Liebe zum Luxus neu beleben

Liebe zum Luxus neu beleben

Hersteller von Luxusmarken müssen im Schlüsselmarkt Europa zunehmend um ihre Kunden kämpfen. Nachlassende Konsumbereitschaft und immer differenziertere Kaufvorlieben machen der Branche zu schaffen. Eine neue Mc-Kinsey-Studie legt die aktuellen Herausforderungen offen und zeigt, wo die Chancen für künftiges Wachstum liegen.

Die gute Nachricht: Europa bleibt der weltgrößte und wichtigste Absatzmarkt von Luxusartikeln. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von zwei Prozent seit 2007 kam der hiesige Luxussektor sogar erfolgreicher durch die Finanzkrise als jeder andere reife Markt. Der Wermutstropfen: Nicht die europäischen Konsumenten haben das Wachstum primär getrieben, sondern Touristen aus dem Ausland – allen voran Chinesen und Japaner. Drohen die Europäer ihre Liebe zum Luxus zu verlieren? Und wenn ja, wie kann die Branche den Binnenkonsum in den für sie so wichtigen Märkten „vor der Haustür“ nachhaltig wiederbeleben?
Diesen und weiteren Fragen zur Entwicklung des europäischen Luxussegments widmet sich eine neue Studie, die McKinsey & Company 2011 in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien durchgeführt hat. Rund 4500 Konsumenten von Luxusgütern wurden darin nach ihren Vorlieben und Verhaltensweisen befragt. Das Ergebnis signalisiert eine deutliche Trendwende in dem über Jahrzehnte erfolgsverwöhnten Markt: Die Lust der Europäer an heimischen Luxuseinkäufen lässt in allen untersuchten Ländern merklich nach. Die Kunden werden preissensibler, ihr Konsumverhalten ändert sich. Hinzu kommt, dass Unternehmen es mit einem immer breiteren Spektrum an Konsumententypen zu tun haben – mit ganz unterschiedlichen Produkt- und Kaufpräferenzen je nach Einkommensgruppe und Nationalität.

Europas Luxuskonsument hat viele Gesichtern

Das Profil europäischer Luxuskonsumenten ist alles andere als einheitlich, betrachtet man einmal im Detail ihre Produktvorlieben, ihr Ausgabenverhalten oder die Wahl der bevorzugten Vertriebskanäle. Zwischen den verschiedenen Einkommenssegmenten, aber auch von Land zu Land variieren die Konsummuster im Luxussegment erheblich.
Die mit Abstand größten Luxusliebhaber finden sich unter den wohlhabenden Italienern ab 100 000 Euro Brutto-Jahreseinkommen. Mit 47 Prozent Anteil unter den Besserverdienenden in ihrem Land bilden die italienischen Luxuskonsumenten nicht nur die stärkste Käufergruppe im europäischen Vergleich, sondern sie geben auch das meiste für exklusive Marken aus: über 4000 Euro pro Kopf und Jahr – mehr als doppelt so viel wie die Briten mit vergleichbarem Einkommen. Nahezu homogen gestalten sich dagegen die Luxusbudgets der Konsumenten mit einem Jahreseinkommen zwischen 50 000 Euro und 100 000 Euro: So liegen die jährlichen Ausgaben der deutschen Konsumenten, die das Mittelsegment mit gut 1300 Euro anführen, im Schnitt nur 200 Euro höher als beim Schlusslicht Großbritannien.
Generell kaufen Deutsche seltener, aber dafür teurer ein als ihre europäischen Nachbarn. In der Produktwahl favorisieren sie vor allem Kleidung, gefolgt von Düften. Franzosen und Briten geben beim Kauf von Luxusartikeln grundsätzlich den vergleichsweise günstigeren Parfums und Kosmetika den Vorzug. Italiener hingegen greifen in allen Produktkategorien zu, sind jedoch nur selten bereit, den vollen Preis für die exklusive Ware zu bezahlen. Italiener nutzen deshalb mehr als andere Europäer Discount-Kanäle wie z.B. Outlets für ihre Luxuskäufe.

