Open-Source-Marketing

Open-Source-Marketing

Die weltweite Kommunikation über das Internet hat die Möglichkeit eröffnet, Meinungen schnell und weitreichend zu verbreiten. Der Konsument hat dadurch an Macht gewonnen, er fordert Mitbestimmung sowie die Individualisierung der Kommunikation und der Angebote von Unternehmen, zugeschnitten auf die eigenen Bedürfnisse. Er will sich aktiv einbringen und mitentscheiden.

Unternehmen erkennen, dass sie auf diese neuen und unaufhaltsamen Entwicklungen reagieren müssen. Das Marketing muss sich anpassen und auf eine adäquate Art und Weise mit Zielgruppen kommunizieren. Diesem Anspruch folgt der globale Trend des Open-Source-Marketings.
Open-Source-Marketing steht in einem engen Verhältnis zu Web 2.0. Es handelt sich hierbei um einen Oberbegriff für eine neue, interaktive Entwicklung im Internet. Zu Beginn diente das Internet lediglich der Publikation von Informationen, Medien oder Daten. Man unterschied zwischen Editoren, die aktiv die Inhalte des Internets gestalteten, und Benutzern, die sich die Informationen lediglich ansahen und keine Möglichkeit hatten, die Inhalte zu beeinfl ussen. Diese Trennung zwischen Editor und Benutzer verwischt. Der Benutzer stellt eigene Beiträge auf Servern ein (User Generated Content) oder er veröffentlicht private Interessen auf einem Weblog. Das Internet wandelt sich immer mehr zu einer interaktiven Plattform, deren Informationen von den Benutzern kontinuierlich aktualisiert und verbessert werden. Das Open- Source-Marketing ist als ein Teil dieser Entwicklung einzuordnen.

Open-Source-Marketing

Der Begriff Open-Source oder deutsch Quelloffenheit hat seine Ursprünge in der Informatik, in der Open- Source-Software. Voraussetzung für eine solche Software ist die Offenlegung sowie die uneingeschränkte Erlaubnis der Veränderung und Weitergabe des gesamten Quellcodes. Der Quellcode ist der für den Menschen lesbare Text eines Computerprogramms in einer Programmiersprache. Open-Source-Marketing bezieht sich nicht allein auf die Kommunikation, sondern auf alle Instrumente des Marketingmix‘, die in enger Zusammenarbeit mit Kunden gestaltet werden.
Der Internet Browser Firefox ist ein Paradebeispiel für ein Open-Source-Marketing-Projekt. Nachdem das Mozilla-Projekt ein erfolgreiches Programmpaket im Internet entwickelt hatte, wurde dieses im Jahr 2002 in einzelne Komponenten geteilt. Eine davon war der Webbrowser Mozilla Firefox, zuvor Mozilla Phoenix genannt. Eigendynamisch begannen User, ein Marketingkonzept für Firefox zu entwickeln, mit dem Erfolg, dass er heute der zweithäufigst genutzte Internetbrowser nach Microsoft Internet Explorer ist.
Das Open-Source-Marketing ist jedoch, wie viele Praxisbeispiele zeigen, nicht nur in der Computerwelt ein Trend. Immer mehr Unternehmen lassen sich von dem schnellen Entwicklungsprozess und dem kreativen Potenzial inspirieren.
Die Konsumenten haben sich gewandelt. Der klassische 30-Sekunden-Werbespot im Fernsehen reicht nicht mehr aus, um die Konsumenten von einem Produkt zu überzeugen. Sie finden diese Art von Information oft irrelevant oder lästig und nutzen Technologien, um dem Druck der werblichen Kommunikation zu entkommen (wie Pop-up-Blocker, Spamfilter, Festplattenrecorder).
Auffallend ist, dass neue Technologien und Services, wie Musik-Downloads, Weblogs, Podcasts oder Telefonieren über das Internet sehr schnell angenommen werden. Es werden solche Projekte begünstigt, die auf Informationsaustausch beruhen und den Wunsch des Konsumenten nach Mitbestimmung befriedigen. Open-Source-Marketing verbindet Ziele, Strategien und Maßnahmen des klassischen Marketings mit Idealen, Ideen und Erfolgsfaktoren der Open-Source-Bewegung.

Anforderungen an das Open-Source-Marketing

Der bisher steuernde und kontrollierende Marketer muss nun loslassen können. Die Zielgruppe hat die Marke in der Hand, deren Gestaltung und Weiterentwicklung zuvor unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Sie hat nicht nur das Recht erhalten, sondern sie wird dazu aufgefordert, das Marketing der Unternehmen mit Weiterentwicklungen, kreativen Ideen oder auch Kritik zu verbessern und zu gestalten.
Das widerspricht zwar bisherigen Marketingstrategien, doch nur, wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, kann sich das Marketingkonzept ganz nach dem Open-Source-Gedanken entwickeln: uneingeschränkt, schnell und innovativ!
Dazu gehört auch die Bereitstellung sämtlicher Daten als Download auf der Web-Seite. Darunter befinden sich nicht nur die Endprodukte, sondern auch alle Vorprodukte und Entwürfe, Storyboards, Basisanimationen, Texte, Audiodateien usw.

