Verhaltensmechanismen in Verkauf und Marketing nutzen

Verhaltensmechanismen in Verkauf und Marketing nutzen

Verschiedene Mechanismen erleichtern uns das Leben und das Zusammenwirken mit anderen. Sie sind effizient und ökonomisch. Einmal ausgelöst, funktionieren diese Mechanismen automatisch (Klick, surr – nennt das Cialdini 2010). Sie laufen oft trotz besserem Wissen ab.

Kunden kümmern sich oft nicht um Produkte und Services, obschon ein Kauf für sie Sinn machen würde. Besonders bei innovativen Angeboten und Lösungen dürfte der Anteil hoch sein und nicht selten mehr als die Hälfte der Kunden betreffen. Einerseits erkennen sie die Chancen des Kaufs zu wenig, andererseits sind sie vielfältig engagiert und vernachlässigen auch ergiebige Beschaffungen. Manchmal ist in Kundenunternehmen auch einfach die Zuständigkeit unklar.
Diese Mechanismen wirken auch stark, weil wir sie unterschätzen oder nicht mit ihnen rechnen. Um andere Menschen zu beeinflussen, sind sie besonders wirksam. Ihre Kenntnis nützt beispielsweise Marketingverantwortlichen, Verkäufern und Managern, aber auch den Kunden und Mitarbeitenden, die sich davor schützen wollen.
Wer allerdings ein Vorgehen der Anbieter als Trick entlarvt, fühlt sich nicht mehr gebunden. Gefühle im Magen und im Herzen des Empfängers geben die Signale dazu.
Abbildung 1 zeigt einige Verhaltensmechanismen nach Cialdini (2010), der sich auf zahlreiche fremde und eigene Forschung stützt.


 

Abb. 1: Ausgewählte Verhaltensmechanismen

Reziprozität: Geben und nehmen – und nochmals nehmen

Auf eine Gefälligkeit hat eine Gegengefälligkeit zu folgen. Das betrifft auch ungebetene Gefälligkeiten von ungebetenen Personen. Der Empfänger fühlt sich in der Schuld.
Taktiken sind Geschenke, kleine Vorleistungen für größere Gegenleistungen, Zugeständnisse – die wieder Zugeständnisse bewirken, größere Bitten oder Vorschläge – um kleinere Dinge durchzubringen (Kontrastprinzip nutzen).

Commitment und Konsistenz

Menschen versuchen, konsistent zu sein. Konsistenz ist gesellschaftlich wertvoll, bewährt sich im Alltag und ist schnell. Bereits kleine Commitments binden für große Folgen, besonders wenn sie aktiv, öffentlich und mühevoll sind. Entscheide suchen sich sogar selbst die Gründe und verfestigen sich damit, auch wenn die ursprünglichen Gründe wegfallen. Diese Taktik führt dazu, dass Kunden auch mit einer schlechten Wahl zufrieden sind.

Soziale Bewährtheit

Wir betrachten ein Verhalten in einer gegebenen Situation in dem Maß als richtig, in dem wir dieses Verhalten bei anderen beobachten – besonders bei Unsicherheit und wahrgenommener Ähnlichkeit der Personen. Taktiken sind Vormachen (für eine Nachahmung), glaubwürdige Unseresgleichen, Referenzen, Bestseller als Beispiele, Word of Mouth. Oft erwecken Unternehmen den Eindruck, dass viele (ähnliche) Menschen sich bereits so verhalten, wie sie es von potenziellen Kunden wollen.

Sympathie

Wir sind geneigt zu tun, was eine uns vertraute und von uns geschätzte Person möchte. Sympathisch sind attraktive Menschen (Attraktivitäts-Halo: Gut aussehende Menschen werden als begabt, ehrlich, freundlich, intelligent wahrgenommen) und ähnliche Menschen. Wirksam sind Komplimente. Vertrautheit schafft Sympathie, ebenso wie mehrere Kontakte in einer Zusammenarbeit. Die bloße Assoziation von Menschen mit guten Dingen beeinflusst, dass Unternehmen, Menschen usw. bei anderen beliebt sind (Assoziationsprinzip). Taktiken sind Schneeball durch die Benennung von Freunden, Begünstigung von Freunden, sich zuerst beliebt machen, gemeinsame Ziele und Kooperation herausstellen, Spiel mit „good and bad guy“ oder Testimonials.

Die Regeln zu nutzen, ist anspruchsvoll. Leicht kippen dilettantische Anwendungen ins Gegenteil. Zudem sind manche Kombinationen möglich.

Autorität

Der Gehorsam gegenüber Autoritäten und Experten ist ausgeprägt, dazu genügen auch Symbole. Hochstapler bedienen sich beispielsweise bester Kleidung, exquisiter Autos oder klingender Titel. Autoritäten schalten den Fachverstand und die Aufmerksamkeit von Menschen aus. Sie erkennen nicht mehr das Ganze, sondern konzentrieren sich auf einzelne Anweisungen. Besonders glaubwürdig sind Autoritäten, die vorerst ungünstige Informationen über sich abgeben, um anschließend die Vorteile umso besser zu kommunizieren. Die Taktiken ergeben sich unmittelbar aus vorstehender Umschreibung.