Länderübergreifende Trends: Lust auf Rabatte und Luxusevents

Neben einkommens- und länderspezifi schen Konsumunterschieden legt die Studie allerdings auch einige grenzüberschreitende Trends im Kaufverhalten offen, die das stabile Wachstum im Luxusgütermarkt dauerhaft gefährden könnten. So lässt die grundsätzliche Begeisterung für Luxuswaren unter den europäischen Konsumenten spürbar nach. Nur noch 22 Prozent von ihnen besitzen heute noch die gleiche Zahl an Exklusivmarken wie in der Vergangenheit und mehr als die Hälfte kauft mittlerweile bewusst weniger Luxusartikel.
Wie kommt es zu dieser auffälligen Zurückhaltung nach Jahrzehnten nahezu ungebremster Konsumfreude im Premiumsegment? Steigende Preissensibilität dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein. Durchschnittlich nur jeder fünfte einkommensstarke Europäer ist heute noch bereit, für ein Luxusprodukt den vollen Preis zu bezahlen, in Italien ist es sogar nicht einmal mehr jeder Zehnte. Ein wachsender Prozentsatz von Luxuskunden greift stattdessen inzwischen zu preisgünstigeren Marken: 17 Prozent steigen z.B. auf weniger teure Bekleidung um – vier Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise mag die erhöhte Preissensibilität der europäischen Luxuskonsumenten fraglos mit verursacht haben. Hinzu kommt jedoch ein generell verändertes Kaufverhalten, das in erster Linie durch die neuen digitalen Medien getrieben ist: Verbraucherportale, soziale Netzwerke und die Möglichkeiten von direkten Produktvergleichen im Internet haben das Preisbewusstsein der Kunden deutlich geschärft – ganz besonders für Artikel des gehobenen Segments.
Sinkende Preisbereitschaft allein erklärt allerdings noch nicht die durchgängig abnehmende Kaufrate von Luxusartikeln in Europa. Verstärkend wirkt hier ein vergleichsweise junger Trend: Verbraucher verlagern ihren Luxuskonsum zunehmend von Produkten zu Dienstleistungen. Teure Reisen, Restaurantbesuche und Spa-Aufenthalte stehen bei 30 Prozent der Konsumenten bereits höher im Kurs als teure Markenartikel. Für ein exklusives Erlebnis sind diese Kunden sogar bereit, auf den Kauf eines Premiumprodukts zu verzichten. Der prinzipielle Wunsch, Luxusartikel zu besitzen oder zu tragen, wird den europäischen Kunden folglich zunehmend weniger wichtig.

Schlummernde Potenziale dies- und jenseits von Europa

Differenzierte Analysen der eigenen Kunden können Unternehmen helfen, die neuen Herausforderungen in Geschäftschancen zu verwandeln. Kunden des oberen Einkommenssegments etwa können durch verbesserte CRM-Programme und exzellenten Service angeregt werden, wieder vermehrt Luxusmarken zum regulären Preis zu kaufen. Die numerisch starken mittleren Einkommensklassen wiederum gilt es, grundsätzlich mehr für Luxusprodukte zu begeistern – hier schlummert noch viel ungenutztes Käuferpotenzial. Zur Ansprache dieser Zielgruppen sollten Kanalstrategien angepasst und neue Pricing-Modelle entworfen werden, die dem gestiegenen Preisbewusstsein Rechnung tragen, ohne die Marke zu beschädigen. Nicht zuletzt sollten die Sortimente enger an landestypischen Vorlieben ausgerichtet und auch exklusive Dienstleistungen angeboten werden, um die Erwartungen der Konsumenten in Zukunft noch besser zu erfüllen.
Neue Chancen für Unternehmen eröffnen sich indessen nicht nur im weltgrößten Luxusmarkt „vor der Haustür“. Aussichten auf weiteres Wachstum bieten außerdem die starken Binnenmärkte Asiens, in denen die Konsumenten, verglichen mit Europa, deutlich mehr Enthusiasmus für exklusive Konsumgüter entwickeln. Vor allem die Liebe der Chinesen zum (europäischen) Luxus brachte der Branche zuletzt Steigerungsraten bis zu 20 Prozent. Schon 2015 dürfte China mit geschätzten 27 Milliarden USDollar ein Fünftel des globalen Luxusmarkts ausmachen und Japan von seinem bisherigen Spitzenplatz in diesem Segment verdrängen. Doch auch Japan bleibt ein wichtiger Absatzmarkt für Europas Luxusindustrie. Ein Jahr nach dem Erdbeben, so zeigen jüngste Umfragen, kehren die japanischen Premiumverbraucher zu ihren Konsumgewohnheiten zurück – allerdings mit größerer Zurückhaltung und ausgeprägterem Preisbewusstsein als zuvor. Angesichts der Entwicklungen auf dem asiatischen Luxusgütermarkt wird es für die europäischen Hersteller ein Kriterium für Erfolg sein herauszufi nden, wo die attraktivsten Märkte sind, welche Standorte sich empfehlen und wie das lokale Marketing zu gestalten ist. Denn in Märkten dieser Größenordnung und Vielfalt werden Standardlösungen kaum greifen.
Welche Strategien zur Kundengewinnung und -bindung die europäische Luxusindustrie am Ende auch wählt: Im Kampf um zukünftige Marktanteile wird es vor allem auf ihre Fähigkeit ankommen, Produkte und Services fl exibel an zunehmend fragmentierte Kundengruppen anzupassen und dabei zugleich ein globales Profi l aufzubauen, das die Stärke und Kohärenz ihrer Marken über alle Märkte hinweg garantiert.

Bilder zum Artikel:
Autorin(nen) / Autor(en):
Director
McKinsey & Company
Beraterin
McKinsey & Company