Fifty Shades of Sense - Inspiration analog: Science Fiction im haptischen Markt

Fifty Shades of Sense - Inspiration analog: Science Fiction im haptischen Markt

Ein Rückblick auf die Leitmesse der haptischen Branche. 29. April 2041: Gestern ging die 25. Inspiration analog zu Ende. Über 3400 Aussteller aus 89 Ländern präsentierten auf der Friedrichshafener Messe fünf Tage lang Neuentwicklungen und Trends der haptischen Branche. Mit 462 000 Besuchern wurde eine neue Rekordmarke erzielt.

Wie in den Vorjahren waren die Sonderschauen und Vorträge rund um Humandroids der Publikumsmagnet, woraus auch 3D-Print immer neue Impulse bezieht.
Ein Dauerbrenner bleibt das Thema Haptikpiraterie. In mehreren viel beachteten Diskussionsrunden trafen sich Marketingexperten und Juristen mit Vertretern aus Politik und Industrie. Der Rechtsstreit zwischen GM Googlecars und ATD AudiTesla- Daimler über Verletzungen der patentierten Corporate Haptics erhitzt seit zwei Jahren die Gemüter und wird wohl bald in eine neue Runde gehen.
Als einer, der die Entwicklung des haptischen Marktes von Anfang an begleitet und kommentiert hat, nehme ich das 25-jährige Jubiläum zum Anlass für eine Rückschau auf das Werden der haptischen Branche und auf die Ursprünge der Messe.
Wir, eine kleine Gruppe von Mutigen (realistisch gesprochen, wurden wir eher als Verrückte betrachtet), erlebten damals viele Entwicklungen des Internetzeitalters als völlig aus dem Ruder gelaufen. Am Anfang stand unsere These, dass parallel zum digitalen Markt ein zweiter Megatrend im Entstehen begriffen war, den wir als den „haptischen Markt“ bezeichneten.
Dies zu einer Zeit, als in der analogen Branche unter Haptik verstanden wurde, dass Textilien und Papier sich irgendwie anfühlten und die digitale Branche Touchscreens entwickelte. Wobei Letzteres mehr Erfolg hatte und bewies, dass man die nahenden Herausforderungen verstanden hatte.
Um den Fortschritt nicht kampflos den Digitalen zu überlassen, forderten wir echte Innovationen im haptischen Markt, einen Technologiesprung, vergleichbar dem in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als sich innerhalb weniger Jahrzehnte das Wählscheibentelefon zum „Smartphone“ entwickelte (Anmerkung des Verfassers für die jüngeren Leser dieses Beitrags: Eine Wählscheibe war die analoge Eingabevorrichtung eines Telekommunikationsendgerätes, mit dem Nummern generiert werden konnten, sogenannte Telefonnummern, was zum Aufbau einer Sprechverbindung führte. Smartphones hießen die Vorläufer der jetzigen Humanodigs – sie benutzten ebenfalls noch manuelle Eingabesysteme, jedoch auf Tasten- oder Screenbasis).
Unverständnis war meist noch das Beste, was wir ernteten: „Ein Buch heute ist immer noch das Gleiche wie vor 200 Jahren und ein Tisch ist ein Tisch! Wo soll da die Innovation herkommen?“ So erinnere ich mich noch gut an den höhnischen Kommentar eines Social-Media-Managers während einer Podiumsdiskussion im Jahr 2014: „Was erwarten Sie denn? Dass das Buch zu stöhnen beginnt, wenn ich es aus dem Schrank hole?“ Immerhin, er gab uns damit die Idee für die erste Generation der intersensitiven Bücher, die wenige Jahre später schon dem bereits ins Stocken kommenden E-Book- Markt schwer zu schaffen machte.
Letztlich erging es uns also nicht anders als vielen Pionieren der Computerbranche. Man war damals genauso festgefahren im Bekannten wie nun unsere Kritiker. Aussagen wie „Es gibt keinen Grund, warum jeder einen Computer zu Hause haben sollte“ oder Studien in Deutschland Ende der 70er-Jahre, dass der Markt für Mobiltelefone bei maximal zwanzigtausend Stück läge, sind wohl von derselben beschränkten Position aus getätigt worden.
Sicherlich sehnten wir uns nicht in die „guten alten analogen Zeiten“ unserer Eltern zurück. Vielmehr zogen wir unsere Schlussfolgerungen aus dem „Computer- und Internetzeitalter“. Der Erfolg der digitalen Branche bestand ja darin, dass technische Entwicklungen gesellschaftlichen Trends sowohl folgten wie sie diese auch formten. Da war ein echter Austausch zwischen Entwicklern und Anwendern, angetrieben von einigen Visionären, mit einer großen Basis an Gefolgschaft, die an technische wie gesellschaftliche Science Fiction glaubten.
Es resultierte ein Innovationsstrom, der in unzählige Marktnischen quoll und neue Berufsfelder wie auch Lebensentwürfe hervorbrachte.

Ein Buch heute ist immer noch das Gleiche wie vor 200 Jahren, und ein Tisch ist ein Tisch! Wo soll da die Innovation herkommen?

