Das Gesicht einer neuen Ära
Ein überlegenes Produkt und ein unverwechselbares Gesicht – das sind die Voraussetzungen, um eine Marke zu kreieren. Der 3DDrucker von ARBURG erfüllt beide Kriterien und beweist, dass auch Mittelständler im B-to-B-Bereich mit Industriedesign punkten können.
Welche große Rolle Design mittlerweile im Verkauf spielt, hat sich bis in die Chefetagen herumgesprochen. Und so verwundert auch nicht, dass bereits im Jahre 2009 nur eine Minderheit von 13,5 Prozent der befragten deutschen Unternehmen der Meinung war, dass der Absatz ihrer Produkte nicht oder eher nicht vom Design abhängt. Das ist die gute Nachricht. Aber zwischen dem Wissen um die Bedeutung und dem strategischen Einsatz von Design klafft laut Jürgen R. Schmid, Inhaber des Design-Unternehmens Design Tech, nach wie vor eine beträchtliche Lücke. Einen „Strategic Gap von 45 Prozent“ stellte auch die European Business School vor wenigen Jahren fest. Sie befragte 160 Entscheider aus den Bereichen Produktmanagement, Forschung und Entwicklung sowie aus der Geschäftsführung zur Bedeutung von Industriedesign für die Markenbildung. Danach schätzten zwar 70,6 Prozent der befragten Manager Design als relevant für den Produkterfolg ein. Aber nur 25,6 Prozent nutzen Design nachhaltig und strategisch. Wie Unternehmen auch in B-to-B-Märkten erfolgreich agieren, wenn sie Industriedesign als Geschäftsführungsaufgabe begreifen und nachhaltig einsetzen, zeigt das Unternehmen ARBURG. Der 3D-Drucker Freeformer des Spritzgießmaschinenbauers überzeugt durch ein weltweit einmaliges Verfahren und visualisiert dieses Alleinstellungsmerkmal durch ein preisgekröntes Design. Dass der Freeformer zu einer Erfolgsstory für das Unternehmen geworden ist, hängt laut Herbert Kraibühler, bis Ende März 2014 technischer Geschäftsführer und inzwischen Berater für das Kunststoff-Freiformen bei ARBURG, eng mit drei Faktoren zusammen.
Ein außergewöhnliches Produkt
Seit über fünf Jahrzehnten bietet der weltweit führende Premium-Hersteller von Spritzgießmaschinen seinen Kunden Qualität „Made in Germany“. Auch der Freeformer erfüllt laut Kraibühler die hohen Erwartungen, die der Markt an den Maschinenbauer aus Loßburg stellt. „Darin steckt unser ganzes Know-how im Maschinenbau und in der Kunststoffverarbeitung“, so Kraibühler, der genau weiß, wovon er spricht: Er war es, der vor zehn Jahren das Projekt „Freeformer“ auf den Weg brachte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Techniker bereits einige Jahre lang mit dem Prototyping beschäftigt und war überzeugt davon, dass dieses Verfahren auch für die industrielle Fertigung Relevanz hat. Daraufhin wurde das patentierte und damit weltweit einzigartige Verfahren ARBURG Kunststoff-Freiformen (AKF) entwickelt. Dieses generiert aus 3D-CAD-Daten und ohne Werkzeug voll funktionsfähige Kunststoffteile. Verarbeitet werden keine speziellen und teuren Werkstoffe, wie bei anderen additiven Verfahren üblich, sondern Standardgranulate. Diese handelsüblichen und kostengünstigen Kunststoffe werden wie beim Spritzgießen aufgeschmolzen und über einen getakteten Düsenverschluss bis zu 200 Tröpfchen in der Sekunde entsprechend der CAD-Daten Schicht für Schicht aufgebracht. Anders als bei anderen additiven Verfahren bewegt sich dabei nicht die Düse, sondern der Bauteilträger mittels drei oder fünf Achsen, wodurch komplexe Geometrien der Kunststoffteile möglich werden. Mit zwei Austragseinheiten lassen sich auch Hart-Weich- Verbindungen und andere Mehrkomponententeile herstellen.