Voraussetzungen für effizientes Open-Source- Marketing

Die technischen Entwicklungen der letzten zehn Jahren führten zu einer mobilen, komfortablen und vor allem schnellen Kommunikation auf einer Vielzahl von Kommunikationsplattformen im Internet. Der größte Vorteil für die Open-Source-Bewegung besteht darin, dass die Nutzung der Technik immer weniger technisches Wissen voraussetzt; die Bedienung wird ständig einfacher. Dadurch ist kreatives Schaffen im Internet und vor allem die Online-Kommunikation für jedermann möglich geworden. Plattformen wie beispielsweise YouTube ermöglichen es Laien, mehr oder weniger professionell gedrehte Videos übers Internet in der ganzen Welt zu verbreiten.
Eine besondere Rolle in der Online-Kommunikation spielen Weblogs/Blogs. Das sind Online-Tagebücher, die sich mit einem bestimmten Thema auseinander setzen. Diese Form der Kommunikation im Internet hat Menschen (Blogger) dazu inspiriert, ihre Meinungen und kreativen Ideen mit der Welt zu teilen. Die Entwicklung nutzerfreundlicher Weblog-Software- Tools ist eine wichtige technische Voraussetzung für die Open-Source-Bewegung. Sie ermöglichen den Usern, ihrer Kreativität und ihrem Drang zur Meinungsäußerung freien Lauf zu lassen.

Gesellschaftliche Trends

Die aktuellen Trendstudien sind sich in ihrer Grundtendenz einig: die Globalisierung durch das Internet, soziale Kontakte, Rückkehr zu traditionellen Werten wie Glaubwürdigkeit/Authentizität/Loyalität und die Alterung der Gesellschaft sind die wichtigen aktuellen Themen.

  • Die Globalisierung der Gesellschaft
    Soziale Beziehungen bestehen nicht mehr ausschließlich im nahen sozialen Umfeld. Das Internet ermöglicht es den Menschen, zeitnah und mit einfachen Mitteln soziale Beziehungen rund um den Globus aufzubauen. Die wichtigsten Instrumente hierfür sind Weblogs und Communities.
  • Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten
    Die Gesellschaft wird zunehmend mobiler und flexibler. Diese Entwicklung wiederum fördert eine multikulturelle Gesellschaft. Communities sind eine Reaktion auf diese mobilen und multikulturellen Entwicklungen in der Gesellschaft. Im alltäglichen Leben treffen immer häufiger die verschiedenen Kulturen aufeinander und Menschen entwickeln ein sehr starkes Bedürfnis nach sozialen Kontakten.
  • Demografische Entwicklung
    In Deutschland ist häufig von der negativen demografischen Entwicklung die Rede: Die Lebenserwartung der Menschen steigt, und die Geburtenrate bleibt auf niedrigem Niveau.
    Doch die Altersforschung spricht von einem „Jugendgewinn“ von zehn Jahren.
    Die Medien werden sich dieser demografischen Entwicklung anpassen, sie werden als einfach zu bedienende Lebenshilfe fungieren. Denn ein großer Anteil der Freizeitgestaltung und beruflichen Zeiteinteilung wird auf die Nutzung verschiedener Medien entfallen.
  • Ehrlichkeit, Authentizität und Loyalität
    Moralische Aspekte gewinnen für Marken- und PRStrategien an Bedeutung. So ergaben Umfragen, dass ein großer Anteil der Deutschen eine Marke bevorzugen würden, wenn sich das Unternehmen sozial engagiert. Kampagnen wie die von Dove propagieren ein ehrliches und erreichbares Ziel: „Sei wie Du bist.“
    Corporate Social Responsibilty oder Brand Democratisation sind Formen der Kommunikation, die verstärkt an Bedeutung gewinnen. Unternehmen können sich nicht mehr hinter Call- Centern verstecken. Mithilfe von Weblogs kommunizieren sie direkt mit ihren Kunden und steigern so ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Kunden/ Konsumenten.
  • Individualisierung
    Es besteht ein genereller Trend der Individualisierung in vielen Bereichen unserer Gesellschaft. Der Kunde möchte nicht mehr als Masse wahrgenommen werden, sondern als Individuum mit seinen spezifischen Bedürfnissen. Heutige Mediensysteme müssen sich an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen. Die Ära der digitalen Individualisierung wird eingeleitet. Das beste Beispiel für digitale Individualisierung ist der Apple iPod. Der Konsument kann selbst bestimmen, was er wann, wie und wo hört. Er ist nicht an Verträge oder monatliche Kosten gebunden. Er gestaltet sein Produkt ganz individuell.
Open-Source-Marketing – kurzlebiges Verkaufsargument oder Revolution des Marketings?