Die Schattenseiten der Entwicklung jedoch wurden viel zu lang verdrängt. Datenskandale, wie sie durch den heutigen Ehrenbürger der USAC, Edward Snowden, aufgedeckt wurden, waren dabei jedoch nur der Anfang. Als viel gravierender zeigte sich, dass entgegen allen herrschenden Vorstellungen tatsächlich gar keine Zunahme von Wertschöpfung im volkswirtschaftlichen Sinn stattfand. Ein Großteil der Geschäftsmodelle beschränkte sich darauf, Konsumenten den möglichst günstigen Zugang zu Produkten und Dienstleistungen aufzuzeigen. Neues wurde dadurch jedoch nicht hervorgebracht, dafür aber enormer Margendruck auf die immer austauschbareren Produkte ausgeübt, was Investition in langfristig vielversprechende Innovationen nicht mehr zuließ – wobei „langfristig“ im kapitalgetriebenen Markt als Begriff kaum mehr zu finden war. Als die Illusionsblase vom digitalen Wachstumsmotor platzte („web 4.0“ hieß das Zaubermantra), kam vielen leidvoll jäh ins Bewusstsein, dass sie über Jahre hinweg den volkswirtschaftlichen Arm, der sie letztlich trug, amputiert hatten. Damals entstand auch der Begriff des „digitalen Proletariats“.
Dem haptischen Markt war dies sehr zuträglich. Denn jene, die aus der großen digitalen Wirtschaftskrise heraus sich neu besannen, erkannten nun die gemeinsamen Chancen. Der alte digitale und der alte haptische Markt wuchsen zu etwas Neuem zusammen, das sich erst in den letzten zehn Jahren in seiner ganzen Bedeutung offenbart hat. 2016 war das so noch nicht abzusehen.
Die Idee zur Inspiration analog wurde also geboren, als das Smartphone das Maß aller Dinge war und für viele zu einer Art Fetisch wurde. Ein Gerät, von dem viele Jüngere heute schon nicht mehr wissen, was das gewesen sein soll und jedenfalls nicht verstehen, was „cool“ (heute würde man wohl „mollo“ dazu sagen?) daran gewesen sein mag, mit Menschen zusammenzusitzen, die sich nicht mit einem unterhielten, sondern stattdessen auf einen fummeligen kleinen Bildschirm guckten. Es war die Zeit, als man Humandroids noch „Roboter“ nannte und ernsthaft daran gedacht wurde, Geld in seiner physischen Form abzuschaffen. Der Zusammenbruch des Weltfinanzsystems im Mai 2023 hat überdeutlich gezeigt, wohin Schwarmdemenz führt.

Wie seit ihr eigentlich überhaupt noch zum Arbeiten gekommen bei dieser Dauerablenkung?

Diese Frage stellte in einer Diskussionsrunde eine junge Studentin, die gerade von einem Praktikum aus Karthum zurückgekehrt war, der Turnushauptstadt der Afrikanischen Union. Im Zentrum der eurafrikanischen Kommunikationsindustrie konzentriert man sich auf digimentale Steuersysteme, jedoch macht zunehmend der Mangel an Fachkräften Sorge, die über längere Zeitfenster hinweg über die für die Bedienung notwendige Konzentrationsfähigkeit verfügen, die vielen als Gradmesser für Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt gilt.
Deshalb war die neuartige kinästhetische Feedback-Schleife von afropathics plc. der Magnet vieler Fachbesucher. Die zugrunde liegende Embodiment- Technologie ermöglicht, durch gezielte viszerale Stimulation dauerhaft wirksame und auch unter Stress abrufbare kinästhetische Anker zu setzen. Eine Technologie, die dem enormen Preisverfall bei Mnemochips, die lange Zeit als Rettung der alten digitalen Branche gegolten hatten, wohl weiteren Schub geben wird.
Von den beschriebenen Entwicklungen konnte man beim Start der Inspiration analog natürlich noch nicht einmal träumen.
Ich habe noch einen Flyer der Inspiration analog von 2016 zu Hause. Die Themen, die damals State of the Art waren, wirken heute überholt oder selbstverständlich:

 

  • Piezoelektrische Effekte metallisierter Ligninfasern, die Verpackungen in Vibrations- und Wärmezustände versetzen und dadurch eine Interaktion zwischen Käufer und Verpackung sowohl am Point of Sale als auch in der täglichen häuslichen Nutzung ermöglichen.
  • Notwege, die auf Basis intuitiv verstehbarer haptischer Signale funktionieren.
  • Haptisch klar definierte Materialien im Sinne des Corporate-Haptics- Gedanken.
  • Schmiegekartons in Form des Verpackungsgutes, die ressourcensparend gleichzeitig als Schmuck- wie auch Transportverpackung dienen.
  • Bilderdruckpapiere mit schwammartiger Oberfläche.

Nun ja, an mehr war 2016 noch nicht zu denken. Trotzdem war es deutlich mehr, als die meisten damals denken konnten.

 

Autorin(nen) / Autor(en):
Geschäftsführer
König Konzept, Kommunikations- und Produktionsagentur