Der Raum entsteht im Kopf. Was die räumliche Markeninszenierung von der Hirnforschung lernen kann

Der Raum entsteht im Kopf. Was die räumliche Markeninszenierung von der Hirnforschung lernen kann

Viele Wege führen zum Konsumenten – einer der direktesten führt über die Inszenierung von Marken im Raum. Aber was macht die direkte Begegnung zwischen Mensch und Marke zu einem Erfolg? Die Agentur NEST one nutzt Erkenntnisse des Neuromarketings, um Markenerlebnisse wirkungsvoll zu gestalten: Auf wissenschaftlicher Basis haben die Hamburger sieben Gesetze identifiziert, die die wesentlichen Parameter erfolgreicher MarkenerlebnisArchitektur definieren. Die erfolgreiche Anwendung dieser Gesetze zeigt sich in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem ZDF. Anhand von fünf Fallbeispielen demonstrieren Kunde und Agentur gemeinsam, wie die räumliche Inszenierung nachhaltige Erinnerungen in den Köpfen der Zielgruppe verankert und Präferenzen für Marken schaffen kann.

Welche Wirkung Marken und Produkte auf ihre Verwender haben und welchen Eindruck Werbekampagnen bei ihren Rezipienten hinterlassen, ist heute weitestgehend erforscht. Erkenntnisse des Neuromarketings haben hierzu in den vergangenen Jahren neue, wichtige Aufschlüsse geliefert.
Anders ist es um das Erlebnis-Marketing bestellt. Wenn Unternehmen ihre Marken im Raum inszenieren, also die direkte Begegnung zwischen Mensch und Marke suchen, können sie bis heute auf ein vergleichsweise kleines Instrumentarium an Forschungsmethoden zurückgreifen. Dabei sind Flagship Stores, Messen und Events gewissermaßen der „Moment of Truth“ im modernen Marketingmix. Sie können im Idealfall einen sehr hohen Wirkungsgrad entwickeln. Was aber kommt tatsächlich beim Konsumenten an? Und wo liegen damit die Chancen für Markenanbieter in der direkten Kommunikation mit ihren Kunden? Vertraut man der Hirnforschung, so reduziert sich unsere Sensibilität um etwa einen Prozentpunkt jährlich. Der Verbraucher reagiert zunehmend mit Über- oder Unterempfindlichkeiten auf das ihm täglich entgegenschwappende Reizangebot. Die Folge: Stimuli, die einen bestimmten Ansprechwert nicht übersteigen, werden in seiner Wahrnehmung ausgefiltert. Für die Markeninszenierung im Raum gilt es damit, die optimale Stimulanz des Verbrauchers zu erzielen. Denn trotz des gewaltigen Reizangebots hat sich eines nicht verändert: die knappe Ressource Aufmerksamkeit. Im hochdynamischen Kommunikationswettbewerb muss, wer Präferenzen für Marken schaffen will, Interesse und Aufmerksamkeit des Konsumenten freiwillig und auch nachhaltig binden. Erst dann steigt dessen innere und äußere Verweilbereitschaft. Der Erfolg beispielsweise von „Public Viewing“ erklärt sich im unmittelbaren Echtzeiterleben in der Gemeinschaft und in der Einstufung als einmalige, nachwirkende emotionale Erfahrung. Diese Form des Erlebens brennt sich im Vergleich zu vielen anderen medialen und weniger emotionalen Angeboten am stärksten in unser Gedächtnis ein. Der Grund: Erlebnisse, mit denen wir starke Emotionen verbinden, bleiben uns in genauer Erinnerung. Die „sieben Gesetze“ der Markeninszenierung im Raum Im Kontext der Hirnforschung und des Neuromarketings hat NEST one sieben Kernerkenntnisse – gewissermaßen sieben Gesetze – identifiziert, die die wesentlichen Parameter erfolgreicher Markenerlebnis- Architektur bestimmen. 

