G·E·M Award 2015 für Prof. Götz W. Werner
Am 18. Februar 2015 – am Vorabend zum 19. G·E·M Markendialog Die digitale Beschleunigung verlangt mehr Markenführung – wurde von der G·E·M Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V. in Berlin zum fünften Mal der G·E·M Award verliehen. Mit dem G·E·M Award wurden 2011 Emil Underberg, 2012 Albert Darboven, 2013 Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell und 2014 Dr. h.c. August Oetker geehrt. Preisträger 2015 ist Prof. Götz W. Werner, Gründer und Aufsichtsrat der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Karlsruhe.
Der G·E·M Award ist ein Ehrenpreis für Marken- und Unternehmensführer, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als Persönlichkeit ihre Marken zu Persönlichkeiten heranreifen lassen. Und dass sie die Entwicklung auf dem Gebiet der Markenführung und der Markentechnik entscheidend beeinflussen, also Vordenker auf dem Gebiet des Markenwesens sind.
„ Götz Werner ist ein Pionier – im Denken und im Handeln. “
Nach vier Persönlichkeiten aus der Markenindustrie wurde in diesem Jahr erstmals eine Persönlichkeit aus dem Handel mit dem G·E·M Award geehrt: Götz W. Werner, geboren am 5. Februar 1944 in Heidelberg; sein Vater betrieb in dritter Generation in Heidelberg eine Drogerie mit einigen Filialen. Götz W. Werner absolvierte 1961 bis 1964 in Konstanz eine Drogistenlehre; es folgte Berufspraxis in verschiedenen Handelsunternehmen; 1968 Eintritt in das elterliche Droge- Wolfgang K.A. Disch, Geschäftsführer G·E·M. Fotos: Christian Kruppa, Berlin riegeschäft in Heidelberg. Ein Jahr später wechselt Werner zur Karlsruher Großdrogerie Idro der Firma Carl Roth. Als Jung-Manager analysiert er die Situation des süddeutschen Großdrogisten und kommt zu dem Schluss, dass der Kunde nicht unbedingt das Gespräch, sondern seinen Vorteil sucht. Für Werner entsteht das Konzept, dass Drogerieartikel für den Kunden preiswerter werden müssten. Werner schlägt der Geschäftsführung die Einführung des Discounter- Prinzips vor: Selbstbedienung und kompetente Kunden-Fachberatung ohne die Preisbindung der zweiten Hand, denn diese ist ab 1. Januar 1974 in Deutschland verboten. Seine innovativen Ideen aber werden abgelehnt. Die Folge:
Götz W. Werner macht sich selbstständig, eröffnet am 28. August 1973 in Karlsruhe seinen ersten eigenen Drogeriemarkt, kurz dm. Der Grundstein war gelegt für die spätere dm-drogerie markt GmbH + Co. KG. Heute – 42 Jahre danach – ist dm in zwölf europäischen Ländern mit über 3000 Märkten präsent. Mehr als 36 000 Menschen arbeiten in über 1600 dm-Märkten in Deutschland, in den Verteilzentren und in der Karlsruher Unternehmenszentrale. Zusammen mit den Mitarbeitern im europäischen Ausland sind es über 52 000 Menschen. Im Geschäftsjahr 2013/14 erzielte das Unternehmen in Deutschland einen Umsatz von 6,4 Milliarden Euro, europaweit lag der Umsatz bei 8,32 Milliarden Euro.
Am 16. Mai 2008 übergibt Götz W. Werner den Vorsitz der Geschäftsführung von dm-drogerie markt an Erich Harsch, der seit fast 27 Jahren für dm arbeitet, und wechselt in den Aufsichtsrat.
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit ist Götz W. Werner ehrenamtlich aktiv: Seit Februar 2006 Präsident des EHI Retail Institut e.V., Köln. Im Oktober 2003 wird ihm die Professur für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe angeboten; er wird zum Leiter des Interfakultativen Institut für Entrepreneurship am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berufen, wo er bis zum 30. September 2010 tätig ist. Im Oktober 2008 übernimmt Werner an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn eine Gastprofessur. Im September 2013 erscheint im Econ-Verlag Werners Autobiographie mit dem Titel: Womit ich nie gerechnet habe.