Für den weltweit 2350 Mitarbeiter beschäftigenden Hersteller von Spritzgießmaschinen ist der Freeformer daher mehr als nur ein 3D-Drucker. „Unser neues System für die additive Fertigung bietet eine bisher unbekannte Freiheit in der Auswahl, Kombination und Verarbeitung von Kunststoffen“, unterstreicht Kraibühler mit unverhohlenem Stolz. Dass sich die Investition in den Aufbau des neuen Geschäftsfelds für das ausschließlich in Deutschland fertigende Unternehmen gelohnt hat, steht für ihn fest. „Die Kunden und Interessenten, die den Freeformer bereits live erlebt haben, sind begeistert. Der Markt reagiert euphorisch.“ Die ersten Freeformer bewähren sich seit diesem Jahr im Markt. Der allgemeine Verkauf hat in Deutschland mit der Messe Fakuma im Oktober 2014 begonnen. Das Interesse an den High-Tech-Geräten hat die Erwartungen des Unternehmens weit übertroffen.
Design war und ist Chefsache
Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde der Freeformer erstmals auf der weltweit wichtigsten Messe für Kunststoff und Kautschuk, der K 2013. „Er verblüffte die Fachwelt auf Anhieb“, so Kraibühler. Die Messebesucher bestaunten nicht nur das patentierte Verfahren der industriellen Hightech-Maschine. Mit „wow und cool“ kommentierten sie auch das Design. Der Freeformer, der eher an einen übergroßen i-Pod als an eine Maschine erinnert, kommt auch völlig anders daher, als die Spritzgießmaschinen, die das Unternehmen seit Jahrzehnten erfolgreich in die ganze Welt verkauft. Dass der Freeformer anders aussehen muss, war laut Kraibühler allen Entscheidungsträgern sehr schnell klar. „Wir waren uns in der Geschäftsführung einig: Wir haben ein bahnbrechendes Verfahren, mit dem wir auch neue, zukunftsfähige Märkte erobern wollen, daher brauchen wir ein Design, das nicht nur in eine Fertigungshalle, sondern auch in ein Büro oder Hightech-Labor passt.“ Dass sie das Design nicht allein entwickeln konnten, war den Führungskräften ebenfalls schnell bewusst. Für die Ausarbeitung der Designstrategie und für die Umsetzung holte das familiengeführte Unternehmen daher zum ersten Mal in seiner Firmengeschichte ein Büro für Industriedesign ins Boot. Aber nicht nur diese Entscheidung trafen die Manager des Unternehmens. Sie waren auch diejenigen, die dem Design- Unternehmen Design Tech, die Firmenwerte, ihre unternehmerischen Ziele und Strategien vermittelten sowie im Unternehmen für die entsprechende Akzeptanz bei allen Beteiligten sorgten.
„ Der Freeformer, der eher an einen übergroßen i-Pod als an eine Maschine erinnert, kommt völlig anders daher, als die Spritzgießmaschinen, die das Unternehmen seit Jahrzehnten erfolgreich in die ganze Welt verkauft. “
Für Jürgen R. Schmid, Inhaber des Design-Unternehmens, das den Freeformer gestaltete, ist das Engagement des Managements ein entscheidender Erfolgsfaktor und die Grundlage, um für ein Unternehmen überhaupt tätig zu werden. „Nur wenn die Geschäftsführung Design als eine strategische Aufgabe begreift und nicht als eine kurzfristige, Aufmerksamkeit erheischende Initiative ansieht, leistet Design einen nachhaltigen Beitrag für den Markenaufbau“, so Schmid. Die Entscheidung für das umgesetzte Design traf die Geschäftsführung von ARBURG auf Grundlage von drei Design-Tech-Entwürfen. Dass es drei Entwürfe waren, lag an den Vorgaben des Maschinenbauers. Sie wollten: 1. Ein Design, mit dem ARBURG sich in dem bereits bestehenden Markt wiederfinden kann. 2. Ein Design, das der hohen Fertigungstiefe und Kompetenz des Maschinenbauers Rechnung trägt. 3. Ein Design, das losgelöst von ARBURG, aber mit einem hohen Grad an Wiedererkennung, die Zukunftsfähigkeit und Einmaligkeit des Freeformers betont. Unmittelbare, das Design betreffende Vorgaben stellte der Maschinenbauer dagegen kaum. Lediglich die Breite des Gerätes, einige ergonomische Richtlinien und die Notwendigkeit, den 3D-Drucker leicht transportieren zu können, wollte der Spritzguss-Spezialist bei allen Entwürfen umgesetzt sehen.