Am Beispiel der Arbeit für das ZDF, für das NEST one seit 2009 einen Großteil des Markenauftritts im Raum verantwortet, zeigt sich die Bedeutung dieser Gesetze.
Ziel der Zusammenarbeit ist es, das ZDF als sympathischen und innovativen Sender mit hohem Qualitätsanspruch und großer Programmvielfalt für bestehende wie neue Zielgruppen erlebbar zu machen. Die Herausforderung besteht darin, trotz heterogener Kontexte das ZDF-Markenerlebnis unverwechselbar zu gestalten: von Wintersport bis Fußball-WM, vom Rockkonzert bis zur Roten-Teppich-Gala.

Gesetz 1:
„Nutze die Kraft des Erlebens. Mitten drin statt nur dabei“ – die ZDF-Wintersport-Markenerlebniswelt

Räumliche Markeninszenierungen sind keine Erfindung moderner Marketingstrategen. Schon immer ging es darum, durch Events Gemeinschaft zu festigen, Orientierung zu geben und Sinn zu stiften – heute wie vor Hunderten von Jahren. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Erzeugung bleibender und positiver Erinnerungen an eine Marke ist die direkte Beteiligung von Menschen – nicht als Aktion-Reaktion, sondern als Inter-Aktion. Im Unterschied zur passiven Berieselung durch Werbebotschaften entschied der Sportbegeisterte im Rahmen der ZDFWintersport- Markenerlebniswelt selbst, wie lang und wie intensiv er sich mit dem Angebot des Senders auseinander setzte. Im Zentrum der ZDF-Kommunikation zur Winterolympiade 2010 in Vancouver stand ein sympathischer kleiner Biber. Dieser wurde bereits zu den winterlichen Großereignissen – dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen und dem Biathlon in Ruhpolding – als kommunikativer Aufhänger genutzt. Passend zur klassischen Kampagne, die die Hamburger Kreativagentur Kolle Rebbe entwickelt hatte, wurde unter der Leitidee „Spuren des Bibers“ eine Erlebniswelt geschaffen, die Besucher zum Verweilen einlud und das emotionale Erleben der Marke ZDF gewährleistete. Ein zeitgemäßes Blockhaus, Spielstationen, Lounge-Bereiche, Live-Übertragungen, ZDF-Spots, „Biber-Walker“ und auch die Give-aways boten eine hohe Aufenthaltsqualität sowie Interaktionsmöglichkeiten mit der Marke. Das ZDF präsentierte sich als unterhaltsamer und humorvoller Gastgeber und wurde für Gäste aus allen Altersgruppen zum begehrten Anlaufpunkt.

Räumliche Markeninszenierungen sind keine Erfindung moderner Marketingstrategen. Schon immer ging es darum, durch Events Gemeinschaft zu festigen und Orientierung zu geben.

Gesetz 2:
„Die Kraft der fünf Sinne: Multisensorische Reize wirken zehnmal stärker“ – ZDF Berlinale-Lounge

