Effektive Werbeansprache von Frauen und Männern im Internet

Effektive Werbeansprache von Frauen und Männern im Internet

Ob Digital Native oder Silver Surfer, ob Computer-Freak, LOHA oder Fashionista – mittlerweile lässt sich (fast) jede Zielgruppe im Internet finden und durch Online-Werbung ansprechen.

Die Zahl von knapp 50 Millionen Online-Nutzern über 14 Jahre in Deutschland belegt eindeutig, dass das Internet längst kein Nischenmedium mehr ist. Doch hat sich das Internet nicht nur quantitativ (Reichweite), sondern auch qualitativ (Inhalte & Technologien) weiter entwickelt und damit an Attraktivität für Werbetreibende gewonnen. Folgerichtig sind heute von Touristikunternehmen über Automobilhersteller bis hin zu Nahrungsmittelherstellern fast alle großen Werbetreibende im Internet vertreten. Dadurch haben sich auch die Ziele von Online-Werbung vervielfacht: Nicht mehr nur der Klick und der direkte Abverkauf sind das Maß aller Dinge. Online kann auch Branding – so der Wunsch bzw. Anspruch von Werbetreibenden, Agenturen und Vermarktern.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, reicht es bei Weitem nicht aus, passende bzw. affine Umfelder für eine Kampagne auszuwählen und dort simple Banner auszusteuern. Wer eine nachhaltige Brandingwirkung durch seine Online-Kampagne erzielen möchte, muss zudem auch die Kreation online- und zielgruppengerecht optimieren und einen geeigneten Formate- Mix auswählen. Welche „Regeln“ hier aber für unterschiedliche Nutzergruppen zu beachten sind, ist weitgehend unerforscht. Obwohl z.B. fast jedes Media- Briefing das Geschlecht als Zielgruppenmerkmal enthält, existieren bisher nur wenige Erkenntnisse darüber, wie sich Frauen und Männer hinsichtlich ihres Online-Verhaltens und ihrer Werbeakzeptanz im Internet unterscheiden. Gerade der Blick auf die weibliche Zielgruppe scheint dabei zunehmend lohnenswert, hat sie doch in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. So sind laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) Frauen in Deutschland für 72 Prozent aller Konsumausgaben verantwortlich. Auch was die Online-Nutzung angeht, haben Frauen enorm aufgeholt. So stellen Frauen laut den AGOF Internet Facts 2010/II mit 23,1 Millionen Unique Usern bereits 46 Prozent der gesamten Online-Nutzerschaft; in den jüngeren Nutzergruppen erreichen sie fast schon die Hälfte.
Das weitgehende Fehlen von Erkenntnissen zur geschlechtsspezifischen Werberezeption ist umso verwunderlicher, als die Gender-Forschung bereits einige Erkenntnisse über  typisch weibliche und typisch männliche Informationsverarbeitungsstile liefert. So neigen Männer zu einem sogenannten selektiv-heuristischen Verarbeitungsmuster. Sie konzentrieren sich eher auf Fakten und objektive Botschaften bzw. Informationen. Wahrgenommen werden dabei in erster Linie selbstrelevante Informationen, d.h. Informationen, die die eigene Person betreffen. Frauen hingegen verarbeiten auch verstärkt Informationen, die für das engere soziale Umfeld – also die Familie oder Freunde – relevant sind. Allgemein haben sie eine niedrigere Wahrnehmungsschwelle und sind dadurch im Vergleich zu Männern einfacher durch Botschaften zu erreichen. Neben Faktenwissen interessieren sich Frauen auch stärker für subjektive Informationen und emotionale Reize und verarbeiten mehr Details. Dieser Informationsverarbeitungsstil wird daher auch als holistisch-interpretierend bezeichnet.