Knappheit

Etwas, das für sich genommen nicht besonders verlockend ist, gewinnt starke Anziehungskraft, wenn es binnen kurzem nicht mehr zugänglich ist. Möglichkeiten erscheinen uns umso wertvoller, je weniger erreichbar sie sind. Der Gedanke, etwas zu verlieren oder zu verpassen, motiviert stärker, als der Gedanke, etwas Gleichwertiges gewinnen zu können. Knappheit bewirkt schnelles und damit entlastendes Entscheiden, Knappheit ist ein Indiz für Qualität, und verpasste Gelegenheiten führen zum Verlust von Freiheit; wir kämpfen gegen jede Einschränkung (Reaktanz). Zensurierte Informationen sind beispielsweise nicht nur begehrenswerter, sondern werden auch für glaubwürdiger gehalten. Taktiken bestehen darin, mögliche Verluste des Kunden aufzuzeigen oder nur kleine Mengen anzubieten, Entscheide bewirken – wenn etwas noch knapp und wahrscheinlich nicht zu haben ist, Zeitlimits setzen. Mit „Boiler-Room-Operationen“ werden Kunden von schnell sprechenden Verkäufern in einem Raum heiß gemacht 1) Unterlagen, 2) attraktives Geschäft, aber soeben nicht mehr möglich, 3) Geschäft). Besonders wirksam ist es auch, vom Überfluss zur Knappheit zu wechseln.


 

Diese Mechanismen sind in der Verhaltensforschung vielfältig empirisch belegt. Sie sind als Grundlagen für Marketing und Verkauf oft weit ergiebiger als bestehende Empfehlungen innerhalb dieser Disziplinen.
Die Regeln zu nutzen, ist anspruchsvoll. Leicht kippen dilettantische Anwendungen ins Gegenteil. Zudem sind manche Kombinationen möglich.
Bewährt sind solche Mechanismen beispielsweise im handlungsauslösenden und kaufprozessorientierten Marketing. An identifizierten, kritischen Stellen im Kaufprozess lassen sich diese Automatismen nutzen. Allerdings müssen sie auch inhaltlich richtig ausgestaltet sein.

Das ist ja reine Manipulation, mögen manche Kritiker einwenden. Ja, das ist richtig. Allerdings ist es auch im Interesse der Kunden ...

So definierte beispielsweise Rutschmann (2018), gestützt auf diese und weitere Grundlagen, folgende zwölf Handlungsautomatismen in Abbildung 2, die sich in der Praxis bewähren. Diese Hinweise liessen sich vertiefen, aber der Leser erkennt sofort manche Bezüge zu Abbildung 1. Wer diese Mechanismen anwenden will, muss sie aber mit der Original-Literatur vertiefen und anspruchsvoll umsetzen. Auch in den aktuell häufig gelobten Ansätzen zum Storytelling lassen sich beispielsweise manche Elemente nutzen. Das ist ja reine Manipulation, mögen manche Kritiker einwenden. Ja, das ist richtig. Allerdings ist es auch im Interesse der Kunden, dass Anbieter in Marketing und Vertrieb wirksam vorgehen und ihre Gelder nicht verschwenden. Auch ist Manipulation immer mit guten und schlechten Absichten und Inhalten möglich.

 

Abb. 2: Handlungsautomatismen für Marketing und Vertrieb
  1. Angeborene Auslösemechanismen nutzen.
  2. Primat der Handlung – sofort belohnen.
  3. In wohlbemessenen Handlungsschritten ans Ziel.
  4. Appetenzen hochfahren – aber spezifisch.
  5. Commitments einholen: Vom kleinen Ja zum großen Ja.
  6. Dankesschuld aufbauen.
  7. Was die Mehrheit tut, wird wohl richtig sein.
  8. Knappheit erzeugen.
  9. Framing: Den Denkrahmen setzen.
  10. Schlüsselbilder aktivieren.
  11. Sendervorteile nutzen.
  12. Mere Exposure: Die bloße Tatsache von Kontakt zählt.
Das Institut für Marketing an der Universität St.Gallen (HSG)

Mit rund 35 Mitarbeitenden erforscht das Institut für Marketing der Universität St.Gallen (HSG) aktuelle Themen in den Bereichen Marketing-, Kommunikation- und Verkaufsmanagement. Themen wie Customer Centricity, Business-to-Business-Marketing, Account-Management, Multichannel-Management, digitales Marketing und Marketingperformance gehören dabei zu unseren Schwerpunkten (www.ifm.unisg.ch).

In aktuellen Praxisprogrammen mit Unternehmen fördern wir den Austausch zu Best Practices in Marketing, realem Kundenverhalten – realem Marketing oder den Herausforderungen einer Sales Driven Company.

Ziel des Instituts ist es, die eigene Forschung und Entwicklung mit führenden Unternehmen und Führungskräften zu verbinden. In allen Bereichen wird der Transfer zudem durch betriebsübergreifende und interne Weiterbildungen sowie die „Marketing Review St.Gallen“ (MIM Marken Institut München GmbH) gefördert.

In der Direktion wirken mit: Prof. Dr. Sven Reinecke (Geschäftsführender Direktor), Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Marcus Schögel.

Die Universität St.Gallen (HSG) zählt zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas und genießt weltweit einen sehr guten Ruf mit Gütesiegeln, die z.B. auch die Harvard University aus- zeichnen. In renommierten Rankings belegt die Universität St.Gallen (HSG) stets die vorderen Plätze und bietet die beste Management-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Das Institut für Marketing trägt als Teil der Universität St.Gallen (HSG) zu diesem Erfolg in Forschung und Transfer bei.