Dieses Gesetz ist das wichtigste der Markeninszenierung im Raum. Multisensorische Reize wirken erwiesenermaßen zehnmal stärker als beispielsweise rein visuelle Reize. So lässt sich eine Marke im Raum auf natürliche Weise mit mehreren Sinnen erleben und wird besser erinnert. Multisensorik bedeutet dabei nicht, dass alle fünf Sinne zugleich angesprochen sein müssen. Es geht vielmehr darum, mehrere Wahrnehmungskanäle zu bespielen. Der Verstärkungseffekt tritt aber nur ein, wenn Signale gleich dekodiert werden, sprich, beim Konsumenten ein widerspruchsfreies Gesamtbild entsteht. Für die Marke bedeutet das, dass ihr Kern sinnlich übersetzt wird: Farbe, Form, Licht, Ton, Material und Haptik von Oberflächen ebenso wie Gerüche müssen auf ein definiertes Gesamtbild der Marke einzahlen. Dieses anspruchsvolle Profil zeigte die Markeninszenierung des Mainzer Senders zur diesjährigen Berlinale. Hier präsentierte das ZDF augenzwinkernd und auf plakative Art sein Engagement für den neuen Deutschen Film mit einer Printkampagne und einer Lounge. Das Dachthema „Die neuen Heimatfilme“ wurde von NEST one multisensorisch bespielt. Dabei griff die Gestaltung der Lounge die Idee „Heimat“ auf und gab so den Kampagnenmotiven Raum. Sie konzentrierte sich auf eine reduzierte Farbigkeit, Materialauswahl und Typografie. Tatsächlich wurden alle Sinne angesprochen: Für Ohr und Auge wurden Monitore in die Wand integriert. Sie schufen Raum für Einspielfilme und die Übertragung der Berlinale-Preisverleihung. Das neue deutsche „Heimatgefühl“ wurde durch einfache Speisen aus der Region auch geschmacklich und olfaktorisch erzeugt. Heimische Materialien wie Filz und gebeiztes Eichenholz bildeten die inhaltliche Klammer zum Konzept. Gesetz 3: „Die Story ist die Kraft des Mythos“ – der ZDF-Biber, Kampagnen-Hero Der Mythos einer Marke bezieht seine Kraft aus der Story. Durch das Storytelling wird Wissen nicht nur gehört, sondern erlebt und so besser verstanden und erinnert. Bei genauerem Hinsehen gehen alle guten Geschichten auf die gleichen Ur-Themen wie „Liebe“ oder „Der strahlende Held“ zurück. Für die Marke bedeutet das, dass sie eine eigene Geschichte erzählen muss. Im Falle des Projektes ZDF-Wintersport war „Der strahlende Held“ der kleine Biber. Seine Geschichte zieht sich durch die gesamte ZDF-Kommunikation: Der kanadische Nager, der in deutschen Gefilden seine Knabberspuren hinterlässt, um dann zur Winterolympiade nach Kanada zu führen, ist der Star. Natürlich hat er auch an den ZDFBäumen genagt. Ein zeitgemäßes Blockhaus, Spielstationen, Lounge-Bereiche, Live-Übertragungen, ZDF-Spots, „Biber-Walker“ und auch die Give-aways werden zum modularen Designelement.

Gesetz 4:
„Nutze die Kraft der Gruppe!“ – „ZDF live in concert“ beim „Heimspiel“ von „Die Fantastischen Vier“

Als soziales Wesen wirken sich die Stimmungen anderer direkt auf den Menschen und sein Urteil aus. Eine Menschenmasse verhält sich völlig anders als eine Gruppe von Individuen. Menschen in einer Gruppe synchronisieren ihren Gefühlszustand. Diese Dynamik, das Übertragen von Emotionen, kann gezielt dazu genutzt werden, um die Intensität eines Markenerlebnisses zu stärken. Aus diesem Grund sind gruppendynamische Elemente ein fester Bestandteil nahezu jeder Live-Kommunikation. Wie die Marke ZDF diese Dynamik für sich einsetzt, zeigt das „Teamprojekt“ von „ZDF in concert“ und der deutschen Hip-Hop-Band „Die Fantastischen Vier“. Auf einer orangefarbenen Tribüne, die wie eine ZDF-Insel inmitten der After-Show-Party zum Konzert zu ihrem 20-jährigen Bühnenjubiläum im vergangenen Jahr in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer- Halle erschien, befanden sich die einzigen und damit die besten Sitzplätze. Die Menschen auf der Tribüne konnten auf die Masse der anderen Fans blicken und so ein einzigartiges Gruppengefühl erleben.