Für die Auswahl des finalen Designs hatte die Geschäftsführung einen Kriterienkatalog erarbeitet, mit dem sie die Design-Vorschläge bewertete. Bei der Entscheidungsfindung wurden die Manager aktiv von Design Tech unterstützt, die laut Kraibühler, „die richtigen Fragen stellten und uns damit halfen, uns klar darüber zu werden, welche Ziele wir mit dem Design letztlich verfolgen wollen und welcher Entwurf uns dabei hilft“. Dass ARBURG sich für den dritten Vorschlag entschied, überraschte Schmid, erinnert sich Kraibühler und schmunzelt: „Diese Offenheit hat er uns wohl nicht zugetraut.“ Denn der gewählte Entwurf ist zwar kostenintensiver in der Umsetzung, da mehr Teile zugekauft werden müssen, aber auch Schmid findet, dass ARBURG „mit diesem Entwurf am besten visualisiert, dass der Freeformer ein einmaliges, zukunftsweisendes und qualitativ hochwertiges Produkt ist“. Wie gut das Design selbst bei Experten ankommt, zeigt auch der im Sommer 2014 verliehene Red-Dot-Award.
Teamwork und stimmige Prozesse
Trotz aller Zurückhaltung bei der Präsentation, bei der Umsetzung kämpfte das Team um Schmid um jedes Detail des Entwurfes. „Aber immer mit guten Argumenten“, wie Kraibühler betont. Und so gibt es beispielsweise beim Freeformer keinen an Fertigungsmaschinen üblichen separaten Not-Aus-Schalter, mit denen der Bediener die Maschine sofort vom Stromnetz nehmen kann. Zu störend wäre ein in der Front des Hightech-Gerätes integrierter Knopf gewesen. Gemeinsam mit den Ingenieuren des Maschinenbauers fand Design Tech stattdessen eine Lösung, die sowohl der Ästhetik als auch den Vorschriften Rechnung trägt: Der an der Seite des 3D-Druckers befindliche An- und Ausschalter wurde gleichzeitig zum sichtbaren, jedoch nicht das Design störenden Not-Aus-Schalter.
Daneben gab es noch eine Reihe weiterer Details, die am Freeformer aufgrund von Konstruktionsvorgaben verändert bzw. angepasst werden mussten. Ein normaler Prozess, wie Schmid erklärt, denn das Design einer komplexen Maschine ist immer das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Designern, die sich entlang eines detaillierten Entwurfes an die endgültige Lösung herantasten. Und noch ein Punkt ist seiner Meinung nach wesentlich für den Erfolg: Die frühe Einbindung der Zulieferer. Bei ARBURG wurde der Hersteller der Kunststoffverkleidung daher früh in den Prozess mit eingebunden. Dass trotz dieses notwendigen Vorgehens die Zeitspanne zwischen Entwurf und funktionsfähigem Prototypen nur wenige Wochen betrug, wie Kraibühler anerkennend ausführt, war für den Abteilungsleiter Kunststoff-Freiformen bei ARBURG, Dr. Oliver Keßling, auch den aufgesetzten Prozessen geschuldet. So waren die wöchentlichen Gespräche zwischen Design Tech, ARBURG und dem Zulieferer der Kunststoffteile sowie eine genaue Aufgabenverteilung und das Einhalten von Zeitvorgaben in seinen Augen wesentlich für die reibungslose Zusammenarbeit. Und das Ergebnis kann sich laut Keßling sehen lassen: „Alle bei uns sind sehr stolz auf den Freeformer. Mit ihm beginnt eine neue Ära – und unser Aufbruch in neue Märkte und Verfahren.“