Betrachtet man die Vorgehensweise und die Grundsätze des Open-Source-Marketings, so erkennt man, dass es diese Form der Kommunikation im Grunde schon sehr lange gibt. Unternehmen haben schon immer den Kunden in den Vordergrund gestellt und versucht zu analysieren, wie er denkt, wie er lebt und welche Wünsche er hat.
Im Rahmen des Open-Source-Marketings wird jedoch dem Ausmaß, in dem Konsumenten in die Gestaltung des Angebots und seiner gesamten Vermarktung einbezogen werden, eine neue Dimension gegeben. Die befragten Konsumenten werden nicht mehr vom Unternehmen bestimmt und nach vorgegebenen Richtlinien befragt. Das Bedürfnis und auch die Möglichkeiten der Konsumenten selbst zu bestimmen, wann und wie sie ihre Meinung einbringen, sind drastisch gestiegen. Als Plattformen dienten bisher z.B. Messen, Kongresse oder Research-Projekte. Für eine massenmediale Umsetzung dieses Prinzips fehlte bisher jedoch die richtige Plattform. Heute bietet das Internet hierfür die idealen Voraussetzungen.
Der gesellschaftliche Trend der Individualisierung zeigt deutlich die Unabhängigkeit und Mündigkeit der Konsumenten. Der Kunde möchte nicht mehr als Teil der Masse wahrgenommen werden, sondern als Individuum mit spezifischen Bedürfnissen. Der Markt muss sich an die Bedürfnisse der Konsumenten anpassen, denn durch technologische Entwicklungen hat der Kunde erheblich an Macht gewonnen (Customer Empowerment).
Das Misstrauen der Konsumenten in kommerzielle Kommunikation wächst weiter. Authentizität und Glaubwürdigkeit werden immer wichtiger. Bewertungssysteme in vielen Branchen (z.B. Hotelbewertungen, Bewertungen von Büchern bei amazon) dienen dazu, sich Meinungen von Nutzern/Anwendern einzuholen. Der Konsument ist clever, gut informiert und kritisch. Skandale wie Gammelfleisch oder Genmanipulation bestärken ihn in seinem Misstrauen gegenüber der kommerziellen Kommunikation von heute.
Open-Source-Marketing kann Aufgaben der Marktforschung übernehmen. Konsumenten stellen ihre Ideen zur Verfügung, sie tauschen ihre Ideen untereinander aus und entwickeln viel versprechende Ansätze weiter. Es findet eine unmittelbare Bewertung der Ideen statt. Damit besteht die Möglichkeit, dass eine auf Marktforschung basierende Plausibilitätsprüfung überflüssig wird. Um die Umsetzung unter strategischen Gesichtspunkten zu gewährleisten, hat das Unternehmen die Möglichkeit, verschiedene Ideen zu nominieren und zur Auswahl zu stellen.
Das amerikanische Magazin Time hat im Dezember 2006 „YOU“ zur Person des Jahres 2006 gewählt. Time meint damit die weltweiten Internetnutzer, die das neue Informationszeitalter aktiv gestalten und sich das Internet in einem nicht erwarteten Maß zu eigen gemacht haben.
Das Fachblatt Advertisíng Age kürte Anfang 2007 den „Consumer“ zur „Agentur des Jahres“, da „consumer generated commercial content“ 2006 mehr Einfluss auf die Markenkommunikation hatte als jede einzelne Agentur.
Das Open-Source-Marketing ist eine logische Weiterentwicklung der Internet-Philosophie, also der idealerweise unbeschränkten Teilhabe aller Nutzer. Zunächst müssen die Unternehmen und vor allen Dingen die Konsumenten lernen, verantwortungsvoll mit dem Instrument Open-Source-Marketing umzugehen. Wenn das gelingt, ist es schwer vorstellbar, dass die Konsumenten diese neu gewonnene Freiheit und Mitsprachemöglichkeit gegenüber den Unternehmen wieder aufgeben sollten.

Beispiele für Open-Source- Marketing (User Generated Marketing):
  • Während des Super Bowls (Finale der amerikanischen Profi-Football- Liga) kostet ein 30-Sekunden-TV-Spot 2,6 Mio. US-Dollar. Drei Unternehmen nutzen ihre Werbezeit für von Konsumenten kreierten Spots: Doritos, Chevrolet, National Football League (NFL)
  • Mini richtete über die Website einen Spot-Contest aus, über 300 Werbefilme wurden entwickelt.
  • Nike setzt auf von Kunden entwickelte Spots.
  • User konnten ihre eigene Lego-Welt im Internet bauen.
  • Ikea: Forderte Konsumenten auf, ein Home-Entertainment-Möbel zu gestalten; von 5000 Einsendungen gingen einige in Produktion.
  • Dove: Zum Launch der Dove Cream Oil Body Wash-Produkte lud Unilever in den USA User ein, 30-Sekunden-Spots zu entwickeln; 700 Beiträge wurden eingesandt; während der Oscar-Verleihung im Februar 2006 ging der Siegerspot live on air.
  • Volvo: Fragt bei der Einführung des C 30 die Autofahrer nach ihrer Meinung www.sag-uns-deine-meinung.de.