Gesetz 5:
„Die Kraft der Persönlichkeit“: Die Marke wird Mensch – P!NK Backstage

Markenerlebnisse im Raum werden häufig durch „echte“ Menschen geprägt, die die Marke repräsentieren. Sie tritt dem Konsumenten als Mensch gegenüber – sei es als Star auf der Bühne oder als Personal an der Garderobe. Dabei ist und bleibt der Mensch der größte Unsicherheitsfaktor von Live-Kommunikation. Die Wahl eines geeigneten Markenbotschafters muss daher oberste Priorität genießen. Eine solche Botschafterin wurde der US-Superstar P!NK. Die Marke „ZDF in concert“ präsentierte als Medienpartner im vergangenen Jahr ihre „Funhouse-Tour“ durch ganz Deutschland. Auf diese Weise entstand auch die typische Geste der Sängerin zur Kampagne „Mit dem Zweiten sieht man besser.“ Gestalterisch überführte das ZDF die Persönlichkeit der Sängerin als Design in den Raum in Form einer VIP-Lounge. Als Grundlage diente das extrovertierte Image der Künstlerin, das sich in einem verspielten Design widerspiegelte. Insbesondere die Verbindung von barockem Mobiliar und den poppigen Farben übersetzte die schrille und klar definierte Persönlichkeit des US-Stars in den Raum.

Gesetz 6:
„Die Kraft des Rituals. Das Gehirn ist ein Gewohnheitstier“ –„Heimspiel“ der Fantastischen Vier

Ähnlich wie Marken haben Rituale eine Entlastungsfunktion für das menschliche Gehirn. Die Macht der Gewohnheit vereinfacht unseren Alltag und gibt uns Sicherheit. Als Rituale werden Handlungen definiert, die Verbraucher von einem emotionalen Zustand in den nächsten versetzen. Sie erleben zurzeit eine Renaissance. Sportveranstaltungen und Musikkonzerte werden heute beispielsweise nicht mehr ohne Kamera oder Fotohandy besucht. Dieses Ritual ist zwar noch relativ jung, aber bereits im Mindset beispielsweise von Konzertgängern und Musikern verankert. So wurde dieses Ritual fester Bestandteil des „Heimspiels“ der Fantastischen Vier. Hauptanziehungspunkt im VIP-Zelt während des Konzerts bildete die Fotowand mit den als lebensgroßen Fanta4-Mainzelmännchen stilisierten Stars. Die Möglichkeit, sich im Konzert mit seinen „Stars“ fotografieren zu lassen, wurde von den Besuchern gern und häufig genutzt.

Gesetz 7:
„Die Kraft der Überraschung. Auf den Unterschied kommt es an.“ – Fußball-WM-Pressekonferenz in Hamburg

Das Moment der Überraschung ist ein fester Bestandteil der Markenkommunikation. Neu ist, dass die Hirnforschung ein besseres Verständnis darüber ermöglicht, wie diese Komponente am wirkungsvollsten eingesetzt werden kann. Um Aufmerksamkeit zu erzeugen, kommt es auf die richtige Mischung aus häufigen und seltenen Reizen an. Ungewöhnliche und seltene Reize führen zu maximaler Erregung des Gehirns und damit zu einer sehr guten Gedächtnisbildung. Dieses Phänomen nutzte das ZDF im Rahmen seiner Pressekonferenz zur Fußball-WM im Hamburger Hotel Grand Elysée. NEST one entwickelte passend zum Claim „Wild auf Fußball“ ein Foto-Set, das durch seine dreidimensionale Tiefenanmutung beim Betrachter den Eindruck erweckte, er wäre direkt in die afrikanische Steppe versetzt. Im Mittelpunkt der Szenerie stand ein mit Fußbällen gefüllter ZDF-Landrover mit einen Gepard auf dem Dach, umringt von anderen wilden Tieren auf simuliertem Steppenboden. Das Foto-Setup brach mit Betrachtungsgewohnheiten, sorgte für eine positive Irritation und damit für ein intensiveres Erlebnis der Besucher der Pressekonferenz. Die Erkenntnisse des Neuromarketings belegen, wie wichtig persönliche Erlebnisse und die unmittelbare Interaktion mit dem Verbraucher sind, um nachhaltige Präferenzen für Marken zu schaffen. Die „sieben Gesetze“ der Markenkommunikation im Raum ermöglichen Markenanbietern eine bessere Steuerung von Erlebnissen – von der Planung über die Konzeption bis zur konkreten Umsetzung eines Projekts.

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
NEST one
Leitung Marketing Off-Air-Promotion
ZDF