iPad – Lösung oder Gimmick?
An Apples I-Pad hängen viele Hoffnungen. Der Erfolg hängt nicht zuletzt davon ab, ob Medienmacher ein uniques Konzept für die Plattform entwickeln.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren in Urlaub. Und stellen Sie sich vor, statt der üblichen drei Kilo Bücher, die entweder Ihren Koffer schon vor dem Abflug gefährlich nahe an die Grenze des kostenpflichtigen Übergewichts bringen oder im Handgepäck bleischwer bei jeder Bewegung auf Ihren Schultern lasten, hätten Sie nur ein einfaches 700 Gramm schweres Gerät dabei. Ein Gerät, auf dem Sie verschiedene interaktive Reiseführer, elektronische Magazine und Videos für den Flug, leichte Lektüre für den Strand und gute Bücher für Regentage mit sich führen. Darüber hinaus Ihr Adressbuch, Stadtpläne, Ihre Reiseplanung, etc. Physisch nehmen Sie nur noch Ihren Pass, Voucher für Hotel und Mietwagen sowie eventuell die Bescheinigung für die Reisekrankenversicherung mit. Und natürlich bei der Rückreise alle diejenigen Souvenirs und Mitbringsel, die früher keinen Platz in Ihrem Gepäck hatten. Wäre Ihnen das 499 $ Wert?
Das ist der Einstiegspreis für das I-Pad, das Apple demnächst als jüngstes Mitglied im Produktportfolio auf die Welt bringen will. Und manche erwarten Großes von dem Gerät. Bringt es doch die Möglichkeiten eines I-Pod Touch auf die stattliche Größe eines Netbooks, ohne das Gewicht eines Laptops zu erreichen. Wer also auch unterwegs interaktive und audiovisuelle Apps (Apple-Talk für Anwendungen) konsumieren möchte, muss sich weder mit der Anmutung von Mäusekino auf dem I-Phone abfinden noch ein Schlepp-Top schultern. Und das sind nur die äußerlichen Anwendungsvorteile.
Elektronische 3-D-Journale in der neuen Welt des Publishing
Drum wurde das I-Pad von manchen Vertretern der Publishing-Szene auf dem jüngst stattgefunden Digital Innovators Summit 2010 geradezu als Heilsbringer gefeiert. Könnte es doch die Entwicklung sogenannter E-Mags pushen, die neue Möglichkeiten im digitalen Publishing eröffnen. Gemeint sind elektronische 3-D-Journale, die die Möglichkeiten des klassischen Printmagazins mit allen medialen Darstellungsformen verbinden.
Endlich bestimmen die Informationen, wie viel Platz benötigt wird, und nicht umgekehrt der Platz, wie viele Informationen möglich sind. Audiodateien bringen Zitate, Interviews oder Erklärungen zu Gehör, die manche Printmagazine so gerne in zahllosen Kästen über das ganze Heft verteilen. Videos, animierte Grafiken, Spiele – alles kein Problem mehr. Und das gilt natürlich auch für die Werbung: Visualisieren Sie Ihre Botschaft, bauen Sie eine Dramaturgie über das ganze E-Mag ein, interagieren Sie mit dem Leser – oder unterhalten Sie ihn einfach per Spiel oder Video. Eine neue Welt des Publishing und der Kommunikation.
Geschichten wollen kanaladäquat aufbereitet werden
Allerdings eine neue Welt, die auch nach völlig neuen Konzepten schreit. Und was wir bisher an E-Mags kennen, knüpft häufig noch an die Systematik von Printmagazinen an. Die peppt man eben audiovisuell und interaktiv auf bis hin zum Rascheln, wenn digital umgeblättert wird. Magazine für das I-Pad benötigen ein eigenes, neuartiges Konzept, soll das neue Gerät nicht vom hellen Stern am Publishing- Himmel zum bloßen Gimmick verglühen. Eigene Ansätze, die von vorneherein anders angelegt sind – Geschichten wollen kanaladäquat aufbereitet werden.
Das Gerät ist nicht zuletzt darum interessant, weil es einen neuen Markt eröffnet: für digitale Angebote, die hohe Qualität bieten, für die Kunden gerne zahlen und die sich auch per Abonnement vertreiben lassen. Jetzt hat Apple den Start wieder hinausgeschoben. Wenn wir es dann endlich in der Hand haben, wird man schnell sehen, ob es sich um eine E-Solution für den Publishing-Markt handelt oder eine Illusion weniger Medienschaffender.