Aus der Laudatio von Franz-Peter Falke
Als Laudator für den mit dem G·E·M Award 2015 zu ehrenden Prof. Götz W. Werner hatte die G·E·M Herrn Franz-Peter Falke, geschäftsführender Gesellschafter der Falke KGaA, seit 2005 Präsident des Markenverband e.V., gewonnen. Falke begrüßte den Laureaten mit den Worten:
Eine Laudatio auf einen Menschen zu halten, dem in der jüngsten Vergangenheit so viele Auszeichnungen und Ehrungen zuteil geworden sind, das ist eine echte Herausforderung. Sie wurden geehrt für Ihr alternatives Marketing, für Ihr Ausbildungskonzept, für Ihr Lebenswerk. Ihnen wurde das Bundesverdienstkreuz am Bande und das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen. Sie erhielten die Auszeichnung Entrepreneur des Jahres und Beste Unternehmermarke und wurden in die Hall of Fame des Manager Magazins aufgenommen.
„ So wie ich mit meinen Mitarbeitern umgehe, so gehen diese mit den Kunden um. “ Prof. Götz W. Werner,
Gründer und Aufsichtsrat der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG, Karlsruhe.
Wenn heute die G·E·M Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens Sie ehrt, dann geht es um die Würdigung Ihres Denkens und Handelns in Bezug auf Marke und Markenführung. Wer sich mit Götz W. Werner und den vergangenen 42 dm- Jahren intensiver befasst, wird drei Facetten ausmachen, die diesen Unternehmensführer geprägt haben: Er denkt und handelt als Pionier, Humanist und Marken-Initiator.
Götz Werner – der Pionier
Bei Pionier und Unternehmer ist der Name des Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter nicht weit. Schumpeters innovative Pionier-Unternehmer waren junge Leute, die erst einmal nicht mehr besaßen als eine Idee. Schumpeter hätte zweifellos seine Freude an dem damals knapp 30-jährigen Götz W. Werner gehabt. Entsprach er doch genau seiner Vorstellung von jungen Pionieren.
Und Werner war in der Tat Pionier gleich in mehreren Bereichen, was die folgende kleine Auswahl zeigt: Die Einführung des Discounter-Prinzips für Drogeriewaren 1973. Das Konzept, die Kunden als Menschen zu begreifen und als Menschen zu behandeln; was sich im dm-Slogan „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ widerspiegelt. Die frühe umweltorientierte Sortimentsgestaltung; so 1984 die Einführung von Bio-Lebensmitteln, als „Öko“ für die meisten Menschen noch ein Fremdwort war. 1994 die Idee, die Aktionitis abzuschaffen und auf niedrige dm-Dauerpreise umzustellen. Das gelebte Credo, dass ein Unternehmen durch immer neue Projekte, in die die Mitarbeiter permanent eingebunden sind, eine positive Unruhe erfährt. Seit 2005 Einsatz für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland; die Anfänge seiner Ideen dazu reichen bis ins Jahr 1982 zurück.
=> Götz Werner ist ein Pionier – im Denken und im Handeln. Er hinterfragt, er stellt zur Diskussion, er bindet Mitarbeiter von Anfang an in Entwicklungen ein, er lässt eine „Arbeitsgemeinschaf t dm-droger ie markt“ entstehen. Früh erkennt er die große Veränderung im Marketing, die er auf die kurze Formel bringt: Marketing als Sog und nicht als Druck.
Götz Werner – der Humanist
„Man muss sich selbst aufmerksam machen – auf die Menschen und die Welt um einen herum. Dazu muss man die Menschen und die Welt an sich herankommen lassen und schauen: Berührt es mich? Lehne ich es ab? Was macht es mit mir? Das erfordert eine seelische Offenheit.“ Mit diesen wenigen Worten bringt Götz W. Werner, der bekennende Anthroposoph, in seiner Autobiographie das, was ihn bewegt, auf den Punkt. Und er hat dies in seinem Unternehmen auf einzigartige Weise umgesetzt. Aus der Überzeugung heraus, dass der arbeitende Mensch nicht Mittel, sondern Zweck ist, hat er eine dm-eigene Arbeitsorganisation sowie Führungsund Unternehmenskultur geschaffen.
