfassade der Welt. Menschen aus Shanghai, Hongkong, Peking oder Moskau können über das Web ihre Wunschbilder eingeben. Die werden von unseren Computern dann übersetzt und die Gestaltung erscheint auf der Fassade am Eingang unseres Hauses als 70 qm großes Werk. Damit signalisieren wir als Unternehmen Dialog und Vernetzung mit der Welt. Weltoffenheit ist heute für ein Kommunikationsunternehmen wichtiger denn je.

Das Gespräch führte Friedrich M. Kirn

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