Geschlechtsspezifische Verarbeitungsmuster

Doch wie wirken sich diese unterschiedlichen Verarbeitungsmuster auf die Werberezeption im Internet aus? Um diese Frage genauer zu beleuchten, hat InteractiveMedia in Zusammenarbeit mit dem Forschungsunternehmen Phaydon eine qualitative Studie – bestehend aus umfassenden Einzelexplorationen und Fokusgruppen mit Kreativparts – durchgeführt. Insgesamt beinhaltete die Untersuchung freie Surfaufgaben, Use Cases, Detailexplorationen zu ausgewählten Werbeformen sowie Kreativaufgaben. Dazu wurde eine Vielzahl relevanter Parameter zur Werbeakzeptanz und -beurteilung abgefragt bzw. diskutiert (wie z.B. Spontanassoziationen, Gefallen und Anmutung, Verständnis der Botschaft, Imagewirkung und Informations- und Kaufinteresse).
Vor allem durch die Einzelexplorationen konnten zunächst Unterschiede im Surfverhalten aufgedeckt werden. Während viele männliche User (gefühlt) permanent online sind, neigen Frauen zu einem „On-Off- Verhalten“ in ihrer Internetnutzung. Wenn sie ins Internet gehen, dann meistens bewusst und auch mit einem konkreten Ziel – auch wenn das Ziel „nur“ darin besteht, sich treiben zu lassen oder sich zu entspannen. Männer surfen weniger zielgerichtet und lassen sich schneller ablenken; daher fühlen sich Männer auch eher gestresst durch die Stimulusvielfalt der Online-Welt. Thematisch suchen Frauen besonders Unterhaltung und Entspannung, Männer eher einen Mix aus Information und Unterhaltung. Auch ein Blick in die Internet Facts 2010/II zeigt Geschlechtsunterschiede: So geben mehr Frauen als Männer an, mindestens gelegentlich Sites zu den Themen Stars und Prominente und Horoskope zu nutzen, wohingegen Männer deutlich häufiger Sportergebnisse und -berichte sowie Testergebnisse und Nachrichten online abrufen.

Männer surfen weniger zielgerichtet und lassen sich schneller ablenken; daher fühlen sich Männer auch eher gestresst durch die Stimulusvielfalt der Online-Welt.

Wesentliche Unterschiede ergeben sich auch in Bezug auf die Werbewahrnehmung und -rezeption. Ein erstes überraschendes Studienergebnis ist, dass Frauen tendenziell offener auf Online-Werbung reagieren, insbesondere, wenn es um aufwendigere Werbeformen wie expandierende Formate, Bewegtbild-Werbung und Specials geht. Ein Grund dafür ist, dass weibliche User eine ästhetische, ganzheitliche Werbeansprache schätzen, also beispielsweise großflächige, auf den Content abgestimmte Werbeformate. Männern ist es hingegen wichtiger, dass Werbung klar gekennzeichnet ist und den Content nicht überlagert oder zumindest klare Steuerungsmöglichkeiten (z.B. einen deutlichen „Schließen- Button“) bietet. Konkret lässt sich aus den Studienergebnissen ableiten, dass sich zur Ansprache von Männern u.a. Content-umrahmende Display-Formate sehr gut eignen. Diese sollten die Werbebotschaft prägnant auf den Punkt bringen und sich möglichst eindeutig vom Content abgrenzen. Aufgrund ihrer geringeren Wahrnehmungsschwelle sollte aber darauf geachtet werden, dass die Werbung entsprechend großflächig ausfällt. Display-Ads für die weibliche Zielgruppe sollten vor allem ansprechend und stimmig gestaltet sein. Expandierende Formate sind besonders dazu geeignet, das Interesse der weiblichen User zu wecken. Zudem können Werbetreibende mit Specials bei Frauen punkten, wenn diese alltagsrelevante Informationen liefern und/ oder stimmungsvolle Markenwelten inszenieren. Video- Ads sprechen beide Geschlechter gleichermaßen gut an, wobei Männer wiederum in erster Linie Wert auf Informationen legen, während Frauen wichtig ist, dass die Spots eine Geschichte erzählen. Des Weiteren weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass die kreativen Möglichkeiten von Online- Werbung noch stärker genutzt werden sollten. Interaktive Werbeformen, die User aktiv einbinden, sind immer noch relativ selten. Solche Mitmach-Ads wurden in der Studie sowohl von männlichen als auch von weiblichen Teilnehmern sehr positiv bewertet. Der Fit zwischen Werbemittel und Umfeld bzw. mit der Nutzungssituation ist ein weiterer „geschlechtsunabhängiger“ Erfolgsfaktor. So erwarten User und Userinnen in Informationsumfeldern eher schlichte, prägnante Werbeformen, wohingegen die Werbung in Unterhaltungsumfeldern kreativ, bunt und bewegt sein sollte.

 

Passgenaue Werbung für Frauen

Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass Frauen aufgrund ihrer Bedeutung als Kaufentscheider ein enormes Kundenpotenzial bieten. Dieses gilt es, mit passgenauer Werbung zu nutzen. Gerade online bieten sich aufgrund ihres tendenziell entspannten Surfverhaltens, ihrer niedrigen Wahrnehmungsschwelle und ihrer Offenheit gegenüber innovativen Werbeformaten ausgezeichnete Voraussetzungen für eine effektive Werbeansprache von Frauen. Doch auch Männer möchten durch auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Werbung im Internet „abgeholt“ werden. Gelingt dies, dürfen wir in Zukunft auf noch mehr erfolgreiche Branding-Kampagnen im Netz gespannt sein.

Autorin(nen) / Autor(en):
Managerin Marktforschung
InteractiveMedia CCSP