Götz Werner hat stets den Menschen – als Mitarbeiter und als Kunde – im Visier. Da es um Marke geht, interessiert insbesondere der Mensch als Konsument und Kunde. „Sich die Probleme des Konsumenten zu eigen machen“, das ist einer der Grundsätze der dm-Unternehmensphilosophie. Diskussionen zu diesem Thema gelangen oft sehr schnell zum Thema Kundenbindung. Doch hier reagiert Götz Werner höchst sensibel. Beim 8. G·E·M Kamingespräch am 15. Oktober 2008 fragt er seine Zuhörer: „Lassen Sie sich gern binden? Ist Kundenbindung überhaupt ein richtiger Gedanke? Ist es richtig, von Bindung zu sprechen, wenn es um Marke geht? Entsprechen die Begriffe, die wir da verwenden, dem, was wir wollen?“ Und er gibt auch seine Antwort: „Wenn wir es mit dem Binden wirklich ernst nehmen würden, hätten wir keinen Erfolg. Die Frage ist doch, wie es uns gelingt, dass sich Menschen mit uns verbinden. Der Kunde muss kaufen wollen, weil er die Verbindung sucht.“
=> Götz Werner ist ein Humanist – im Denken und im Handeln. Stets hat er den Menschen im Visier – als Mitarbeiter und als Kunde. Und für Werner besteht ein enger Zusammenhang zwischen diesen beiden Menschen, was er in die kurze Formel bringt: „So wie ich mit meinen Mitarbeitern umgehe, so gehen diese mit den Kunden um.“
Götz Werner – der Marken-Initiator
Kein Handelsunternehmen in Deutschland ist so häufig auf den Spitzenpositionen von Marken-Rankings vertreten wie dm. Zum Beispiel: dm zählt zu den wertvollsten deutschen Händlermarken. dm-drogerie spielt bei den Lieblingsmarken der Deutschen ganz vorne mit. dm-drogerie markt hat die zufriedensten Kunden im Handel. Oder auch Götz Werner als die Beste Unternehmermarke.
dm ist Marke, daran besteht kein Zweifel. Und dm-drogerie markt führt eigene Marken, die sogenannten Qualitätsmarken: 23 dm-Marken, exklusiv für dm entwickelt und besonders günstig.
„ Für Götz Werner gehören Marke und Vertrauen unzertrennlich zusammen. “
Hat Götz Werner diese Händlermarke mit ihren 23 Handelsmarken mit rund 2700 Produkten geschaffen? Fragen wir nach bei Hans Domizlaff in seinem Buch Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik. Domizlaff schreibt: „Man sagt zwar, dass der Markentechniker eine Marke schafft, aber das ist nur eine sprachliche Vereinfachung. Der Markentechniker liefert gewissermaßen nur eine Materialkomposition, die besonders geeignet und verführerisch ist, um von der Masse aufgenommen und zu einer lebendigen Marke auferweckt zu werden.“
Genau dieses hat Götz Werner getan. Er hat etwas geliefert, Domizlaff nennt es eine Materialkomposition, aus der in den Köpfen der Menschen „Marke“ entstehen konnte. Die Händler- Marke „dm“ ebenso wie die 23 Handelsmarken. Götz Werner hat etwas initiiert. Deshalb die Überschrift zur dritten Facette: Götz Werner – der Marken-Initiator. Doch lassen wir noch einmal Götz Werner selbst zu Wort kommen: „Durch die Führung des Unternehmens selbst können die Werte erzeugt werden, die unmittelbar als Markenaussage kommuniziert werden. In diesem Ansatz ist Markengestaltung keine primäre Design-Frage, sondern die Frage nach der Identitätsbildung eines Unternehmens durch die Qualität seiner Führung selbst. Dafür müssen wir Gründe liefern, indem wir die Frage beantworten, was das Unternehmen tut. Zum Beispiel: Lehrlinge umfassend bilden, Sozialkompetenz zeigen, Fair Trade praktizieren, die Mitarbeiter schätzen u.v.a.m. Der Kunde kann dann sagen: Wenn ich hier einkaufe, ermögliche ich denen, dass die mit ihrem Unternehmen so weitermachen.“ Markenaufbau in einer sehr subtilen Weise – nennt das Werner.
Bemerkenswert ist, dass im Unternehmen dm-drogerie markt gar nicht so viel über Marke und Markenführung gesprochen wird. Auch in seiner Autobiographie gibt es kein eigenes Kapitel zur Marke. Ebenso wird das auf Symposien und in der Literatur oft heiß diskutierte „Handels- Marke contra Hersteller-Marke“ nicht thematisiert. Weil das „Marke entstehen lassen“ eben in der von Werner genannten sehr subtilen Weise erfolgt. „Wenn sich ein Unternehmen des Handels etabliert hat, entsteht Marke“ – sagt er.
