40 Jahre Marketing Journal

40 Jahre Marketing Journal

Zukunft braucht Herkunft

Als unabhängiges Autoren-Journal hat das 1968 gegründete „Marketing Journal“ im deutschsprachigen Raum über 40 Jahre Akzente gesetzt. Nun wurde das Heft zu seinem 40. Geburtstag eingestellt. Doch mit dieser Entwicklung geben sich weder die Macher noch die Freunde des „Marketing Journal“ zufrieden. Die Erfolgsgeschichte des Mediums soll weitergehen. Deshalb startet die langjährige Münchner Redaktion des „Marketing Journal“ (2002–2007) zum 41. Jahrgang mit „Marke 41 – Das neue Journal für Marketing“ und knüpft so an die Tradition des „Marketing Journal“ an. Hier ein kurzer Rückblick auf das Marketing während vier Dekaden „Marketing Journal“. Aufzeichnungen aus einem Gespräch mit Wolfgang K.A. Disch, Verleger aus Hamburg, der 1968 das „Marketing Journal“ begründete und bis 2001 führte.

Was ist eigentlich Marketing? Als ich 1960 mit der Disziplin Absatzwirtschaft in Kontakt kam, spielte das Wort Marketing weder an der Universität noch im berufl ichen Alltag eine Rolle. Durch Zufall kam ich zum Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA)und bekam dort eine Forschungsstelle Absatzwirtschaft angeboten. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, weltweit relevante Medien zu beobachten, die etwas mit diesem Gebiet zu tun hatten. Dabei fiel mir auf, dass in Deutschland ein Fachmedium für Marketing fehlte. Es gab zwar eine Absatzwirtschaft, später auch eine w&v, meine Rubrik "Aktuelle Absatzwirtschaft" im Wirtschaftsdienst des HWWA sei nicht vergessen, aber doch keine Fachzeitschrift, die sich an das renommierte englischsprachige Journal of Marketing anlehnte. Diese Lücke galt es zu schließen, und so erwachte in mir der Unternehmer. Mir schwebte von vornherein eine Publikation für angewandtes Marketing vor, die anspruchsvoll, nicht zu akademisch und stark praxisorientiert sein sollte. Das war die Geburtsstunde des Marketing Journal: im Herbst 1967 von mir konzipiert, im Februar 1968 in Hamburg von Dieter Benecke als Verleger und mir als Chefredakteur ins Leben gerufen; Oktober 1971 wurde ich Verleger, Herausgeber und Chefredakteur.

Klares Konzept mit starkem Praxisbezug

Das Konzept war klar und einfach: Das Marketing Journal stand als Autoren-Journal von der ersten Ausgabe an für angewandtes Marketing, für Anleitungen "how to do" und für Informationen, die der Praktiker im Alltagsgeschäft braucht. Diese Basiselemente wurden durch echte Erfolgsgeschichten ergänzt. Denn der Leser sollte nachvollziehen können, wie nachhaltiges Marketing funktioniert. Meine erste Story in der ersten Ausgabe 1/1968 des Marketing Journal war überschrieben mit "Erfolg durch Marketing: mon CHÉRI". Der Service-Charakter des Mediums wurde durch verständliche Sprache und leserfreundliches Layout unterstrichen. Auch die Auswahl der Autoren folgte einfachen Kriterien. Wer im Marketing Journal schreiben wollte, musste ein ausgewiesener Experte sein und für den Praktiker eine echte Botschaft haben. So war das Marketing Journal stets eines der ersten Medien, das sich mit den neuen Themen wie Verkaufsförderung, Product Management, Product Placement oder Sponsoring beschäftigt hat. Es ging im Marketing Journal immer darum, nah am aktuellen Geschehen dran zu sein, Trends zu erfassen und Themen zu entwickeln.

Instrumental Approach

Das Marketing Journal wurde durch seine Unabhängigkeit und durch die große Akzeptanz zum Protagonisten und über die Jahrzehnte zum Chronisten der Entwicklung des Marketings im deutschsprachigen Raum. In den 60er-Jahren sprach die amerikanische Literatur von product, functional and instrumental approach im Marketing. Dieser Instrumental Approach prägte die 60er-Jahre nachhaltig und die 4 Ps – product, price, promotion, place – von E. Jerome McCarthy (Basic Marketing. A Managerial Approach, 1960) – machten eine steile Karriere. In Deutschland war zu der Zeit noch meist vom Instrument der Verkaufsförderung die Rede. Doch schon bald "managte" der "Product Manager" den "Marketingmix". Und das Marketing Journal veranstaltete 1970 konsequenter Weise ein Product-Manager-Meeting, um Erfahrungen zusammenzutragen, zu veröffentlichen und um neue Ideen zu adaptieren.

Zielgruppen im Visier der Marketer


Schnell nahm die Fachdiskussion Fahrt auf. So wurden Zielgruppen nach demografi schen, später nach psychologischen Merkmalen das große Thema und Segmentierung war das Schlagwort, das die Fachwelt im Munde führte. Dann war von "Märkten" die Rede: Jugend-Markt, Baby-Markt, Freizeit-Markt und ab 1972 – der erste Beitrag im Marketing Journal – der Senioren-Markt. Wieder war das Marketing Journal der Zeit weit voraus. Der Begriff Marketing avancierte in dieser Zeit zum Modewort und nicht selten wurde der Begriff Verkauf einfach durch Marketing ersetzt. Das schlug sich selbst in der Sprachentwicklung im deutschsprachigen Raum nieder. Denn das Wort Marketing fand sich mit "Bindestrich" in den unmöglichsten Kombinationen, z.B. Absat z-Marketing, Personal-Marketing, Einkaufs-Marketing oder Zeit-Marketing. Im Marketing Journal war deshalb früh von der schleichenden Erosion eines griffi gen Begriffs die Rede und zur augenzwinkernden Mahnung an das geneigte Fachpublikum brachte ich in Heft 5/1998 eine Bestandsaufnahme mit exakt 707 Marketing-Bindestrich-Kombinationen.

Direktmarketing tritt neben das klassische Marketing


Bald schon suchten die Marketingleiter den direkten Kontakt zum Konsumenten. Erst in der Werbung, zum Beispiel durch Direct Mail, dann durch das Direktmarketing. Dieses verstand sich aber vorerst nicht als Teil des Marketings. Der Wunsch nach Direktkontakt zum Letztkunden wurde in der Folge immer intensiver. Einige Stichworte: passing-by des Handels, Sprung-Werbung, Markenführung, eigene Outlets. Für den Hersteller ging es schlicht um Vorwärts-Integration, für den Handel um Rückwärts-Integration. Im Marketing setzte sich in dieser Zeit die Erkenntnis durch, dass ohne Kommunikation kein Erfolg im Markt möglich ist. Werbung wurde folglich abgelöst durch Kommunikation, die den Umworbenen einbezog. Im Marketing Journal nannte ich Kommunikation den "fünften Produktionsfaktor" (neben Boden, Arbeit, Geld-Kapital und Geist-Kapital). Ein großes Thema wurde auch die "Integrierte Kommunikation", die bis heute oft thematisiert und selten effi zient umgesetzt wurde. Eine Weiterentwicklung des kommunikativen Ansatzes findet sich Ende der 1970er, Anfang der 1980er-Jahre im Aufkommen der Corporate Identity. Ganzheitliche Kommunikation, nach innen und nach außen, war und ist bis heute das Ziel. Das, worauf es ankommt, ist der ganzheitlich geschlossene Auftritt von Produkten/Leistungen, Menschen, Instrumenten und Unternehmen. Das Marketing Journal bereitete das vom BDW Deutscher Kommunikationsverband unter Präsident Carlhanns Damm angestoßene CI-Thema intensiv auf.

Marke wird zum ganz großen Thema

Anfang der 80er-Jahre griff das Marketing Journal das Thema Marke auf, das für die Fachwelt bis heute das zentrale Marketing-Thema geblieben ist. Schon 1982 brachte ich in meinem Verlag MARKETING JOURNAL den Klassiker zum Thema Marke wieder auf den Markt – Hans Domizlaff: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik. Seither ist das Thema Marke in Buchtiteln, Zeitschriftenbeiträgen, auf Kongressen und in Seminaren gefragt. Das verwundert nicht, sondern ist eine logische Folge aus der vorangegangenen Entwicklung im Marketing: Direkt-Kontakt – Kommunikation – Corporate Identity. Die Marke vereinigt alles in sich. War Marke erst nur Thema im Bereich der Konsumgüter, so sprang das Marken-Denken schnell auf Invest- und Produktions-Güter sowie Dienstleistungen über. Heute gelten Städte und selbst Menschen als Marke. Im Marketing Journal wurde Marke in der Konsequenz von mir als der "sechste Produktionsfaktor" bezeichnet.

Es gibt noch viel zu tun und zu berichten


Wenn es auch scheint, dass sich ein "roter Faden" durch die Entwicklung des Marketings zieht, so ist doch festzustellen: Es gibt immer noch viele Baustellen. So ist "Integrierte Kommunikation" noch weit entfernt von praktizierter Wirklichkeit. Auch im Bereich "Marke" wird vielerorts noch viel zu eng, zu sehr instrumentell gedacht. Bei Namensgebung, Verpackung oder Design fehlt es oft an bewusst gestalteter Marken-Entwicklung, Marken-Pflege – eben Marken-Führung. Daran gilt es zu arbeiten und neue Tendenzen und Trends aufzuzeigen. Ich wünsche dem "neuen alten" Autoren-Journal Marke 41 als unabhängiger Informationsplattform in der Tradition des Marketing Journal das richtige Gespür für Themen, viele spannende und informative Ausgaben, und vor allem das Glück des Tüchtigen.