Für Götz Werner gehören Marke und Vertrauen unzertrennlich zusammen: Zutrauen gewinnen und Vertrauen verdienen sind das Fundament jeder Gemeinschaft. „Eine Marke, die Zutrauen verspielt und Vertrauen missbraucht, gleicht einem fliegenden Händler. Der will keine Gemeinschaft, er täuscht dies des schnellen Geldes zuliebe nur vor. Er spielt Marke.“ Und: „Starke Marken sind die, mit denen sich viele Menschen verbinden können.“
Noch ein letzter Gedanke zur Marke von Götz Werner. Für ihn ist Marke praktische Philosophie: Je größer das Einvernehmen der Mitarbeiter mit der Marke ist und je stärker sich diese mit deren Wertorientierung identifizieren, umso größer ist ihre Bereitschaft, aus eigener Einsicht intelligent im Sinne der Marke – dem unternehmerischen Ganzen – kundenorientiert zu handeln. Eine Führung, die diese Prozesse evoziert, wirkt damit unmittelbar markenbildend. Und das heißt für Werner: Mitarbeiter sind die besten Marken-Botschafter.
„ Starke Marken sind die, mit denen sich viele Menschen verbinden können. “
=> Götz Werner ist ein Marken- Initiator – im Denken und im Handeln. Er hat unter Beweis gestellt, wie man Marken entstehen lassen kann. Dass Markenaufbau in einer sehr subtilen Weise erfolgen muss, und dass Marke eine sehr praktische Philosophie ist.
Die Kugel „Unruhe und Innovation“ auf dem Kubus „Menschen und Vertrauen“
Die Begründung der Jury für den G·E·M Award 2015 ist in einer Urkunde verbrieft. Diese übergeben Franz- Peter Falke als Laudator und Friedrich Neukirch, Präsident G·E·M, im Anschluss an die Laudatio zusammen mit Goethes „Stein des guten Glücks“ an Prof. Götz W. Werner. Der „Stein des guten Glücks“ ist eine Kugel auf einem Kubus: Der Kubus oder Würfel symbolisiert das Statische, Gefestigte und Ruhende, Beständigkeit und Gelassenheit. Die darüber liegende Kugel drückt Bewegung, Kreativität und Dynamik aus. Die Kugel ruht auf dem Kubus. Das Ganze stellt eine gelungene Verbindung dieser beiden Elemente dar: Das Rollende auf dem Festen, das Wandelbare über dem Unabänderlichen. Lässt sich Marke besser versinnbildlichen?
Ist das nicht auch Sinnbild der Götz W. Werner-Philosophie und damit der dm-Philosophie? Die Kugel „Unruhe und Innovation“ auf dem Kubus „Menschen und Vertrauen“.
Die Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens verleiht den „G·E·M Award“ 2015 an Prof. Götz W. Werner in Würdigung
- seiner langfristig gelebten Philosophie, ein Unternehmen nach den Prinzipien von Persönlichkeitsentwicklung, Vertrauen und Kreativität zu führen
- seines immerwährenden Bemühens, die Kunden als Menschen zu begreifen und als Menschen zu behandeln
- seiner tiefen Überzeugung, dass Marke keine primäre Designfrage ist, sondern die Frage nach der Identitätsbildung eines Unternehmens durch die Qualität seiner Führung
- seiner auf Erfahrung beruhenden Erkenntnis, dass Mitarbeiter des Unternehmens die besten Marken-Botschafter sind
- seines täglich angetretenen Beweises, dass Marke nicht durch Kunden- Bindungs-Maßnahmen entsteht, sondern durch gelebte Marke-Kunden- Beziehungen
- seines nicht müde werdenden Bestrebens, das Unternehmen jeden Tag neu zu erfinden
- seines persönlichen Einsatzes für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Am 5. Februar 1944 in Heidelberg geboren, 1961 bis 1964 Drogistenlehre in Konstanz, Berufspraxis in verschiedenen Handelsunternehmen, 1968 Eintritt in das elterliche Drogeriegeschäft in Heidelberg. 1969 Wechsel zur Karlsruher Großdrogerie Idro der Firma Carl Roth. Am 28. August 1973 Eröffnung des ersten eigenen Drogeriemarktes in Karlsruhe, kurz dm. 42 Jahre danach ist dm in zwölf europäischen Ländern mit über 3000 Märkten präsent. Am 16. Mai 2008 Übergabe des Vorsitzes der Geschäftsführung an Erich Harsch und Wechsel in den Aufsichtsrat. Seit Februar 2006 Präsident des EHI Retail Institut e.V., Köln. Oktober 2003 Professur für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe, Oktober 2008 Gastprofessur an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn.